Es wird ihm fehlen. Wenn am Dienstag, 10. September, der Technische und Umweltausschuss des Gemeinderats zum ersten Mal nach den Ferien wieder zusammenkommt, sitzt Peter Müller-Neff nicht mehr am Tisch. Er, der 44 Jahre lang Stadtrat war und stets als Aktivposten im Rund des Sitzungssaals ganz oben im Verwaltungsgebäude Laube gelten durfte, ist dann im Ruhestand.
Eigentlich nichts Besonderes, mit inzwischen 81 Jahren und mehr als einem halben Leben im Dienste der Stadtgesellschaft. Doch es ist ein erzwungener Ruhestand. Am 9. Juni hatte Peter Müller-Neff nicht mehr genug Stimmen für einen Sitz im Gemeinderat bekommen.
Erst schmerzt die Niederlage, aber dann ist es auch gut so
Drei Monate später ist er damit und mit sich im Reinen, das wird schnell deutlich. Er habe es geahnt, dass es dieses Mal nicht mehr reichen könnte. Nur noch Platz 16 auf der Liste, die erstmals von der Grünen Partei und der Freien Grünen Liste gemeinsam aufgestellt wurde. Das eine oder andere Signal, es doch mal gut sein zu lassen, gab es auch. Aber wer es neunmal hintereinander geschafft hat, den schmerzt die Niederlage bei der zehnten Wahl doch ein wenig. Das räumt Müller-Neff ein, aber wenn es Wehmut darüber gab, ist sie verflogen. Es ist, sagt er, „ja immer eine auf Zeit verliehene Verantwortung“.

Und er ist nicht allein. Auch andere, die sich in den vergangenen fünf Jahren im Gemeinderat engagiert hatten, sich durch tausende Sitzungsvorlagen gekämpft, viele Debatten geführt und manchmal auch ausgehalten haben, die zwischen den Wünschen der Bürger und den Möglichkeiten der Verwaltung den Spagat hinbekommen mussten, verfolgen die Politik nun nur noch von außen. Vor allem bei den Grünen und beim Jungen Forum haben die Wählerinnen und Wähler manchen Wechsel erzwungen. Till Seiler, Christine Finke und Matthias Schäfer sind nicht wiedergewählt worden, aber auch Alfred Reichle von der SPD.
Andere standen zwar auf dem Stimmzettel, aber ließen sich so weit unten platzieren, dass für viele Stimmbürger klar war: Diese Kandidatinnen und Kandidaten fühlen sich ihrer Gruppierung verpflichtet, wollen aber eigentlich nicht noch einmal in den Rat gewählt werden.
„Es war nie meine Absicht, es allen recht zu machen“
Bei Peter Müller-Neff, dem langjährigsten nun Ex-Stadtrat, war es anders. Er hätte gerne noch ein paar Jahre mitgestaltet, gerade bei seinen Herzensthemen Verkehr, Städtebau und Umwelt sowie in der Kulturpolitik. Ohne ihn gäbe es vielleicht keine Fahrradbrücke über den Seerhein und keine Fahrradstraße durch das Paradies, er hat einst mitgeholfen, das Theater durch eine existenzielle Krise zu bringen. Und er hatte Kampfeswillen. „Es war nie meine Absicht, es allen recht zu machen“, sagt er heute in der Rückschau.
Da dürfte wohl niemand widersprechen. Als die CDU, wo er vor 50 Jahren in der Jungen Union sein politisches Engagement begann, ihn vor 20 Jahren nicht mehr aufstellen wollte – unter anderem, weil er immer so komische grüne Ideen hatte, für die sich auch die Konservativen inzwischen gerne mal feiern lassen -, trat er zur Freien Grünen Liste über. Der damalige Stadtrat Werner Allweiss habe ihn angesprochen, sagt Müller-Neff. Er, der drahtige Lehrer und Sohn eines stadtbekannten Arztes, war damals Marathonläufer. Da hört man nicht nach 20 Kilometern auf. Am Ende wurden mehr Jahre daraus als die Wettkampfstrecke lang ist, 44.

Weil er immer vorne dabei sein wollte und oft das Wort erhob, fein auf die Stimmungen in der Bevölkerung achtete und auch mit entsprechendem Selbstbewusstsein ausgestattet war, hat Müller-Neff auch Neid auf sich gezogen, aus der eigenen Fraktion ebenso wie vom politischen Gegenüber. Auch das macht etwas mit jemandem, der sich gleichermaßen engagiert wie exponiert. Es reut ihn trotzdem nicht, wie bei seiner offiziellen Verabschiedung an einem heißen Sommerabend deutlich wurde. „Kommunalpolitik war meine Leib- und Magenspeise“, sagte er damals. Und er sagte auch, dass er es heute bedauere, sich nicht mehr Zeit für die Familie genommen zu haben. Da war es ganz still im Saal, mit seiner Erfahrung ist Peter Müller-Neff offenbar nicht allein.
Er macht sein Ding – auch und gerade ohne Sitz im Rat
Und ist er nun raus aus der Politik, wie man so sagt? Natürlich nicht, sagt der langjährige Stadtrat, der immer auf seine persönliche Autonomie bedacht war. Auch die Zeit danach will er selbst gestalten. Als der SÜDKURIER mitten in den Sommerferien zum Stadtgespräch auf den – vielleicht, vielleicht aber auch nicht bald autofreien – Stephansplatz geladen hatte, war einer sehr engagiert dabei: Peter Müller-Neff, Ex-Stadtrat und Bürger.

Gut möglich, dass man auch von den anderen, die es nicht nochmals in den Rat geschafft haben, noch hören wird. Denn Politik, sagt der Erfahrenste unter den Ausgeschiedenen, „das ist oft schon auch ein Lebensinhalt“.