Der Bodenseeraum bleibt Kern eines Ermittlungsverfahrens gegen drei Ukrainer, denen die Bundesanwaltschaft ‚Agententätigkeit zu Sabotagezwecken‘ vorwirft. Die drei Männer werden verdächtigt, Ziele für mögliche Anschläge im Auftrag russischer Stellen ausgekundschaftet und dafür Testpakete versendet zu haben.
Der Fall sorgte bundesweit für Aufsehen; Sicherheitsexperten und Politiker warnten vor den Gefahren durch sogenannte Low-Level-Agents (austauschbare Helfer, die den Gesamtplan nicht kennen) und hybride Kriegsführung.
Einer der Beschuldigten, der in Köln zuletzt wohnhafte Vladyslav T., weist die Vorwürfe entschieden zurück. Nach Darstellung seines Verteidigers Ralf Stark bat Yevhen B. – ein aus Mariupol stammender Bekannter, der inzwischen in der Schweiz in Haft sitzt – Vladyslav T. Ende März 2025 um einen Gefallen.
T. sollte ein in Konstanz verpacktes und ihm an seine Adresse zugestelltes Paket über die Nova-Post-Filiale in Köln in die Ukraine weitersenden, da es am Bodensee keine Filiale gebe. Nova Post (ukrainisch: Nova Poshta) ist der größte private Paket- und Expressdienst der Ukraine, der auch in Deutschland 17 Filialen unterhält, die Pakete bis an die Front zustellen.
Wer nicht alles weiß, schläft besser
Der Kölner habe das Paket zunächst beiseitegestellt, sagte Stark dem SÜDKURIER. Aus Kreuzlingen sei dann zunehmend Druck aufgebaut worden, die Sendung zügig zu verschicken: Der Akku eines beigefügten Trackers könne sonst leer laufen; Taxi- und Versandkosten würden erstattet. Am 29. März brachte T. schließlich das Paket in die Kölner Filiale. Dort sei es geöffnet und der Tracker gesehen worden, die Sendung sei dennoch durchgewunken worden.
Der Kölner habe seine Unkosten für 43 Euro wieder erhalten; von kolportierten Zahlungen in fünfstelliger Höhe könne keine Rede sein, berichtet Anwalt Stark. Als sein Mandant später nachfragte, ob dieser Aufwand nicht unsinnig sei, habe man ihm sinngemäß geantwortet: Je weniger man wisse, desto besser schlafe man. Verteidiger Ralf Stark sagt gegenüber dem SÜDKURIER, sein Mandant Vladyslav T. sei als „gutgläubiger Idiot“ in die Sache verwickelt worden, unwissentlich.
Paketübergabe am Bodensee
Der Beschuldigte bestreitet, von Anschlagsplänen gewusst zu haben. Er sei aus allen Wolken gefallen, als ihn Ermittler mit den Vorwürfen konfrontierten, für Russland tätig geworden zu sein. Er soll gegenüber dem BKA umfassend ausgesagt haben.
Den Mitbeschuldigten Daniil B., der in Konstanz festgenommen wurde, kenne er laut seinem Anwalt überhaupt nicht; dieses Päckchen sei ihm lediglich aus Konstanz zugesandt worden. Daniil B. soll das Paket in Deutschland gar mit Handschuhen aufgegeben haben. Auch Daniil B. weist die Sabotage-Vorwürfe laut einem Bericht des Spiegels zurück. Der Inhalt, Autoteile und GPS-Tracker, sei ihm vorher von Yevhen B. übergeben worden, der in Kreuzlingen lebte.
Die Bundesanwaltschaft wirft dem Trio vor, so geeignete Transportwege ausgekundschaftet zu haben. Die Festnahmen erfolgten zwischen dem 9. und 13. Mai. Schweizer Behörden bestätigten, dass ein Auslieferungsverfahren gegen Yevhen B. läuft. Dieses dauert noch an, B. soll sich laut Spiegel dagegen wehren. Zudem soll er bestritten haben, ein Saboteur zu sein.
Der Fall um den vereitelten Sabotage-Versuch reiht sich in jüngere, schwer aufklärbare Aktivitäten ein, bei denen mutmaßlich russische Geheimdienste Handlanger über Messenger-Dienste anwerben. In Europa wurden mehrfach Brandsätze in Postsendungen registriert; am Flughafen Leipzig entzündete sich ein Paket kurz vor dem Verladen in eine DHL-Maschine.
Wie geht es weiter?
Laut Anwalt Stark ist noch völlig unklar, wann eine Gerichtsverhandlung stattfinden wird. Für Vladyslav T. fand am Mittwoch erst eine mehrstündige Haftprüfung statt. Verteidiger Stark beantragte hier die Entlassung seines Mandanten aus der Untersuchungshaft. Mit einer Entscheidung sei in den nächsten Tagen zu rechnen.