Das erst vor eineinhalb Jahren vom Gemeinderat beschlossene Handlungsprogramm Wohnen gerät in eine erste leise Kritik. In der Politik mehren sich die Stimmen, die die Zahl von 5300 neuen Wohnungen im Zeitraum von 2011 bis 2030 für zu gering halten, um die Kostenexplosion und die drohende soziale Schieflage in der Stadt aufzuhalten. Im Fokus stehen dabei drei Fragen: Reicht es aus, wenn nur ein Sechstel der neuen Appartements Sozialwohnungen sind? Ist Konstanz insgesamt von einem zu geringen Bevölkerungswachstum ausgegangen? Und kommen die Vorhaben schnell genug oder überhaupt voran?
Die Verhandlungen zehren an den Nerven
Immer ernster wurden die Mienen, als zum Beispiel Anselm Venedey (Freie Wähler) jüngst im Technischen und Umweltausschuss tief in den Kern der Debatte vordrang. „Wir merken in jeder Sitzung, dass wir an unsere Grenzen stoßen“, sagt er und erklärte auch gleich, warum das in seinen Augen so ist: Der Gemeinderat knicke immer wieder vor „Lobby- und Partikularinteressen“ ein, und „Bürgergemeinschaften versuchen überall, Wohnungsbau zu verhindern oder zu verkleinern“. Als er geendet hatte, herrschte erst einmal Stille im Sitzungssaal. Jürgen Ruff (SPD) stellte die Frage, ob „5300 Wohnungen noch den heutigen Zahlen entsprechen“; Gisela Kusche (Freie Grüne Liste) befürchtet, dass die Bebauung des Hafner und des Schwaketenwalds nicht reichen könnten. Zum Handlungsprogramm Wohnen erklärte sie: „Ich denke, dass wir das auf Dauer so nicht weiterführen können.“
Ein Plädoyer für die Rodung des Waldes gab Kusche damit nicht ab, aber sie forderte wie viele andere auf den neu zu entwickelnden Flächen eine deutlich dichtere Bebauung als geplant: Für die Versorgung mit Einfamilienhäusern sei die Stadt „nicht zuständig.“ Das sehen nicht alle Stadträte so, aber die Einigkeit ist groß, dass das Tempo steigen muss. „Es geht jetzt nur noch um das Wie und Wo. Das Ob scheint mir nicht mehr infrage zu stehen“, sagte Thomas Buck (Junges Forum), während Johannes Hartwich klagte, es dauere vier bis fünf Jahre zwischen dem Moment, in dem der Gemeinderat einen Bebauungsplan beschließt und dem eigentlichen Bau: „Nicht mehr diskutieren, handeln“, fordert er. Matthias Heider (CDU) will, dass alle Flächen nochmals untersucht werden. Qualität müsse vor Tempo gehen, und sozialer Wohnungsbau sei nur auf städtischen Grundstücken möglich – die am Markt verfügbaren seien dafür schlicht zu teuer.
Die Entwicklung muss schneller vorangehen
Im Frühjahr soll das Handlungsprogramm auf den Prüfstand, kündigte Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn an. Einige Vorhaben wie die Bebauung der Christiani-Wiese habe man um ein Jahr vorgezogen, doch ob den Stadträten das Tempo wirklich reicht, ist ungewiss. Zumal in den nächsten Wochen neue Zahlen des Statistischen Landesamts erwartet werden. In welche Richtung sie gehen könnten, deutete Marion Klose, die Chefin des Amts für Stadtplanung und Umwelt an: Sie sprach von „anhaltender Dynamik in Groß- und Universitätsstädten“, auch für Konstanz sei die „Tendenz steigend“. Peter Müller-Neff (FGL) regte an, auch über den Flugplatz als neues Wohnquartier nachzudenken, denn seine Fraktion sei weiterhin „nicht mit allen Gebieten im Handlungsprogramm einverstanden“. Die Debatte wird fortgesetzt.
Aktuelle Vorhaben im Wohnungsbau
Die Stadtverwaltung hat im Technischen und Umweltausschuss Zahlen vorgelegt:Bau läuft: Abschluss Bhf. Petershausen (140 Wohneinheiten), Sonnenbühl-Ost (90), Studentenwohnen Chérisy (100), Schmidtenbühl (57).
Planung läuft, Bau ab 2017/18: Graf Hardenberg (82), Markgrafenstraße (30), Jungerhalde (60 Pflegeplätze), Freibürgleweg (25), Kuhmoosweg (25), Christiani-Wiese (45), Marienweg Litzelstetten (60), Brühläcker (60), Ortsmitte Dettingen (Seniorenwohnen), Brunnenhalde Dettingen (30).
Bau nicht vor 2019: Viele große Projekte werden nicht vor Ende des Jahrzehnts bezugsreif, darunter Döbele (300 Wohneinheiten), südlich Lago (145), Weiherhof (120), Fohrenbühl (70) Ravensberg-Gelände (60) oder Vincentius-Areal (100).
In fernerer Zukunft: Hafner (2500), Gerstäcker (560), Sportplatz Fürstenberg (100), Egg Ost (70).