Beim Thema Erhöhung der Gebühren für das Anwohnerparken gerät nicht nur das Blut vieler autofahrender Bürger, die im linksrheinischen Stadtgebiet wohnen, in Wallung. Auch die Meinungen der Konstanzer Gemeinderäte driften maximal auseinander.
Bürgermeister Andreas Osner, der die Gemeinderatssitzung leitete, hatte wohl gehofft, das Verbalgefecht sei final ausgetragen. Der Punkt sei ja lange im Haupt- und Finanzausschuss (HFA) diskutiert worden, stellte er eingangs fest.
Aber nicht abschließend, wie sich dann herausstellte. Auch wenn im HFA nach zähem Ringen ein Kompromiss erzielt worden war, wurde in der Gemeinderatssitzung nochmals alles auf Anfang gestellt und verhärtete Fronten prallten aufeinander.
FGL will Zahl der Autos halbiert wissen

Im HFA hatten sich die Räte auf 120 Euro pro Jahr zuzüglich Verwaltungsgebühr geeinigt. Der Gemeinderat hätte dem Vorschlag eigentlich nur zustimmen müssen. Aber nur eigentlich. „Wir halten an den 240 Euro fest“, meldete sich sofort Anne Mühlhäußer für die Freie Grüne Liste mit Vehemenz zu Wort. „Wir müssen auch mal unbequeme Entscheidungen treffen“, sagte sie.
Das Ifeu Institut habe schließlich 600 Euro für das Anwohnerparken bis zum Jahr 2035 vorgeschlagen, rief sie die ursprüngliche Sitzungsvorlage in Erinnerung. Was ihr noch wichtig war: „Andere Stadtteile müssen folgen“, schließlich sei „das Ziel, den MIV (Motorisierter Individualverkehr, Anm. d. Red.) zu halbieren“.
Später sprang Günter Beyer-Köhler seiner Fraktionskollegin bei: „Wir wollen das Blech rausbringen. Ab 240 Euro hat es Lenkungswirkung laut Fischer“, zitierte er den Verkehrsplaner der Stadt Konstanz Stefan Fischer. Dieser merkte an, bei 600 Euro gäbe es die ideale Steuerungswirkung.
CDU: Bürger sind ohnehin massiv gefrustet

Manfred Hölzl (CDU) sprach sich gegen die „Vergrämung“ aus. „Man kann nicht einfach gegen die Menschen entscheiden und sagen, ihr müsst euch ändern“, findet er. Zumindest müssten Alternativen geboten werden. Viele Anwohner, die auf ihr Auto angewiesen seien, seien ohnehin „schon massiv gefrustet“, wenn sie einen Strafzettel bekämen, weil sie in zweiter Reihe stünden, um ihren Einkauf ins Haus zu bringen, gab er ein Beispiel. Seine Fraktion plädierte für 120 Euro ohne zusätzliche Gebühr.
„Das ist soziale Härte“, sagen die Freien Wähler
„240 Euro, das ist eine soziale Härte“, konstatierte Daniel Hölzle (FW); zudem herrsche ein Ungleichgewicht in der Stadt, denn nur die linksrheinischen Anwohner seien betroffen. Am Beispiel Reutlingen – die Stadt hatte die Parkgebühren auf 120 Euro erhöht – wies er darauf hin, dass zwar ein Drittel weniger Parkausweise ausgestellt, aber die Fahrzeuge nicht um ein Drittel reduziert worden seien. „Es wird relativ wenig Effekt haben“, ist Hölzle überzeugt.
SPD: Die Mittelschicht muss jeden Cent umdrehen

