„Wir sind der Protest!“, ruft ein Besucher in den Sitzungssaal, als der Beirat für Architektur und Stadtgestaltung – kurz: Gestaltungsbeirat – der Stadt Konstanz zusammenkommt, um einige Neubauprojekte zu besprechen.
Der Protest, das sind 13 Anwohner des Gerhart-Hauptmann-Wegs und des Stockackerwegs, die ihre großen Bedenken gegen die dort geplante Nachverdichtung äußern. Selten sitzen im Gestaltungsbeirat so viele Zuhörer wie an diesem Nachmittag.

Geplant ist, in die Lücke zwischen zwei bestehende Gebäude einen fünfstöckigen Riegel zu setzen. In der Umgebung stehen Häuser mit ähnlicher Höhe. Die 20 geplanten Wohnungen mit zwei und drei Zimmern sollen über Laubengänge erschlossen werden. Außerdem ist eine Tiefgarage vorgesehen.
Auf Nachfrage erläutert der Konstanzer Architekt Andreas Rogg, der Abstand zwischen dem Neubau und den bestehenden Gebäuden werde je zehn Meter betragen – von Balkon zu Balkon allerdings nur je acht Meter.

„Da wird man depressiv!“
Laut Sitzungsvorlage ist diese Bebauung erlaubt. Doch die Anwohner haben gleich mehrere Einwände. „Alle bestehenden Wohnungen werden kein Licht mehr haben“, fürchtet Petra Gutsmuths. „Das wird so eng wie in der Markgrafenstraße, da wird man depressiv!“
Außerdem sei das Gebiet einst ein Brennpunktquartier gewesen. „Das hat sich erholt, wird aber erneut so kommen, denn Konflikte entstehen durch Enge“, so Gutsmuths.

Außerdem sorgen die Anwohner sich um die Grünfläche, die dem Neubau weichen müsste. „Da spielen viele Kinder – wo sollen die dann hin?“, fragt sich Silvia Frey. Sie hat eine weitere Befürchtung: „In dem Quartier sind noch zwei weitere Lücken zwischen Bestandsgebäuden frei, da könnten weitere Häuser reingequetscht werden.“
Ein ganz anderes Problem sieht Heinz Kalitta: „Wir haben jetzt schon dauernd Probleme mit dem Grundwasser und mit Wasser, das vom Bismarckturm hinunterläuft. Bei einer Kanalsanierung standen wir hier sofort knietief im Wasser. Das wird noch schlimmer, wenn ein weiteres Haus auf der Wiese steht, die derzeit als Puffer dient.“
Anwohner wollen Bäume erhalten
Anwohnerin Elisabeth Grübel sorgt sich vor allem um die beiden großen Rotbuchen und eine Linde, die dem Neubau weichen müssten. „Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn fährt publikumswirksam mit dem Lastenfahrrad Klimabäume aus. Diese Bäumchen werden Jahrzehnte brauchen, um dieselbe Menge Sauerstoff und Verdunstung zu produzieren wie die Bäume auf dem Baugrundstück am Gerhart-Hauptmann-Weg“, schrieb sie ans Baurechts- und Denkmalamt.
So hoffen die Anwohner, dass sie ihr Grün behalten können – obwohl sie wissen, dass am Gerhart-Hauptmann-Weg keine Luxusräume geplant sind, sondern Wohnungen für Angestellte der Spitalstiftung, also unter anderem für Pflegekräfte. „Wir sind auch fürs Bauen“, stellt Petra Gutsmuths klar. „Doch es gibt sicher geeignetere Grundstücke dafür.“

Doch genau für dieses Vorhaben gibt es laut Thomas Fröhlich eben kein anderes brauchbares Grundstück. Fröhlich ist Geschäftsführer der BHS Städtebau Bodensee/Hegau GmbH mit Sitz in Konstanz und erklärt: „Wir möchten hier Wohnungen zu unschlagbaren Mietpreisen anbieten. Das geht aber nur, weil das Grundstück schon der Spitalstiftung gehört und wir es nicht mehr kaufen müssen.“
Fröhlich wirbt dafür, das Projekt doch umsetzen zu dürfen: „Wir haben derzeit als Einzige den Mut, was Neues zu bauen. Das gelingt aber nur, wenn alle zusammenhelfen. Es gibt immer Proteste, egal, wo gebaut wird. Aber jeder weiß, wie dringend Wohnungen gebraucht werden, vor allem in diesem Preissegment.“
„Das ist an dieser Stelle zu viel und zu groß“
Doch auch die Mitglieder des Gestaltungsbeirats tun sich schwer mit den Plänen. So sagt Architekturprofessor Martin Haas aus Stuttgart als Vorsitzender des Gremiums: „Wir unterstützen ausdrücklich den Ansatz, dort bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Doch wir finden das an dieser Stelle zu viel und zu groß.“
Haas hebt dieses Einzelprojekt im Königsbau auf die gesamtstädtische Ebene. „Auch in Zukunft muss uns nachbarschafts- und grünraumverträgliche Nachverdichtung gelingen. Vielleicht ist das hier ein Beispiel, wie es gehen kann.“ Deshalb gibt er dem Bauherrn und dem Architekten mit auf den Weg: „Wir möchten, dass Sie dranbleiben, aber kleiner planen.“

Und an die 13 Zuhörer gewandt ergänzt er: „Den Nachbarn muss klar sein, dass nicht immer alles so bleiben kann, wie es ist.“ Ob die BHS Städtebau nun weiter Interesse am Neubau hat oder doch davon Abstand nimmt, ist offen. Auf Nachfrage antwortet Thomas Fröhlich: „Bevor ich mich weiter äußern kann, warte ich zunächst die schriftliche Stellungnahme des Gestaltungsbeirates ab.“