Der Verkehr in der Kindlebildstraße zwischen dem Reichenauer Lindenbühl und Wollmatingen hat in den vergangenen Monaten stetig zugenommen. Und das liegt offenbar an der umstrittenen Schließung der Direktverbindung zwischen der B33 und Wollmatingen – die L220 war nach der Eröffnung des neuen B33-Tunnels an der Waldsiedlung wie geplant dicht gemacht worden.
Autofahrer nutzen den kürzeren Weg
Immer mehr Autofahrer nutzen die Kindlebildstraße als Abkürzung anstatt noch etwas weiter auf der Bundesstraße und über die Westtangente zu fahren, so wie sich das die Neubauleitung Singen eigentlich vorgestellt hatte. Über die Verkehrszunahme klagen schon seit Wochen die Bürgerinitiative Eichbühl (BI) auf Konstanzer Seite und die Anwohner des Reichenauer Lindenbühls.
Sie weisen auf zunehmenden Lärm, Dreck und Gefahren vor allem für Radfahrer und Fußgänger hin. Doch die zuständigen Behörden bei der Stadt, der Gemeinde, im Regierungspräsidium Freiburg (RP) und im Landratsamt können nach eigenen Angaben aktuell keine Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung ergreifen.
Sie verweisen vielmehr auf die Straßenverkehrsordnung, die einzuhalten sei. Für Änderungen müsse die Kindlebildstraße in diesem Abschnitt zunächst von einer Landesstraße zu einer kommunalen Straße herabgestuft werden, erklärt die RP-Pressestelle.
Verwaltungsmühlen mahlen langsam
Das Problem dabei: Dieses Verwaltungsverfahren dürfte mindestens ein bis zwei Jahre dauern. Harald Müller von der BI Eichbühl sagt, man erwäge nun rechtliche Schritte. Vielleicht lasse sich ja per einstweiliger Verfügung durchsetzen, dass die L220 wieder geöffnet wird. „Das ist eigentlich nicht unser Ziel, aber momentan wohl der einzige Weg.“
Müller hätte von den Straßenverantwortlichen ein paar konkrete Vorschläge erwartet.“ Etwa zu Verkehrslenkung, Temporeduzierung, zur Sicherheit vor allem auch für Rad fahrende Kinder und zumindest beim Eichbühl zum Lärmschutz, der laut Bebauungsplan dort längst vorgesehen sei.

Brisant dabei: Die Stadt Konstanz und das Regierungspräsidium haben im Jahr 2008 einen Vertrag mit der BI geschlossen, nach dem sie bei den aktuellen Verkehrszahlen handeln müssten. Bereits im Ferienmonat August lag laut offizieller Verkehrszählung die durchschnittliche Zahl an Fahrzeugen täglich mit 3229 über dem vertraglich fixierten kritischen Wert von 3100.
Zahl wächst auch im September
Im September waren es laut RP bereits 3318. Die Zahlen vom Oktober müssten noch ausgewertet werden, so das RP. Sie dürften kaum niedriger sein. Die Pressestelle erklärt dazu auf Nachfrage: „Was den innerörtlichen Teil der Kindlebildstraße betrifft, sind sich alle Akteure einig darin, dass die [...] Umstufung von einer Landesstraße zu einer Gemeindestraße zügig angegangen werden und der hierfür notwendige Verwaltungsprozess gemeinsam so schnell wie möglich durchgeführt werden soll.“
Nach der Herabstufung und bei Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen wird die Stadt Konstanz als untere Straßenverkehrsbehörde das Teilstück laut Regierungspräsidium „innerorts umgehend als 30er-Zone ausweisen“. Die BI und Bewohner aus dem Lindenbühl wünschen sich dagegen eine schnellere Absenkung, und zwar auf der ganzen Strecke. Doch dazu gibt es einen Korb vom RP: Außerorts müsse es bei Tempo 50 bleiben.
„Eine weitere Geschwindigkeitsbeschränkung ist nach eingehender Prüfung der Verkehrs- und Unfalllage durch die zuständige untere Straßenverkehrsbehörde der Stadt Konstanz gemeinsam mit der Polizei sowie weiteren Fachämtern weder sachlich notwendig noch rechtlich möglich“, heißt es aus Freiburg.
Verwunderung über Vertragsabschluss
Harald Müller drängt sich die Frage auf, wie die Stadt und das RP überhaupt den Vertrag mit der BI schließen konnten, wenn sie nun meinen, nicht handeln zu können? Waren sie dazu dann überhaupt rechtlich befugt? An Verträge müsse man sich halten, meint der Mann von der BI. „Wenn sie einen Vertrag abschließen, wo klar ist, dass sie ihn nicht einhalten können, ist das eine seltsame Sache.“

Auch dazu nimmt die RP-Pressestelle Stellung: „Nach der bundesweit geltenden und zwingend zu beachtenden Straßenverkehrsordnung sind Geschwindigkeitsbeschränkungen nur bei einer besonderen Gefahrenlage möglich. Ist diese nicht gegeben, ändert daran auch die Vereinbarung aus dem Jahr 2008 nichts, die nur auf Basis des geltenden Rechts umgesetzt werden kann.“
Für die Reichenauer Seite erklärt Bürgermeister Wolfgang Zoll, Stadt und RP hätten mit der angestrebten Herabstufung der Straße ja eine Maßnahme vorgeschlagen. Wobei er einräumt, dass dies „vom zeitlichen Ablauf keine Alternative für die Bürgerinitiative“ sei.
Gemeinde stellt Tempodisplay auf
Die Gemeinde habe auf ihrer Gemarkung zumindest ein Tempodisplay aufgestellt, das Autofahrer darauf hinweist, wenn sie zu schnell fahren. Zudem wolle man im Bereich Lindenbühl die verblassten Parkbuchten auf der Straße nachzeichnen lassen – auch sie verlangsamen hoffentlich den Verkehr.
Zoll betont aber auch: „Mir ist es wichtig, im engen Verbund mit Konstanz vorzugehen.“ Zudem müsse es sich die Gemeinde gut überlegen, ob sie die Kindelbildstraße überhaupt in kommunaler Trägerschaft haben wolle, weil dies auch finanzielle Auswirkungen habe.

Die SPD-Gemeinderätin Sandra Graßl-Caluk aus dem Lindenbühl ist damit nicht zufrieden. „Da bin ich enttäuscht von unserem Bürgermeister. Das Display bringt gar nichts.“ Zumindest keine Reduzierung des Verkehrs. „Bei uns donnert alles durch – auch große Laster.“ Die Anwohner würden schon lange leiden durch die jahrelangen Baustellen an der B33 und im Gewerbegebiet Göldern und den damit verbundenen Verkehr.
Als Beispiel für dessen Zunahme verweist sie auf ein Foto, das sie selbst unlängst am frühen Abend gemacht hat. Bei geschlossener Schranke am Reichenauer Bahnhof habe sich der Verkehr aus Richtung B33 und Insel zurückgestaut bis hinauf auf die Kindlebildbrücke. „Das hat es früher nicht gegeben“, so Graßl-Caluk.