Andreas Spaett weiß, was bei der Renovierung eines alten Hauses alles passieren kann. Schließlich ist er seit 34 Jahren Architekt. Doch was auf ihn als Bauherrn in der Hussenstraße 50 zukam, habe ihn dann doch überrascht. „Ich habe das Haus bewohnt gekauft. Ich habe nicht gedacht, dass es dieser Aufwand ist“, sagt der 54-Jährige. Und er ergänzt: „Ich habe jahrelang Häuser saniert, aber das hat alles getoppt.“

Andreas Spaett hat das Haus in der Hussenstraße 50 vorbildlich saniert. Deshalb wurde er von der Stiftung Stadtbild ausgezeichnet.
Andreas Spaett hat das Haus in der Hussenstraße 50 vorbildlich saniert. Deshalb wurde er von der Stiftung Stadtbild ausgezeichnet. | Bild: Claudia Rindt

Andreas Spaett erlebte, wie sein Haus aus dem Jahr 1314 fast zusammengebrochen wäre, und jetzt als saniertes Baudenkmal die Blicke auf sich zieht. Die Stiftung Stadtbild zeichnete die Sanierung als vorbildlich aus. Es wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Denkmalschutz saniert und viel alte Bausubstanz erhalten.

„Ich habe immer schon geträumt von einem Haus in der Fußgängerzone“, sagt Andreas Spaett. Doch beinahe wäre dieses Objekt nahe dem Schnetztor zum Albtraum geworden. Das mittelalterliche Haus Zur weißen Ilge (übersetzt: Zur weißen Lilie) war eingeklemmt zwischen anderen Häusern. Die Seitenwände teilten sich zwei Häuser, das Gebäude hatte nur an der Vorder- und an der Rückseite eigene Wände. Und da war einiges instabil.

Das könnte Sie auch interessieren

Beim Nachbarn mussten die Dachbalken stabilisiert werden

Andreas Spaett berichtet, wie Bauteams die Decken öffneten und das Gebäude um 30 Zentimeter abgesackt sei. „Ich habe ein paar Nächte schlecht geschlafen.“ Wie sehr das Tragwerk mit Nachbarhäusern verflochten war, verdeutlicht der Architekt: Bevor die Bauteams den Dachstuhl anpacken konnten, habe man erst einmal beim Nachbarn die Dachbalken stabilisieren müssen.

Bauleiter Manfred Ritter sagt, die Statiker seien sofort vor Ort gewesen, als die Hinterwand des Hauses Zur weißen Ilge wegzubrechen drohte. Ritter berichtet weiter, jede Wandöffnung habe neue Überraschungen gebracht, etwa einen Boiler, der schwer an der von beiden Seiten genutzten Wand hing, und dessen Träger bis beinahe ins Nachbargebäude ragten. „Die Statik war das große Thema.“

So sah einer der Haupträume des Gebäudes vor der Sanierung aus.
So sah einer der Haupträume des Gebäudes vor der Sanierung aus. | Bild: Architekten Rheinform
Große Verwandlung: So sieht der Raum nach der Sanierung aus.
Große Verwandlung: So sieht der Raum nach der Sanierung aus. | Bild: Architekten Rheinform

Jetzt liest sich leicht, was bei den Sanierern eher nach Kampf klingt. Die Stiftung Stadtbild hält fest: „Insgesamt gelang die substanzerhaltende Stabilisierung des im Kern mittelalterlichen Tragwerks.“ Heute hat das Gebäude ein Betonfundament und vier große Stahlstützen, die die Last tragen. An den Rändern des Bodens im Untergeschoss sind Kiesbette eingebracht. Diese dienten der Belüftung, sagt Manfred Ritter. Im Untergrund sei der Boden feucht. Und man wolle Schimmel verhindern.

Das Gebäude in der Konstanzer Altstadt entstand um 1314

Zur Sanierung gehörte die Untersuchung des Bauwerks. Eine Zeitbestimmung anhand der Holzbalken brachte zu Tage: Das Haus gehört zu einer Gruppe von Gebäuden, die um 1314 aufgestellt wurden. Denkmalschützer Frank Mienhardt geht von einem Zusammenhang mit einer Feuersbrunst um diese Zeit aus. „Um 1314 entstanden ganz viele Häuser.“ Eines davon war das in der Hussenstraße 50.

Das könnte Sie auch interessieren

Das Gebäude ist bis zu neun Meter breit, und hatte, wie die Nachbarhäuser auch, ursprünglich drei Geschosse. Im 17. oder 18. Jahrhundert erfolgte nach Erkenntnissen des Denkmalschutzamtes eine Aufstockung in Richtung Straße, und um 1900 schließlich eine Aufstockung um ein weiteres Geschoss in Richtung Hof. Dabei sei es zu konstruktiven Mängeln gekommen, die jetzt beseitigt wurden.

„Es ist nicht leicht, in der Konstanzer Altstadt ein Haus zu sanieren“

„Das Haus war in einem ganz schwierigen Zustand“, sagt Frank Mienhardt. Trotz aller Eingriffe: „Die historische Bausubstanz konnte weitgehend erhalten werden.“ Das Dach sei „maßvoll“ als Teil einer Maisonettewohnung ausgebaut worden. Auch hier sei die mittelalterliche und frühneuzeitliche Bausubstanz erhalten geblieben. Unter anderem wurden denkmalgerechte Holzfenster eingebaut, die historische Haustür restauriert und alte Balken erhalten.

Das Haus Zur weißen Ilge wurde vorbildlich saniert: Bauherr Andreas Spaett (5. v. links) freut sich zusammen mit (von links) Lars ...
Das Haus Zur weißen Ilge wurde vorbildlich saniert: Bauherr Andreas Spaett (5. v. links) freut sich zusammen mit (von links) Lars Kratzheller (Architekt), Winfried Koeder (Stiftung Stadtbild), Manfred Ritter (Bauleiter), Angela Büsing (Stiftung), Daniel Groß (OB-Vertreter), Ilse Friedrich (Stiftung) und Frank Mienhardt (Denkmalamt). | Bild: Claudia Rindt

Der Historiker und CDU-Stadtrat Daniel Groß, der in Vertretung des Oberbürgermeisters sprach, sagte: „Es ist nicht leicht, in der Konstanzer Altstadt ein Haus zu sanieren.“ Schon allein die Organisation der Baustelle in den engen Gassen sei nicht einfach.