Maskierte Skelette, Nachwuchs-Hexen oder andere gespenstische Gestalten: Sie stehen am Halloween-Abend vor vielen Haustüren und bitten mit geschnitzten Kürbissen und großen Jutebeuteln um Süßes. Aber fragt man die Kostümierten, ob ihre fantastischen Vorbilder tatsächlich existierten, erntet man von Klein wie Groß eher spöttische Blicke.
Und doch halten sich auch in Konstanz seit Jahrhunderten – gerade an Herbstabenden, an denen der Nebel vom See heraufzieht und der Wind stürmisch die letzten Blätter von den Ästen fegt – im Volksmund hartnäckig Geschichten über Geistergestalten aus dem Jenseits.
Schon im 16. Jahrhundert hörten Grafen aus Konstanz die Geister poltern
Da wären die Berichte aus der Chronik der Grafen von Zimmern (Zimmersche Chronik) aus dem 16. Jahrhundert. Nach ihnen sei Graf Gottfried Christoph Zimmern in seiner Konstanzer Residenz von wildem Poltern sowie einem Wesen mit „weißem Angesicht und grünen, glitzerigen Augen, als ob es grüne, helle Gläslein wären und brennten“, in seiner nächtlichen Ruhe gestört worden.
Aber es gibt auch wesentlich jüngere Gruselgeschichten aus Konstanz. Zum Beispiel die zweier Frauen, die nach Überlieferungen des Historikers und Sagensammlers Ulrich Büttner vor knapp 20 Jahren in den Weinreben unterhalb des Bismarckturms bizarre Irrlichter beobachtet haben wollen, die sie sich nicht erklären konnten.

Die tragische Geschichte vom Schottenfriedhof
Auch wo heute nichtsahnend Kinder und Jugendliche kicken, Tischtennis spielen oder sich über den neuesten Schulklatsch austauschen, hat ein Nachtwächter im 16. Jahrhundert eine unheimliche – aber vor allem tragische Entdeckung – machen müssen.
Auf dem Schulhof des Alexander-von-Humboldt-Gymnasiums befand sich damals noch der zu Schottenkapelle zugehörige Friedhof, auf dem der Wächter nachts eine weiße Frauengestalt erspähte, die ein Grab beweinte.
In einer der darauffolgenden Nächte überzeugte sich die bereits zuvor informierte Stadtwache, der Totengräber und wohl auch der Henker von der trauernden Gestalt, die jedoch unerklärlicherweise verschwand, als die Gruppe auf sie zutrat.
Bei der darauf beschlossenen Bergung des Grabes offenbarte sich den Anwesenden die tragische Lösung des Rätsels: Eine jüngst verstorbene Frau war hochschwanger begraben worden und hatte im Grab ihr Kind bereits tot oder dem Erstickungstod geweiht zur Welt gebracht. Aus heutiger Sicht unvorstellbar, zur damaligen Zeit jedoch nicht ausgeschlossen.
„Das gab es früher ganz selten mal, das ist also kein Ammenmärchen“, gibt Historiker Ulrich Büttner zu Bedenken. Nachdem die Kirche den Säugling schließlich ordnungsgemäß bestattet hatte, sei der Sage nach die weiße Frau vom Schottenfriedhof nie wieder aufgetaucht.
Auch um das Münster ranken sich Mythen um Gespenstermessen
Als Touristenmagnet tagsüber stets gut besucht, überragt der Turm des Münsters nachts hell beleuchtet und doch unbelebt die Dächer der Stadt. Umso seltsamer erscheint es, wenn das Kirchenschiff des monumentalen Bauwerks durch nächtliche Gesänge, Orgelspiel oder diffuses Licht ebenfalls zum Leben erweckt wird. Ein Reisender will das spätabends bei seiner Ankunft in Konstanz erlebt haben, wie Ulrich Büttner berichtet.
Zunächst von einer nächtlichen Messe ausgehend, stellte er beim Versuch, das Gotteshaus zu betreten, fest: Die Türen sind fest verschlossen. Als er sich am nächsten Morgen beim Pfarrer nach dem Anlass der nächtlichen Messe erkundigte, erwiderte dieser verwundert, es habe kein Gottesdienst stattgefunden.

Kirchliche Gebäude besonders beliebt für Spukgeschichten
Von einer ähnlichen Begebenheit im Jahr 1565 berichtet auch die Zimmer‘sche Chronik, nach der Konstanzer Bürger und Nachtwächter in mehreren Nächte „abermals etliche Lichter auf dem Münsterturme gesehen [haben], sieben an der Zahl; die haben hell gebrannt und [] eine gute Weile von ihnen und anderen ehrbaren Leuten bemerkt worden [sind]“. So überliefert es Wendelin Duda in „Die Sagen der Stadt Konstanz und der Inseln Reichenau und Mainau“.
Dass sich solche Erzählungen im Laufe der Jahrhunderte wiederholen, wundert Büttner nicht: „Das ist eine Geister- oder Gespenstermesse, über die es bei alten Kirchen eigentlich immer wieder Geschichten gibt.“ Dementsprechend bereichern auch Spukgeschichten andere Konstanzer Sakralbauten den gespenstischen Sagenschatz der Stadt.
So soll zum Beispiel 1633 das spätmittelalterliche Kloster St. Katharina, heute ein beliebter Biergarten im Mainauwald, zum Schutz vor Plünderung durch die Schweden urplötzlich verschwunden sein. Oder es sollen in der als Stall genutzten Johanneskirche Geißböcken nachts durch eine „unsichtbare Macht“ die Hälse umgedreht worden sein. So steht es in Bernhard Baaders „Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden“. Also: Jede Menge guter Gelegenheit, sich auch in Konstanz zu Halloween zu gruseln.