Frank Raddatz betritt einmal mehr das prestigeträchtige Schulgebäude am Zähringerplatz. Hier war über 20 Jahre lang sein Arbeitsplatz, viele davon war Raddatz Leiter der Theodor-Heuss-Realschule. Inzwischen ist er im Ruhestand.
Für das Gespräch über den Abschied seiner ehemaligen Schule vom Zähringerplatz kehrt er an seine alte Wirkungsstätte zurück. Denn nach dem aktuellen Schuljahr muss das Theo den Ort verlassen, an dem es seit über 50 Jahren Schülerinnen und Schüler zum mittleren Bildungsabschluss führt.
Der Gemeinderat beschloss im Mai 2020 das Aus der Theodor-Heuss-Realschule. Seitdem dürfen dort keine Fünftklässler mehr aufgenommen werden. Derzeit werden am Theo noch vier Klassen unterrichtet, in zwei Jahren ist ganz Schluss.


„Das Schwert der Schließung drohte immer schon“, erzählt Raddatz. „Als ich dort angefangen habe, hieß es, wir könnten die Schule noch ein bisschen weiterlaufen lassen. Sie hat sich dann sehr gut entwickelt, zeitweise hatten wir 600 Schüler.“
Doch „verschiedene Restriktionen“ hätten dazu geführt, dass die Anmeldezahlen zurückgingen. Unter anderem sei wenig Geld für das Theo ausgegeben worden. „Das Ende war politisch gewollt“, meint Raddatz.

Zudem meldeten immer mehr Eltern ihre Kinder an der Gemeinschaftsschule Gebhard an, die aus allen Nähten platzte und trotzdem niemanden abweisen durfte, weil keine zweite Schule desselben Typs in zumutbarer Nähe war.
Als keine weitere Konstanzer Schule bereit war, sich zur Gemeinschaftsschule weiterzuentwickeln, wurde eine neue Schule dieses Typs konzipiert, die Lotte-Eckener-Gemeinschaftsschule. Und die brauchte Räume. Damit sie nach und nach im Schulgebäude am Zähringerplatz wachsen kann, muss das Theo weichen.
Dass die Schule bald ganz geschlossen wird, bedauert Frank Raddatz sehr. „Wir haben viele Schüler zum Abschluss geführt, die sich anschließend in Konstanz einen Namen gemacht haben, darunter viele Mittelständler“, sagt er. „Und wir waren oft Auffangstation für Gymnasialrückkehrer. Wir stehen zum Konzept der Realschule und finden es sehr schade, dass diese Schulart keinen Rückhalt mehr findet.“
Viele liebten das „kleine, schnucklige“ Theo
Sein langjähriger Kollege Michael Stotten, Lehrer für Mathematik, Physik und Sport, sieht es genauso: „Die Realschule war und ist ein sehr guter Vorbereiter auf die Berufswelt und die beruflichen Gymnasien. Ich finde es sehr bedauerlich, dass einige Stadträte für Realschüler in Konstanz nur noch zwei Großschulen wollen, die Gebhard- und die Geschwister-Scholl-Schule.“
Gerade das „Kleine, Schnuckelige“ sei für viele Eltern ein Grund gewesen, ihre Kinder ans Theo zu schicken. „Wir hatten immer schon mit einem schlechten Ruf zu kämpfen, dabei wurde hier gute Arbeit geleistet. Das tut schon weh“, sagt Stotten.

Lehrerin erlebt die zweite Schulschließung
Für seine Kollegin Sandra Bissinger hat das Theo-Ende eine weitere persönliche Komponente. „Ich habe vor einigen Jahren schon die Schließung der Mädchenschule Zoffingen mitgemacht“, sagt die Lehrerin für Deutsch, Kunst und Religion. „Jetzt trifft es mich zum zweiten Mal. Es stimmt mich traurig, dass man die Realschulen sterben lässt.“

Auch zwei Schüler finden das Aus ihrer Schule sehr schade. So sagt Schulsprecher Daniel Sosic, 16 Jahre: „Ich habe mich hier immer wohlgefühlt. Die Lehrer kennen uns gut, weil die Schule übersichtlich ist.“ Nur dieses Schuljahr sei „nicht mehr so spaßig“ gewesen. „Da wir nur noch vier Klassen sind, konnten wir nicht mehr richtig Fasnacht feiern und große Veranstaltungen gab es auch nicht mehr“, bedauert der Schüler, der ans Wirtschaftsgymnasium wechselt.
Diesen Weg schlägt auch Amer Arian ein, Klassensprecher in Klasse 10. „Ich hatte eine Realschulempfehlung, bin aber trotzdem ins Gymnasium gegangen, das lief nicht so gut“, erzählt Amer. „Ich habe meinen Weg korrigiert und bin aufs Theo gewechselt. Zwischendurch habe ich hier auf Hauptschulniveau gelernt, dann aber voll durchgezogen. Für Schüler wie mich ist die Realschule die beste Option.“

„Wir werden hier rausgedrängt“
Ab September 2024 müssen die rund 40 verbliebenen Theo-Schüler in Räume der Geschwister-Scholl-Schule (GSS) umziehen. „Wir werden hier schon rausgedrängt, freiwillig gehen wir nicht“, sagt der kommissarische Schulleiter Dirk Geschke. Aus seiner Sicht hätte es in den nächsten zwei Jahren, bis das Theo ohnehin aufgelöst wird, noch im Miteinander der Schulen am Zähringerplatz funktioniert.
Der Umzug löse bei Schülern und Eltern Unsicherheiten aus, sagt Michael Stotten. Zumindest im ersten Schuljahr am neuen Ort würden die Theo-Schüler aber nur von Lehrern unterrichtet, die sie schon kennen.

Positiver Blick nach vorn
Bei all dem Abschiedsschmerz vom prestigeträchtigen Schulhaus ist der Blick in die Zukunft dennoch positiv: „Die beiden Schulleiter bemühen sich wirklich darum, dass wir am neuen Standort gut aufgenommen werden“, lobt Stotten. Und die beiden Kollegien zeigen schon vor Beginn des neuen Schuljahres, dass sie bald in einem Boot sitzen: „Wir machen im Juli eine gemeinsame Schifffahrt“, sagt Dirk Geschke und lacht.