Auf die Zahl, sagt Gerry Mayr, gelernter Zweiradmechaniker, Hostel-Betreiber und Coronamaßnahmen-Skeptiker aus Konstanz, kommt es ihm ja eh nicht an. Er ist sich nach wie vor sicher, dass es vor zwei Jahren 50.000 Menschen waren, die eine Kette rund um den Bodensee bilden und damit ihren Unmut über die Corona-Politik zum Ausdruck bringen wollten. Die Behörden gingen eher von 11.000 aus. Aber ihm gehe es, sagt er wenige Tage vor der dritten Auflage der von ihm ins Leben gerufenen Aktion, ohnehin nur um eines: „Liebe“.
Vom Begriff Friedenskette versucht er sich im Gespräch zu verabschieden, die Vereinnahmung dieses Begriffs vor zwei Jahren kam nicht gut an. Darum ist vor dem 2. Oktober 2022 von „Friedensee“ die Rede. Unter diesem Begriff versammelt Mayr eine Reihe von Veranstaltungen zwischen Bregenz, Überlingen und Kreuzlingen, es gibt einen eigenen Song einer Künstlerin, die sich WiVViCA nennt. Rund um den Konstanzer Trichter, vom Strandbad Horn über den Hafen und das Kreuzlinger Ufer bis nach Bottighofen sollen die Teilnehmer zum Abschluss ein Mantra singen.

„Wir sind ein Teil der Friedensbewegung“, sagt Mayr zur Erklärung, wie es zu einer bemerkenswerten Ansammlung von Unterstützern kommt, die die Internetseite von „Friedensee“ aufführt. Dazu gehört die einschlägig bekannte Gruppe Querdenken 753 Konstanz, die im selben Umfeld verorteten Gruppierungen Kinder stehen auf und Eltern stehen auf, ein Netzwerk Impfentscheid, aber auch die Eloas Min Barden, der für rechte Positionen bekannte Pfarrer Lothar Mack und die Schweizer Freiheitstrychler, die die Tradition des Kuhglocken-Läutens für ihre Kritik an Corona-Maßnahmen nutzen.
Auch von der Ausrufung einer „autonomen Provinz Bodensee“ ist die Rede, und Gerry Mayr sagt auch, dass viele Menschen „in Regierungsformen leben, die uns als Mitarbeiter behandeln“. Auch in seinem Vokabular: Das Wort „Altparteien“, das vor allem in der rechtspopulistischen Szene für die Kritik an etablierten politischen Parteien benutzt wird. Ähnliche Begriffe verwendet die Reichsbürger-Szene, die die staatliche Verfasstheit der Bundesrepublik anzweifeln und diese für eine Firma halten. Parallelen weist Gerry Mayr mit Verweis auf seine Friedensbotschaft von sich. Er suche auch keine Partnerschaften in rechte Kreise, es seien alle Menschen willkommen, die guten Willens sind.
Was die Polizei tut
Das Polizeipräsidium Konstanz jedenfalls wird die Veranstaltung genau beobachten. Ob die Beamten auch amtsbekannte Gäste aus der Reichsbürger- oder Selbstversorger-Szene erwarten, will eine Sprecherin nicht detailliert beantworten. Was mögliche Aktivitäten gegen den Staat betrifft, sei man aber wachsam: „Die Polizei beobachtet und bewertet vor und im Verlauf von Veranstaltungen ständig die Lage. Bei entsprechenden Erkenntnissen im Vorfeld wird von Seiten der Veranstaltungsbehörde wie auch während der Veranstaltung von der Polizei aus reagiert werden. Dies kann bis zum Verbot einer angemeldeten Veranstaltung führen.“
Veranstaltungsbehörden sind in Deutschland die Kommunen. Bei der Stadt Konstanz ist nach Angaben von Pressesprecher Walter Rügert zunächst keine Anmeldung eingegangen, insofern könne er auch nichts über Auflagen und deren Durchsetzung sagen. Organisator Mayr betont, in Konstanz selbst auch gar keine Kundgebung durchführen zu wollen. Das finde dieses Jahr in der Schweizer Nachbarstadt Kreuzlingen statt. Der Grund dafür: „Die Stadtverwaltung macht es friedliebenden Menschen schwer.“

In Konstanz ruft die Ankündigung einer Veranstaltung von Corona-Kritikern Anfang Oktober Erinnerungen vor allem an die erste Veranstaltung dieser Art vor zwei Jahren wach. Damals hatten sich unter anderem Personen aus der Querdenker-Szene und Unterstützer von rechten Positionen am Bodensee getroffen, zugleich marschierte die in Teilen militante Antifa auf. Einer der größten Polizeieinsätze in der Geschichte der Stadt konnte eine Eskalation verhindern. Ein Jahr später kam es ebenfalls Anfang Oktober zu einer neuerlichen Kundgebung, bei der die Teilnehmerzahl erneut weit hinter den Erwartungen zurückblieb. In beiden Fällen bezeichnete sich Gerry Mayr als Organisator.
Die Polizei rechnet vorerst nicht mit Riesen-Einsatz
Über die Einsatztaktik in diesem Jahr schweigt sich die Polizei Konstanz auf Anfrage aus. Allerdings geht sie offenbar von einer entspannteren Lage als 2020 aus: So werde „der polizeiliche Einsatz nach aktuellem Stand nicht in der Größenordnung von 2020 ausfallen“, teilt eine Sprecherin mit, kündigt aber auch an: „Jedoch werden wir die Lage regelmäßig neu beurteilen und entsprechend einen Einsatz planen.“ Was aber schon feststehe: das Areal Klein Venedig direkt an der Schweizer Grenze und am Ufer, wo 2020 einer der Haupt-Schauplätze war, kommt für den „Friedensee“ nicht in Frage – das Gelände ist mit dem Oktoberfest belegt.
Wie er die aufwendige Aktion mit Kundgebungen an mehreren Orten, Organisation der geplanten Menschenkette um den Überlinger See, Gastrednern und -musikern finanziert, dazu sagt Gerry Mayr nichts. Geld von politischen Gruppierungen nehme er nicht an, und die Gäste müssten auch nichts bezahlen. Er investiere aber eigenes Geld, weil ihm der „Frieden für die ganze Welt“ wichtig sei. Und sonst gelte beim „Friedensee“: „Die Teilnahme kostet Liebe.“