Rinde von Bäumen abschälen, das geht gar nicht, findet Eckart Wolf. Doch genau das passiert in der Birkenallee in Dingelsdorf. „Leider werden besonders die jüngeren Bäume immer wieder beschädigt, indem die Rinde eingeschnitten und Teile davon weggenommen werden“, berichtet er.
Wolf wohnt in der Hornwiesenstraße. Mehrmals am Tag läuft er zusammen mit seinem Hund Ari die Birkenallee entlang. „Ich freue mich jeden Tag über die Allee“, schwärmt er. Seine Stimmung schlägt jedoch um, wenn er die Schnittwunden sieht. „Ich finde das empörend. Innerlich rege ich mich auf. Das tut den Bäumen bestimmt nicht gut“, sagt er verärgert.

Bei einem Ortstermin wird deutlich, dass es schon früher ähnliche Schnitte gegeben hat. Die anders ausgestaltete und gefärbte Rinde zeugt davon. „Vor zwei Jahren habe ich der Stadtverwaltung davon berichtet“, erzählt Wolf. Die Information sei zu seinem Bedauern unbeantwortet geblieben. „Die hätte ich gleich in den See werfen können“, ärgert er sich.
Rinde wurde abgezogen
Dieses Mal wandte er sich direkt an die Ortsverwaltung. Ortsvorsteher Heiner Fuchs sah sich die Schäden vor Ort an. Die Befürchtung von Eckart Wolf, dass die Bäume schwerwiegende Schäden davontragen, konnte Fuchs ausräumen, denn es sei nur die oberste Schicht der Rinde abgezogen worden, die bei der Birke weißlich ist. „Sie ist ein Schutzschild gegen Verdunstung und Sonnenbrand“, erläutert Fuchs.
Solange das darunter liegende Kambium intakt ist, das für das Wachstum des Baumes sorgt, sieht er keine Gefahr für den Baum. Wird das rings um den Baum durchschnitten, so führt dies zum Absterben, da der Wasser- und Nährstofftransport unterbrochen ist. Dies sei hier glücklicherweise nicht der Fall, erklärt Heiner Fuchs. „Trotzdem ist es eine Schädigung des Baumes. Und es ist verboten“, betont der Ortsvorsteher.

Bleibt die Frage, warum die Rindenschicht abgezogen wurde. Sicher ist, dass die Schnitte sorgfältig, gerade und rechtwinklig geführt wurden. Möglicherweise sei die Rinde für Bastelarbeiten benötigt worden, mutmaßen Wolf und Fuchs. „Oder für Naturheilverfahren“, nennt Wolf eine weitere Anwendungsmöglichkeit.
Heiner Fuchs kennt sich als Landwirt und Obstbauer mit Bäumen aus. Trotzdem sprach er mit einem anderen Fachmann über die gehäuteten Birken. Herbert Schmitz, bis zum Ruhestand beim städtischen Amt für Stadtplanung und Umwelt beschäftigt und als ehrenamtlicher Naturschutzbeauftragter des Landkreises tätig, bestätigt die Einschätzung des Ortsvorstehers. „Solange das Kambium intakt bleibt, ist es nicht so schlimm“, erklärt der Freiraumplaner. „Allerdings haben die Birken Stress. Die Trockenheit tut ihnen nicht so gut“, ergänzt er.Die Birkenallee hat immerhin einen Vorteil. Sie liegt in einem relativ feuchten Gebiet. „Es gibt auch ein Pflaster beziehungsweise eine Paste, die auf die Schadstellen aufgebracht werden kann“, berichtet Schmitz.
Warum Bäume so wichtig sind
„Es ist eher die Ausnahme, dass uns Schäden an Bäumen gemeldet werden“, erklärt Eberhard Klein, Leiter des Bodenseezentrums des Naturschutzbundes, auf SÜDKURIER-Nachfrage. „Bäume sind wichtig für die Luftreinhaltung. Sie haben vielfache Wohlfahrtswirkung für den Menschen und sind für das Stadtklima enorm wichtig. Sie puffern Hitzewellen ab“, beschreibt er deren Wert.
Eine Nachfrage beim Polizeipräsidium ergibt, dass es immer wieder zu Sachbeschädigung an Bäumen kommt. Pressesprecherin Nicole Minge nennt für den Landkreis und das Jahr 2019 elf Meldungen. Im Jahr 2020 waren es 33 und im Jahr 2021 29 Fälle. „Für das laufende Jahr liegen noch keine Zahlen vor“, erklärt Minge. Das Jahr 2019 steche mit relativ wenig Fällen hervor. Üblicherweise gebe es im Jahr um die 30 Meldungen zu Schäden an Bäumen.
Dass Birkenrinde ein beliebter Bastelwerkstoff ist, lässt sich beispielsweise der Internetseite von Collection Birkenrinde entnehmen. Dort stammt sie aus Wirtschaftswäldern in Sibirien. „Dabei wird der Baum komplett verwertet. Das Holz wird der Möbelindustrie zugeführt. Die Wälder werden nach der Ernte wieder aufgeforstet“, ist auf der Seite zu lesen.