Die Kindlebildstraße rückt erneut in den Fokus: Der Unmut entlang der Verbindung zwischen Bahnhof Reichenau und Konstanz-Wollmatingen nimmt zu. Zu viele Autos fahren dort viel zu schnell, sie gefährden Schulkinder und Radfahrer, machen einen Lärm wie noch nie in dieser einst ruhigen Wohngegend. Und Navigationsgeräte schicken sie auf einen Schleichweg, der die Anwohner über Gebühr belastet. So lässt sich das Bild, das Marc Steidle zeichnet, zusammenfassen.
Mit der Initiative von Marc Steidle und vieler seiner Nachbarn nimmt ein seit langem schwelender Konflikt eine neue Dimension an. Nicht nur hat Steidle, begleitet von vielen Mitstreitern, jüngst bei der Bürgerfragestunde im Konstanzer Gemeinderat seine Stimme erhoben. Sondern der Unmut weitet sich auch räumlich aus. Waren es bisher vor allem Anwohner von Reichenau-Lindenbühl, die gegen den Mehrverkehr kämpfen, reihen sich nun auch Konstanzer in die Gruppe der Kritiker ein.
Lindenbühler wollen etwas was anderes als die Wollmatinger
So ähnlich die verschiedenen Gruppen das Problem wahrnehmen, so unterschiedlich sind ihre Lösungsvorschläge. Die Reichenauer fordern unter anderem, dass die alte Verbindungsstraße zwischen der Waldsiedlung und Wollmatingen, die L220, wieder geöffnet wird.
Marc Steidle sagt für die Anwohner am Konstanzer Teil der Kindlebildstraße, dass man darin eher keine Entlastung sehe. Die Autofahrer sollten die eigens zur Entlastung mit hohem Aufwand gebaute Westtangente nutzen, statt durch Wohngebiete zu brettern.
Beim Ortstermin zur eigentlich eher ruhigen Mittagszeit wird deutlich: Etwa ein Viertel der Autos, die in dichter Folge vorbeikommen, haben kein KN-Kennzeichen. Bei vielen Lastwagen stellt sich die Frage, ob sie wirklich ein Ziel zwischen Bahnhof Reichenau und Wollmatingen Ortsmitte ansteuern.
Und viele, darunter auch Linienbusse, haben ganz offensichtlich mehr als Tempo 50 drauf, obwohl dieses Limit auf der Strecke inner- wie außerorts gilt. Beim Bahnhof ist sogar nur Tempo 30, doch Anwohnerin Iva May-Brach sagt: „Das hält sich eigentlich niemand dran.“

Anwohner sagt: Navis und Autofahrer suchen sich einen Schleichweg
Marc Steidle will nun: Tempo 30 auf dem ganzen Abschnitt. Auch eine Anlieger-frei-Regelung oder eine Einbahnstraße könnte er sich vorstellen. Nur wenn das Durchfahren mühsamer wird, so eine Überzeugung, suchen sich die Autos einen anderen Weg oder werden von Navi oder Handy über eine andere Strecke geleitet. Im Moment, argwöhnt er, gibt es viel Schleichverkehr. Aktuelle Zahlen, wie es eigentlich einmal versprochen worden war, hat er schon seit Jahren keine mehr gesehen.
Die Lärmaktionspläne, zu denen auch die Stadt Konstanz gesetzlich verpflichtet ist, lassen es aus der Sicht von Marc Steidle und seiner Nachbarn nicht nur zu, an der Stelle sofort Tempo 30 einführen – sie erzwängen es sogar.

Dass in Konstanz weniger Innerort-Straßen mit Tempo 30 belegt sind als zum Beispiel in Friedrichshafen, ist seit langem bekannt. Doch es sei nicht so einfach, wie es scheine, antwortet Oberbürgermeister Uli Burchardt auf die Kritik in der Ratssitzung: „Hinter jedem Tempo-30-Schild stehen lange und mühsame Vorarbeiten“.
Wo Tempo 30 gilt, kann die Stadt nicht allein entscheiden
Tatsächlich darf eine Kommune nicht entscheiden, ob auf der Straße Tempo 30 gilt, da ist der Bund zuständig. Konstanz hat als eine von zehn Städten deutschlandweit ein Forderungspapier an den Bund unterschrieben, diese Kompetenz endlich dorthin zu holen, wie man sich auskennt: ins Rathaus vor Ort. Daran erinnert auch Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn: Die Straßenverkehrsordnung ist Bundessache, und Berlin wache eifersüchtig über die Kompetenzen.
„Fast täglich kommt es zu gefährlichen Situationen“
All das können Marc Steidle und seine Nachbarn zwar verstehen – aber akzeptieren wollen sie es trotzdem nicht. An der Kindlebildstraße, sagen sie, wohnen viele Familien, für zahlreiche Kinder ist sie Teil des Schulwegs. Steidles Tochter wurde, wie der Vater sagt, schon zweimal angefahren.
Am 29. Januar 2019, sagt er im Ratssaal noch, habe der Gemeinderat für die Strecke Tempo 30 beschlossen. Mehr als vier Jahre später hört er nun, dass dieser Beschluss gar nicht umsetzbar war. Der Verkehr habe seither stark zugenommen, sagt der Familienvater, „und fast täglich kommt es zu gefährlichen Situationen“.