Besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen. Ein Satz, den man gerade oft hört. Er trifft auch auf einen Moment im Leben zu, der bereits ohne Corona-Pandemie kaum vergleichbar mit anderen ist. Geburten finden am Konstanzer Klinikum, wie in den meisten deutschen Krankenhäusern, gerade unter erschwerten Bedingungen statt. Für den Zutritt zum Kreißsaal und den Besuch am Wochenbett gelten strikte Einschränkungen.

Das könnte Sie auch interessieren

Was sieht die aktuelle Regelung im Kreißsaal vor?

Die Standorte Konstanz und Singen hielten sich bei den Zutritts-Beschränkungen an die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, teilt der Gesundheitsverbund im Landkreis mit. Das bedeutet: Der Vater oder eine andere Bezugsperson darf „die Frau während der aktiven Phasen der Geburt begleiten, wenn sie sicher keine Infekt-Zeichen und keine erhöhte Körpertemperatur aufweist“. Diese werde gemessen. Die Person sollte ferner den Kreißsaal nicht verlassen oder sich mit jemand anderem abwechseln.

Wie sieht es für den Besuch am Wochenbett aus?

Im Wochenbett danach darf die Mutter den Vater einmal pro Tag für maximal eine Stunde empfangen. Diese Vorgaben können jederzeit angepasst werden. Am Konstanzer Klinikum findet zur Einschätzung der Lage laut Andreas Zorr, Chefarzt des Bereichs Frauenheilkunde und Geburtshilfe, jeden Tag ein Krisenstab statt.

Aus dem Team der Frauenklinik in Konstanz: Oberärztin Anna Pelova, die leitende Hebamme Magdalena Fien und Chefarzt Andreas Zorr (von ...
Aus dem Team der Frauenklinik in Konstanz: Oberärztin Anna Pelova, die leitende Hebamme Magdalena Fien und Chefarzt Andreas Zorr (von links). | Bild: Oliver Hanser

Wie begründet der Chefarzt den Schritt?

Zorr erläutert, was mit „aktiver Phase der Geburt„ gemeint ist: „Alles ab den Geburtswehen“, sagt er. Eine anfängliche Regelung einer maximalen Anwesenheitszeit von einer Stunde im Kreißsaal sei revidiert. „Hier ist die Charité in Berlin vorgeprescht und hatte das so festgelegt“, erläutert der Chefarzt, „das macht aber überhaupt keinen Sinn, weil man nicht abschätzen kann, wie lange die Geburt dauert.“ Die Stunden-Regelung gelte ausschließlich für den Besuch der Väter am Wochenbett.

Das könnte Sie auch interessieren

„Wir wissen, wie wichtig es ist, dass die Mutter bei der Geburt und danach ihren Partner oder eine andere Bezugsperson bei sich hat“, sagt er. Gleichwohl müsse alles getan werden, „damit die Verbreitung des Coronavirus eingeschränkt oder vermieden wird“.

Wie bewertet eine Hebamme die Vorgaben?

Sabine Friese-Berg ist Hebamme und führt in Konstanz eine Praxis. Sie ist zwar nicht am Klinikum tätig, hat durch ihre langjährige Berufserfahrung aber ein Gespür für werdende Mütter. Friese-Berg betont zunächst: „Die Kliniken stehen vor einem riesigen Dilemma und tun ihr Bestes. Es ist vor allem wichtig, Eltern die aktuellen Beschränkungen schonend zu erklären.“ Dennoch lehne sie diese klar ab und habe deshalb auch eine bundesweite Online-Petition zur Aufhebung unterschrieben.

Das könnte Sie auch interessieren

„Für mich ist nicht nachvollziehbar, was das bringen soll“, sagt sie, „spätestens zu Hause würde der Vater ohnehin angesteckt und das Virus verbreitet“, sagt sie. Von Kolleginnen anderswo in Deutschland habe sie gehört, dass sie zu spontanen Geburten gerufen würden, weil Mütter unter diesen Bedingungen Angst vor dem Krankenhaus bekämen.

Gibt es denn Möglichkeiten, um der Situation anderweitig zu begegnen?

Die Hebamme ruft deshalb zu Alternativen auf. So sollten Frauenkliniken „Mütter während der Latenzphase an der langen Leine lassen. Das heißt: Sie dazu aufrufen, so lange wie möglich bis zu den Geburtswehen zu Hause zu bleiben und nicht zu früh ins Krankenhaus zu fahren“, erklärt Friese-Berg.

Dies sei auch ohne Corona-Pandemie Empfehlung der meisten Hebammen. Eine weitere Option: Die Einrichtung eines ambulanten Diensts, mit dem Hebammen zur Betreuung der frühen Wehen-Phase in die Wohnungen der Mutter geschickt werden.

Wie geht das Personal der Frauenklinik mit werdenden Eltern um?

Laut Frauenklinik-Chefarzt Andreas Zorr haben die meisten Mütter Verständnis für die getroffenen Regeln. Es gebe zwar verunsicherte Eltern, die sich deshalb telefonisch an die Frauenklinik wenden. „Aber unsere Ärzte, Hebammen und Pflegende sprechen mit den Menschen darüber und begründen den Schritt“, sagt er, „es möchte doch niemand eine Situation, wie wir sie in Italien erleben, auch bei uns.“

Und was sagen frischgebackene Eltern dazu?

Nadine und Michael Schwarz sind frischgebackene Eltern, am 13. März kam Töchterchen Zoey zur Welt. „Wir hatten uns überlegt, spontan auf Hausgeburt umzuschwenken“, bestätigt Nadine Schwarz die Einschätzung von Sabine Friese-Berg. Ihre eigene Hebamme sei auf Hausgeburten spezialisiert „und hat dann noch einmal nachgefragt“, erinnert sich die junge Mutter. Schließlich entschieden sie sich dennoch für die Konstanzer Frauenklinik – auch weil die vor zwei Wochen bereits geltenden Einschränkungen noch weniger strikt waren. Zwar durfte nur noch der Vater zum Besuch ans Wochenbett kommen, das aber den gesamten Tag.

„Diese Zeit fast ausschließlich ohne Michael zu verbringen, hätte ich mir nicht vorstellen können – bei all der emotionalen Überwältigung und den vielen Fragen, über die man sich austauschen will,“ erinnert sich Nadine Schwarz. Am 16. März zog das Klinikum die Regeln an und beschränkte die Besuchszeiten auf ein Minimum – Nadine Schwarz ist froh, dass das ihr Entlassungstag war.