Rafael Fischer, Rechtsanwalt aus Konstanz, hat zunächst gegen Außenministerin Annalena Baerbock und dann gegen Bundeskanzler Olaf Scholz Anzeige gestellt. Der Grund: Deutschland hat wieder gefährdete Menschen aus Afghanistan aufgenommen. Wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) berichtete, hatte das Bundesinnenministerium auf Anfrage mitgeteilt, dass Ende Februar ein Charterflugzeug aus Pakistan mit 155 Afghaninnen und Afghanen in Berlin gelandet war. Anfang März erfolgte ein weiterer Flug, der 132 Personen in die deutsche Hauptstadt brachte.
Wieso hat der Anwalt Baerbock und Scholz angezeigt?
Daher wirft der Konstanzer Anwalt dem scheidenden Kanzler sowie der Noch-Außenministerin das Einschleusen von Ausländern vor – nach Paragraf 97 des Aufenthaltsgesetzes. Ein Blick in den Gesetzestext zeigt aber: Es gibt gar keinen Absatz 1 mit einer Alternative b) im Paragraf 97, den Fischer in seiner Anzeige anführt.
Sebastian Korsch, Doktorand am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Europarecht und Völkerrecht an der Universität Konstanz, erklärt: „Es ist nicht notwendig, in einer Anzeige korrekt zu zitieren. Die Staatsanwalt muss eine Straftat immer verfolgen, wenn ein Anfangsverdacht besteht. Dazu genügt es grundsätzlich auch, gar keinen Paragrafen zu nennen, sondern nur zu beschreiben.“ Allerdings erwecke diese Fehlzitation natürlich keinen seriösen Eindruck.

Durften die Menschen an Bord des Flugzeugs einreisen?
Rafael Fischer meint, dass oftmals im Vorfeld nicht einmal die Personen identifiziert worden seien, die für die Ausreise aus Afghanistan vorgeschlagen werden. Es würden Personen eingeflogen, von denen man nicht weiß, wer sie sind. Das könne keine korrekte Rechtsanwendung sein. Er erklärt auf SÜDKURIER-Anfrage: „Das Bundesaufnahmeprogramm sieht die Aufnahme von ehemaligen Ortskräften und besonders gefährdeten Afghanen vor. Die Bundesregierung überlässt die Auswahl irgendwelchen Organisationen, die nicht rechtsstaatlich agieren.“
Anhaltspunkte dafür, dass die Afghanen im Flugzeug über keine Aufenthaltserlaubnis verfügten, sieht Sebastian Korsch jedoch nicht. „Sie hatten entweder im Rahmen des Bundesaufnahmeprogramms ein Visum nach Paragraf 23 Aufenthaltsgesetz oder vereinzelt durch das Ortskräfteverfahren ein Visum nach Paragraf 22“, führt er aus. Allesamt sollten sie vorab ein Visumverfahren durchlaufen haben.

Werden die Einreisenden überprüft? Und wenn ja, wie?
Aus dem Auswärtigen Amt heißt es zu den Zweifeln des Konstanzer Anwalts, Sicherheit habe bei den Aufnahmeverfahren aus Afghanistan oberste Priorität: „Gerade deshalb arbeiten wir so eng mit den Sicherheitsbehörden und dem BMI zusammen, die in jedem einzelnen Aufnahmeverfahren beteiligt sind. Auf einen Charterflug kommen nur Personen, die das Ausreise- wie auch Visumverfahren mit allen Sicherheitsüberprüfungen erfolgreich abgeschlossen haben.“ Die Sicherheitsbehörden seien im Rahmen der Prüfungen im Ausreiseverfahren an mehreren Stellen beteiligt.
Bestünden Sicherheitsbedenken oder würden im Ausreiseverfahren sonstige Ausschlussgründe offenkundig, sei eine Aufnahme und Einreise nach Deutschland ausgeschlossen. Die Konsequenz? „Ein Visum wird in einem solchen Fall nicht erteilt. Bei den Sicherheitsinterviews durch die Sicherheitsbehörden wird geprüft, dass die Personen keine Gefahr für die deutsche Sicherheit und Ordnung oder auch unser demokratisches Gefüge darstellen.“
Gibt es den Tatbestand der Gefährdung der Bevölkerung?
Wie der Konstanzer Anwalt Fischer ebenfalls erklärt, sei der Auslöser, Strafanzeige zu erstatten, die seiner Meinung nach unablässige Umsetzung parteipolitischer Ideologien an den rechtlichen Gegebenheiten vorbei gewesen. Oder wie er in einer E-Mail an den SÜDKURIER formuliert: „Macht ja nichts, der deutsche Michel zahlt ja, es wird ja wohl kein Taliban-Schläfer dabei sein. Wir machen das einfach mal weiter!“
Und die Gefährdung der Bevölkerung Deutschlands, die Fischer außerdem in seiner Anzeige Kanzler Olaf Scholz vorwirft? „Diese existiert als Tatbestand gar nicht im deutschen Recht, ich wüsste nicht, auf welchen Gesetzestext er hier Bezug nehmen möchte“, kommentiert Korsch.
Müssen Baerbock und Scholz also vor Gericht?
Letztlich bestehe die Anzeige aus zwei Teilen, vorgeworfen wird Olaf Scholz und Annalena Baerbock das Einschleusen von Ausländern. Diesen Tatbestand würden sie erfüllen, wenn sie jemandem bei der unerlaubten Einreise geholfen oder jemanden dazu angestiftet hätten. „Dafür gibt es zwei Varianten: Entweder wurde eine Person ohne Aufenthaltserlaubnis hierher geholt oder eine Person hatte bei der Einreise keinen Pass.“
Was die Gültigkeit der Pässe angehe, gebe es den Hinweis auf angebliche Proxy-Pässe in den Medien. Hierzu merkt Korsch an: „Die Fachleute, die am besten wissen, ob ein Pass Gültigkeit besitzt, arbeiten an den Botschaften. Dort wurden die Afghanen vor Einreise vorstellig.“ Und auch ohne gültigen Pass gebe es legale Einreisemöglichkeiten. Zum Beispiel könne das BMI eine Ausnahme genehmigen. Somit sei auch diese Möglichkeit nicht erfüllt.
Die Anzeigen hätten damit wenig Aussicht auf Erfolg. Es sei fraglich, ob die Staatsanwaltschaft überhaupt Ermittlungen einleite. Beim Auswärtigen Amt ist die Anzeige bis Freitag, 14. März, jedenfalls nicht bekannt. Hierzu heißt es: „Das Auswärtige Amt kennt die Berichte. Eine Strafanzeige selbst ist bisher im Auswärtigen Amt nicht eingegangen.“