Als ich in meine jetzige Wohnung zog, baumelte an einem alten, imposanten Baum hier um die Ecke noch eine kleine Schaukel auf der Grünfläche vor einem der Mehrfamilienhäuser.
Keine von denen, die man sonst auf Spielplätzen sieht oder kaufen könnte, es war ein einfaches Holzbrett an dicken Seilen. Sie hing ein bisschen zu hoch und war auch schief, aber wenn man sich draufsetzte und schaukelte, fühlte man sich wie ein unbeschwertes Kind.
Diese Schaukel hatte etwas Magisches, und auf ihr saßen nicht nur Kinder.
Irgendwann war sie weg, ich vermute, dass der Hausbesitzer, eine Wohnbaugesellschaft, sie abhängen ließ. Versicherungsrisiko und so, das war kein TÜV-geprüftes Spielgerät, und niemand möchte haften, wenn etwas passiert.
So ist das heutzutage, und auch wenn ich das verstehe, so finde ich es doch sehr schade.
Muss wirklich alles praktisch, pflegeleicht und hundertprozentig sicher sein? Geht uns da nicht ein bisschen Freude und Schönheit im Alltag verloren?
Hier in der Straße waren bis vor kurzem auch etliche kleine, wilde Blumenpflanzungen rund um die Straßenbäume. Wunderhübsch sah das aus, da hatten Anwohner liebevoll kleine Blumeninseln geschaffen, jedes Jahr blühten dort knallrote Tulpen und andere farbenfrohe Blumen.
Meine Kinder liebten diese bunten Fleckchen und standen oft staunend vor der Farbenpracht. Jetzt, wo die Straße neu gemacht wurde und viele Bäume ersetzt wurden, umgibt diese Bäume hellbrauner Schotter aus Steinen. Das ist praktisch, aber überhaupt nicht schön.
Und für die vielen kleinen Tiere, die vorher dort kreuchen und fleuchen konnten, ist nun auch kein Platz mehr.
Immerhin, in der Seitenstraße wachsen jeden Sommer wilde Sonnenblumen an ungepflegten, wilden und grünen Ecken – noch. Ich hoffe, dass das so bleibt, denn meine Kinder und ich freuen uns jedes Jahr aufs Neue sehr über diesen Anblick. Mir gefällt dieser Trend zum Glattgelecktem nicht.
Müssen wir wirklich alles optimieren, möglichst pflegeleicht machen?
Denn das ist scheinbar der neueste Schrei: Angesagt sind jetzt Schottergärten vor den Häusern von Menschen, die etwas auf sich halten, da wächst dann kein Grashalm mehr. In Konstanz habe ich noch keine solcher „Gärten des Grauens“, wie Kritiker sie nennen, gesehen. Aber was deutschlandweit Trend ist, kommt erfahrungsgemäß auch bei uns irgendwann an.
Und irgendwie haben wir ja mit dem Platz südlich der Fahrradbrücke, auf dem die hässlichen Wassertische stehen, eine Art Schotterparkanlage.
Statt grün dominieren da graue Platten, eine Handvoll Bäume, die kaum Schatten spenden, und eine große Fläche aus grauem Kies.
Grauenhaft, wenn Sie mich fragen. Eigentlich will man doch eine Wiese vor dem Haus, auf die man sich legen kann und in den Himmel schauen, oder? Grau gibt es auch bei uns genug, es dürfte ruhig etwas bunter und vielfältiger in der Stadt zugehen.
Ein klein bisschen Wildheit sollten wir uns erlauben. Ich jedenfalls würde gerne in einer Gesellschaft leben, die sogar wilde Schaukeln toleriert. Die tun auch Erwachsenen gut.
Christine Finke (52) ist Buchautorin und lebt mit ihren Kindern (10, 12 und 18) und zwei Katzen allein, wie man so sagt – also ohne Mann. Seit 2011 berichtet sie über ihr Leben in ihrem preisgekrönten Blog „Mama arbeitet“. Sie zog 2002 nach Konstanz.