Dieser Meinung schloss sich Jürgen Ruff (SPD) an. Es seien mehr Ausweise als nötig ausgestellt worden, meinte er, der sich für eine sozialverträgliche Umsetzung stark machte. Bei SUV-Fahrern würde eine Gebührenerhöhung sicherlich keine Lenkungswirkung erzeugen, allenfalls bei den Bürgern der „unteren Mittelschicht, die erwerbstätig sind und jeden Cent umdrehen müssen“, so Ruff.
Der SPD-Mann fügte hinzu: „Die überlegen sich, ob sie wegziehen – wenn sie es sich leisten können.“ Jürgen Ruff machte hierbei den Effekt der Gentrifizierung (Verdrängung der ansässigen Bevölkerung durch Wohlhabendere, Anm. d. Red.) aus. „Das darf nicht passieren“, so Ruff, der sich für 120 Euro plus Verwaltungsgebühr aussprach.
JFK: Längeres Autos, doppelte Gebühr

Dass Leute, die ein Auto haben, wegen zehn Euro aus Konstanz wegziehen würden, „kann ich nicht glauben bei den derzeitigen Spritpreisen“, konterte Matthias Schäfer (JFK). Er forderte zusätzlich eine doppelte Gebühr für Autos, die länger als fünf Meter sind. Zudem beantragte er, die Anwohnerparkgebühren sollten jedes Jahr um zehn Prozent erhöht werden, „als Zeichen für die Zukunft“.
LLK: Entscheidung aus der Wohlstandsblase heraus
Holger Reile (LLK) stellte den Antrag, Gebühren für Inhaber des Sozial- und Pflegefamilienpasses sowie für mobilitätseigeschränkte Personen komplett entfallen zu lassen. In normalen Zeiten hätte die Linke Liste das Vorhaben unterstützt, „aber haben wir normale Zeiten?“, warf er in den Raum. „Es fehlt verstärkt der Fokus auf die soziale Situation.“
Geplante Erhöhungen insgesamt bereiteten der LLK Sorgen. „Viele müssen jeden Euro zweimal umdrehen“, so Reile, der auf acht Prozent Inflationsrate, Erhöhung der Energiekosten und damit verbunden Nachzahlungen und Erhöhung der Vorauszahlungen sowie steigende Mieten zu sprechen kam. „Die Schere arm-reich geht weiter auseinander“, stellte er fest und meinte, an Ratskollegen gewandt: Wer davon spräche, ein paar Euro mehr seien nicht der Rede wert, der käme wohl nicht aus der „Wohlstandblase heraus, in der wir fast alle sitzen“.
CDU: Pro Haushalt maximal zwei Parkausweise

„Was Holger Reile sagt, kann ich unterstützen“, bekannte Marcus Nabholz, der sich dezent in Rage redete. „Der Park-Suchverkehr steigert sich immer mehr. Es ist nicht im Sinne des Klimaschutzes, wenn man eine halbe Stunde lang einen Parkplatz suchen muss“, ärgerte er sich als Altstadt-Bewohner. Überall würden außerdem auf vormaligen Parkplätzen Fahrradbügel angebracht, „die nicht gebraucht werden“, so Nabholz, der opponierte: „Das kann nicht sein!“
Er forderte, die Gebühren sollten erst dann erhöht werden, wenn die Parkhäuser am Döbele und am Brückenkopf Nord in Betrieb wären und alle bewirtschafteten Parkplätze den Anwohnern ohne Zeitbegrenzung zur Verfügung stünden. „In den Studenten-WGs hat jeder ein Auto“, so Nabholz, der forderte pro Haushalt maximal zwei Parkausweise auszustellen, denn: „So kann man Fahrzeuge reduzieren.“
Das Ergebnis: 150 Euro pro Jahr
Über etwa ein halbes Dutzend in der Sitzung gestellte Anträge wurde einzeln abgestimmt. Das Ergebnis: Die jährliche Gebühr für einen Anwohnerparkausweis auf linksrheinischer Seite kostet ab nächstem Jahr 120 Euro zuzüglich Verwaltungsgebühr in Höhe von 30 Euro; also gesamthaft 150 Euro pro Jahr. Eine Ermäßigung erhalten Inhaber des Konstanzer Sozial- und Pflegefamilienpasses.