Zu hoch, zu massiv, zu unruhig: Was die neuen Eigentümer des Löwen-Areals im Ortskern vom Wollmatingen planen, kam im Beirat für Architektur und Stadtgestaltung der Stadt Konstanz (kurz Gestaltungsbeirat) nicht gut an. Mitglieder des Beirats und Stadträte wünschen sich eine abgespeckte Version.
Das alte Gasthaus und seine Nebengebäude sollen abgerissen werden. An ihrer Stelle wollen die Bauherren Raphael Huber und Markus Renz von R&H Baukonzept aus Singen drei große Häuser mit jeweils drei Stockwerken plus Satteldach mit Gaupen errichten. Die Gebäude sollen über zwei ebenfalls dreigeschossige Bauten miteinander verbunden werden.
62 neue Wohnungen sind dort geplant, hauptsächlich mit zwei und drei Zimmern. Vorgesehen sind auch vorstehende, abgehängte Balkone. „Wir möchten hier viele unterschiedliche Menschen zusammenbringen, von Studenten über Familien bis zu Senioren“, sagte Architekt Moritz Halder vom gleichnamigen Büro aus Isny im Allgäu. Er stellte ein 3D-Modell auf den Tisch.

Experten vermissen dörflichen Charakter
Die Wohnungen seien barrierearm bis barrierefrei. „Wir möchten modernen und hochwertigen Wohnraum schaffen“, erläuterte Halder im Gestaltungsbeirat, in dem neben Architekten und Landschaftsplanern auch Stadträte vertreten sind. „Daher kommt auch die Höhe des Gebäudes. Eine gewisse Raumhöhe ist angenehm.“
Das sehen die Mitglieder des Gestaltungsbeirats anders. „Zur Radolfzeller Straße hin finden wir drei Stockwerke in Ordnung, aber entlang der Löwengasse und zur Kirche hin sollten sich die Gebäude an der dörflichen Struktur orientieren“, fasste Helena Weber, Architektin aus Dornbirn, die Meinung ihrer Beiratskollegen zusammen. Hier seien zwei Geschosse ausreichend.
Die Experten hatten weitere kritische Punkte anzumerken. „Die Baukörper sollten durch die Verbindungstrakte nicht wieder zum Block werden“, finden sie. Die Fassade mit den vorspringenden Balkonen und Gaupen sowie großen Fenstern sei außerdem zu unruhig.
Auch die Lage der geplanten Tiefgarage ist aus Sicht des Expertengremiums nicht optimal, da bei deren Bau die Wurzeln der Bäume geschädigt werden könnten. Der Beirat hatte noch die Idee, auf einige Wohnungen zu verzichten und im Erdgeschoss auch gewerbliche Nutzung sowie Gemeinschaftsräume für die Bewohner („als Ersatz für das Gasthaus“) vorzusehen.
Ihr Kollege Martin Haas richtete deutliche Worte an die Bauherren und den Architekten: „Sie bauen das erste Haus am Platz, das hier ist das Herz von Wollmatingen. Daraus entsteht eine Verpflichtung, sich anzustrengen.“ Er sei sich aber sicher, „dass man hier einen ökonomischen und kulturellen Mehrwert schaffen kann.“

Bauherren würden gern noch größer planen
Die Bauherren, die das Löwen-Areal bei einer Versteigerung für rund 2,02 Millionen Euro erworben hatten, waren sichtlich enttäuscht. Dem SÜDKURIER gegenüber äußerten sie Unverständnis über die Kritik. So sagte Raphael Huber: „Ich komme auch vom Land und finde das Restaurantsterben schade. Aber zehn Minuten von Wollmatingen entfernt haben die Menschen ein reichliches gastronomisches Angebot in Konstanz. Die Wohnungsnot ist größer.“
„Deshalb verstehen wir nicht, warum wir hier kleiner planen sollen“, so Huber. „Wir würden die Häuser gern noch größer machen. Wenn wir hier schon eingreifen, dann sollten wir das Gelände gut nutzen, auch im Hinblick auf das Bevölkerungswachstum.“ Laut Sitzungsvorlage für den Gestaltungsbeirat kann der vorliegende Entwurf genehmigt werden. Denn der Bebauungsplan Wollmatingen-Mitte, an dem seit einer Weile gearbeitet wird, ist noch nicht fertig. Deshalb gilt hier derzeit Paragraf 34.

Das heißt, jedes neue Haus muss sich „nach Art und Maß der baulichen Nutzung, nach Bauweise und überbauter Grundstückfläche“ in die Umgebung einfügen. Und in der Umgebung stehen bereits ähnlich hohe Gebäude. Doch die Beirats-Mitglieder und Stadträte machten sehr deutlich, dass hier nicht alles gebaut werden sollte, was offiziell erlaubt ist.
Auch der Ur-Wollmatinger Daniel Groß, CDU-Stadtrat, nennt die Pläne auf SÜDKURIER-Nachfrage eine „wuchtige Angelegenheit“. „Das ist die Maximalbebauung“, sagt Groß. „Sowas kann man auf die grüne Wiese stellen, aber nicht in die Wollmatinger Ortsmitte.“

Dem Stadtrat wäre es ohnehin lieber gewesen, wenn das alte „Löwen“-Gebäude erhalten worden wäre. „Im Vorbeifahren wird die wunderschöne Dreieinigkeit mit Rathaus, Gasthaus und Pfarrhaus sichtbar“, sagt er.
Auch die bereits genehmigten, aber noch nicht umgesetzten Pläne für das schräg gegenüberliegende Areal des ehemaligen Gasthauses „Linde“ bereiten Daniel Groß Bauchschmerzen. „Ich habe in den Unterlagen immer von ‚behutsamer Weiterentwicklung der Dorfstruktur‘ gelesen. Auch das ist alles andere als behutsam.“ Denn dort sind zwei Gebäude mit je drei Vollgeschossen und zwei Dachgeschossen genehmigt, die durch einen zweistöckigen Riegel verbunden sind.

„Das war aber auch schon sehr umstritten“, erinnerte sich Peter Müller-Neff, Stadtrat der Freien Grünen Liste, im Gestaltungsbeirat. Er würde deshalb gern die Pläne für das Löwen-Areal zurückstellen, bis der Bebauungsplan genehmigt ist. „Ich bin an dieser Stelle außerdem für einen Architektenwettbewerb“, ergänzte er.
Architekt Moritz Halder packte sein 3D-Modell wieder ein. Beiratsvorsitzender Martin Haas gab ihm und den Bauherren mit auf den Weg: „Ich würde mich freuen, wenn Sie das Projekt nochmal verändert einreichen. So wie es jetzt ist, wäre es kritisch.“ Wollen die Bauherren nun tatsächlich umplanen? Markus Renz sagt auf SÜDKURIER-Nachfrage: „Geben Sie uns Zeit, das in Ruhe zu besprechen.“