Seit einigen Tagen wohne ich 18 Jahre in Konstanz – ich bin nun volljährig! Wobei ich, wenn ich‘s mir genau überlege, mich „nur“ etwa die ersten 10 Jahre fremd fühlte, was auch immer noch recht lange ist, verglichen mit Berlin, wo ich nach vier Jahren Zuhause war, aber Konstanz ist ja auch ein ganz anderes Pflaster.
Hier kann man Menschen finden, die sich mit: „Ich bin Zugereiste – seit 35 Jahren in Konstanz“ vorstellen, wie kürzlich eine etwa 60-Jährige Dame, die ich bei einer Diskussionsrunde traf.
Wurzeln geschlagen
Verglichen damit habe ich also schnell Anschluss bzw. eine Heimat hier gefunden: In Konstanz ist eins meiner drei Kinder geboren, das war Schritt eins zu meiner echten Einbürgerung, vier Jahre, nachdem wir in Hamburg unsere Koffer gepackt hatten.

Und in Konstanz habe ich mich scheiden lassen, was ebenfalls ein bedeutender Schritt war – da wohnte ich zwölf Jahre hier, und ich dachte darüber nach, ob ich wieder nach Freiburg ziehen sollte, wo ich groß geworden war, oder ganz woanders einen Neuanfang wagen. Aber als ich das gedanklich durchspielte, wurde mir klar, dass ich längst in Konstanz Wurzeln geschlagen hatte.
Die Konstanzer Mischung aus Unaufgeregtheit und Lebensfreude
In einer Stadt ohne See wohnen, die lieb gewonnenen Orte und Menschen hinter mir lassen, die überschaubaren Strukturen und diese ganz spezielle Mischung aus Unaufgeregtheit und Lebensfreude? Nein, das wollte ich nicht. Und doch fehlte mir noch irgendetwas, um mich richtig angekommen zu fühlen – es war, als würde ich die Stadt nur oberflächlich kennen.
Denn die Konstanzer, so dachte ich in den ersten Jahren, blieben lieber unter sich. Ich kannte quasi niemanden, der/die schon immer aus Konstanz war, also hier geboren und groß geworden ist. Dass hier Familien leben, die sogar schon seit Generationen in Konstanz verwurzelt sind, wusste ich zwar aus der Zeitung, aber diese Fabelwesen traf ich in meinem Alltag nie. Wo waren sie bloß, die echten Konstanzer!?
Anfangs traf ich Menschen von überall her, sogar aus Schwaben – aber wo waren die Konstanzer?
Im Kindergarten nicht, dort lernte ich dafür über Spielfreundschaften meiner Kinder viele Eltern mit Migrationshintergrund kennen, auch Norddeutsche, Australierinnen, sogar Schwaben. Aber Konstanzer? Fehlanzeige. Im Musikkindergarten, beim Kindertanzen, beim Geburtsvorbereitungskurs – reichlich nette Menschen, aber keine KonstanzerInnen.
Auch bei den vielen Elternabenden, die ich besuchte, schienen die Anwesenden von überall herzukommen, nur nicht von hier. Egal in welcher Nachbarschaft ich lebte, ich traf ständig Leute aus ganz Deutschland und aller Welt, nur halt Konstanzer so gut wie nie.
Vielleicht sieht man Alteingesessene nur, wenn man sie sucht?
Am Ende kam der Zugang durch mein politisches Engagement, bei dem ich auf junge und alte KonstanzerInnen traf, die mit großer Selbstverständlichkeit erzählten, sie seien schon immer hier, und ihre Eltern auch.
Es war ganz eigenartig, ab diesem Zeitpunkt tauchten auf einmal überall alteingesessene Konstanzer jeden Alters in meinem Leben auf. Sie sind Handwerker, Einzelhändler, Bauern oder Gastwirt, und sie bleiben überhaupt nicht gezielt unter sich. Vielleicht hatte ich sie nur nicht gesehen, weil ich nach Menschen Ausschau hielt, die ebenfalls fremd waren?
Christine Finke (52) ist Buchautorin und lebt mit ihren Kindern (10, 12 und 18) und zwei Katzen allein, wie man so sagt – also ohne Mann. Seit 2011 berichtet sie über ihr Leben in ihrem Blog „Mama arbeitet“. Sie zog im Jahr 2002 nach Konstanz