Anja Rechberg wundert sich. Seit Beginn der Corona-Krise hört sie immer wieder von Maßnahmen, Regeln, Geboten, Verboten oder Hinweisen. „Nur wir Bestatter werden irgendwie nicht berücksichtigt“, sagt sie. „Dabei sind wir ebenso systemrelevant wie Schulen, Firmen, Kliniken oder Ämter.“

Sollte sich ein Mitarbeiter mit dem Corona-Virus anstecken, „denn dann müssten alle Beteiligten unter Quarantäne gestellt und der ...
Sollte sich ein Mitarbeiter mit dem Corona-Virus anstecken, „denn dann müssten alle Beteiligten unter Quarantäne gestellt und der Friedhof geschlossen werden. Nicht nur der Hauptfriedhof, sondern alle städtischen“. Bestatterin Anja Rechberg. | Bild: Schuler, Andreas

Am Donnerstagabend erhielt sie immerhin eine E-Mail von Oberbürgermeister Uli Burchardt persönlich mit allgemeinen Formulierungen, die offenbar an alle Wirtschaftsunternehmen der Stadt ging. Direkte Informationen zu ihrem Aufgabengebiet finden sich in der Mail nicht.

Das könnte Sie auch interessieren

Abstand halten – auf einer Beerdigung

„Klar ist, dass auch wir uns an die allgemeinen Vorgaben halten müssen“, ist die 46-Jährige überzeugt. „Das heißt: Die Trauernden sollen zwei Meter Abstand voneinander halten, sich möglichst nicht umarmen oder küssen. „Man kann sich vorstellen, wie schwierig das ist bei einer Beerdigung,“ sagt Rechberg.

Normalerweise sind die Bänke bei Trauerfeiern ausgelastet. Derzeit dürfen hier maximal 25 Personen Platz nehmen.
Normalerweise sind die Bänke bei Trauerfeiern ausgelastet. Derzeit dürfen hier maximal 25 Personen Platz nehmen. | Bild: Schuler, Andreas

Zur Trauerhalle, in der bei Beerdigungen von bekannten Menschen nicht selten einige Hundert Menschen Seite an Seite sitzen und stehen, haben mittlerweile nur noch maximal 25 Personen Zutritt. Die Reihen sind versehen mit Nummern, dazwischen ist der gebotene Abstand gehalten.

Auf dieser Bank darf eine Person Platz nehmen.
Auf dieser Bank darf eine Person Platz nehmen. | Bild: Schuler, Andreas

„In den Arm nehmen ist nicht mehr möglich“

„Dieser Anblick ist wirklich sehr traurig und surreal“, sagt Anja Rechberg, die es gewohnt ist, die Trauernden auch mal in den Arm zu nehmen. Sie ist zwar Unternehmerin auf dem Friedhof, „aber man ist ja auch Mensch und möchte Trost spenden. Das ist ein Teil meiner Arbeit, der nicht mehr möglich ist“.

Das könnte Sie auch interessieren

Dass ihre Kunden in der Regel ältere Menschen sind, vereinfacht die Aufgabe nicht unbedingt: „Sie gehören zur absoluten Risikogruppe, die eigentlich ganz besonders geschützt werden müsste. Das ist aber sehr schwierig in einer solchen Situation.“

Jeder weiße Aufkleber mit Nummer steht für einen Sitzplatz. Dazwischen sind zwei Meter Abstand.
Jeder weiße Aufkleber mit Nummer steht für einen Sitzplatz. Dazwischen sind zwei Meter Abstand. | Bild: Schuler, Andreas

Theoretisch müsste Anja Rechberg eine Liste führen, auf der sich alle Trauergäste eintragen müssen. Ein Türsteher müsste darauf achten, dass nach 25 Personen die Türen geschlossen werden. Und direkt nach der Trauerfeier wäre der Saal komplett zu desinfizieren.

Trauerfeier vor der Halle

Ein sehr unangenehmes Szenario, wie die Bestatterin erzählt: „Beerdigungen sind natürlich sehr emotional. Die Hinterbliebenen sind in einem Ausnahmezustand. Die ganze Situation ist sehr bewegend. Da möchte man nicht maßregelnd auftreten.“

Immerhin hat sie in den vergangenen Tagen erlebt, dass ihre Kunden sehr verständnisvoll sind. Doch nicht nur die – auch Vertreter der Kirche. „Ein Priester hat eine Trauerfeier außerhalb der Aussegnungshalle durchgeführt, damit die Personen sich mit ausreichend Abstand zueinander aufstellen konnten.“

Drei Stühle für eine Person.
Drei Stühle für eine Person. | Bild: Schuler, Andreas

Der Albtraum nicht nur für die Bestatterin, sondern für alle Mitarbeiter des Friedhofs: Sollte sich ein Mitarbeiter mit dem Corona-Virus anstecken, „denn dann müssten alle Beteiligten unter Quarantäne gestellt und der Friedhof geschlossen werden. Nicht nur der Hauptfriedhof, sondern alle städtischen“.

Coronafall? Alle Friedhöfe müssten dichtmachen

Das würde dann Allmannsdorf, Wollmatingen, Litzelstetten, Dingelsdorf und Dettingen betreffen. Und wo würden in diesem Fall anstehende Beerdigungen stattfinden? Anja Rechberg sagt: „Da existieren noch keine Szenarien. So eine Situation hatten wir ja noch nicht. Urnenbeisetzungen kann man hinausschieben. Beerdigungen jedoch nicht.“ Dann wären zum Beispielen Kooperationen mit Nachbargemeinden gefragt.

Der Eingang zur Einsegungshalle.
Der Eingang zur Einsegungshalle. | Bild: Schuler, Andreas

Fürs Erste hat die Stadt Konstanz auf allen Friedhöfen einen Aushang gemacht. Hier heißt es unter anderem: „Die Angehörigen werden gebeten, Trauerfeiern nur in einem engen Kreis von Familien und Freunden durchzuführen. Personen mit Grippe ähnlichen Symptomen sollen der Feierlichkeit nicht beiwohnen.“

Das könnte Sie auch interessieren

Weiter heißt es: „Die rituelle Beigabe von Wasser und Erde entfällt. Es wird gebeten, auf Händeschütteln, Beileidsbezeugungen und Nähe zu verzichten. Die Bestattungsunternehmen werden gebeten, in ihren Beratungsgesprächen und der Gestaltung des Bestattungsvorgangs auf die dargestellten Ausnahmeregelungen explizit hinzuweisen.“

„Das ist alles sehr traurig“

Darüber hinaus werden in dem Aushang die maximalen Sitzgelegenheiten unter Berücksichtigung des Sicherheitsabstandes in den Aussegnungshallen der städtischen Friedhöfen aufgelistet. „Das ist alles sehr traurig“, sagt Anja Rechberg.