Kein Öltank mehr im Garten verbuddelt, keine Gastherme in der Waschküche und kein Wärmepumpen-Kasten im Vorgarten, stattdessen zwei weitere Wasserleitungen. Eine bringt etwa 70 Grad heißes Wasser ins Haus, die andere führt es, leicht abgekühlt, wieder ab. Und dazwischen ein Kasten, in dem die Wärme für Heizkörper oder Fußboden, zum Spülen oder Duschen, entsteht. Das alles soll im Jahr 2029 Wirklichkeit sein – in einem kleinen Teil von Konstanz, dafür aber weitgehend klimaneutral. Und verdienen werden daran nicht nur die Stadtwerke Konstanz, sondern über ein Privatunternehmen auch die Anleger eines spanischen Fonds.

So wird es kommen, wenn alles funktioniert, denn der Gemeinderat hat eine wegweisende Entscheidung zur künftigen Energieversorgung in Konstanz getroffen. Nicht nur hat er das erste Nahwärmenetz beschlossen, mit dem ein kleines Stadtquartier versorgt werden soll. Er hat auch festgelegt, dass dafür zum größten Teil Seewärme und damit eine erneuerbare Energiequelle verwendet werden soll. Und er hat den Weg freigemacht für den Einstieg eines Investors in einen Bereich, den die Stadt bisher immer allein in eigenen Händen halten wollte.
Mit dem klaren Beschluss – bei nur sechs Enthaltungen quer durch die Fraktionen im 40-köpfigen Gemeinderat – zieht die Politik auch einen Schlussstrich unter das Kapitel Thüga-Einstieg. Während Oberbürgermeister Uli Burchardt und Stadtwerke-Geschäftsführer Gordon Appel das im Jahr 2023 spektakulär geplatzte Geschäft mit keiner Silbe erwähnten, gingen Stadträte mehrere Fraktionen nochmals darauf ein und zeigten sich fast unisono erleichtert, dass nun eine bessere Lösung gefunden worden sei.
Denn zwar gibt es auch jetzt ein Geschäft mit einem Investor, aber dieses ist auf das geplante Nahwärmenetz rund um die Bodensee-Therme beschränkt. Und die Politik nimmt der Firma Iqony – anders als damals der Thüga – ab, dass sie es ernst meint mit der Energiewende, obwohl Iqony aus dem Kohlekraftwerk-Betreiber Steag hervorgegangen ist. Doch es herrscht übereinstimmend die Einschätzung, dass „aus Sicht der Stadtwerke ein sehr gutes Verhandlungsergebnis erzielt“ wurde, wie Appel es ausdrückt.

So sieht es auch Roger Tscheulin (CDU). Gemessen an dem, was Konstanz beim Thüga-Deal hätte einbringen müssen – bis hin zu einem Teil des Trinkwassernetzes -, sei die neue Lösung „wesentlich sanfter“. Und, so seine Einschätzung zu Iqony: „Die werden auf ihre Rendite achten, und das ist für die Gesellschaft nicht schlecht“. Das sieht Jürgen Faden (Freie Wähler) ähnlich, der einen Partner mit Gewinnerwartungen ausdrücklich begrüßt, aber deutlich mehr Tempo fordert. Jürgen Ruff (SPD) ist aus einem etwas anderen Grund erleichtert: „Wir haben das Geschäftsfeld nicht aus der Hand gegeben“.


Für FGL&Grüne räumt Niklas Becker ein: „Die Stadtwerke allein bekommen es nicht hin“, sie hätten für die Mega-Aufgabe Wärmenetze derzeit weder das Geld noch alles erforderliche Wissen. Er fordert aber mit Blick darauf, dass neben einer Großwärmepumpe für die Gewinnung von Wärme aus Seewasser auch eine Gasfeuerung für Spitzenlasten eingesetzt werden soll: Der Erneuerbaren-Anteil müsse „so hoch wie möglich sein“. Und es sollten auch Bürgerdarlehen angeboten werden, damit sich auch Konstanzer direkt als Investoren betätigen könnten.

Das fordert auch Holger Reile (Linke Liste), der das bisherige Verfahren als intransparent kritisiert – aber es sei immer noch besser als das Geschäft mit der Thüga, die „sich unsere Stadtwerke zu einem großen Teil einverleiben wollte“. Gabriele Weiner (Junges Forum) sagt, es gebe „sehr viele Risiken“, aber aus Gründen des Klimaschutzes und der Versorgungssicherheit habe Konstanz „überhaupt keine andere Wahl“. Achim Schächtle (FDP) geht wie viele andere darauf ein, dass die Energiepreise attraktiv bleiben müssten.



Überzeugungsarbeit bei den Kunden kommt nun ganz oben auf die Liste, sagt auch Stadtwerke-Chef Appel. Denn der Wettbewerb ist hart, auch mit Anbietern von Kleinwärmepumpen. Doch nichts zu tun, ist für Oberbürgermeister Uli Burchardt keine Alternative: Bei der Nahwärme handle es sich um ein „Geschäftsfeld, von dem wir uns vorstellen können, dass es eines Tages das Nachfolgegeschäft des Gasverkaufs wird“.

Die Kritik von Jürgen Faden, es gehe alles viel zu langsam, weist er zurück: Konstanz habe als eine der ersten Städte innerhalb weniger Jahre eine komplette Wärmeplanung aufgestellt. Dass die Bürger beim Thema Nahwärme mitziehen und sich an künftige Netze anschließen, davon geht Burchardt fest aus. Und ergänzt dann noch: „Würden die Kunden dieses Projekt nicht haben wollen, stünden wir vor sehr grundlegenden Fragen.“