Simon Reiner, der vor rund einem Jahr die Metzgerei von Johannes Hierling übernommen hat, sitzt mit seinen Mitarbeitern nach vollbrachter Arbeit zusammen und genießt den Feierabend. Sie trinken Wasser, essen, natürlich, ein Schnitzel mit dem berühmten hausgemachten Kartoffelsalat.

Simon Reiner, Inhaber der Metzgerei Hierling in Dettingen, steht hinter der Theke in seinem Hauptgeschäft. Der Metzgermeister wundert ...
Simon Reiner, Inhaber der Metzgerei Hierling in Dettingen, steht hinter der Theke in seinem Hauptgeschäft. Der Metzgermeister wundert sich nicht über die Geschehnisse beim Wurstfabrikanten Tönnies in Gütersloh. | Bild: Schuler, Andreas

„So lange das, was in Gütersloh bei Tönnies passiert ist, erlaubt ist, darf sich niemand beschweren“, sagt Christian Renz, Produktionsleiter bei der Metzgerei Hierling in Dettingen. „Er hat Mitarbeiter über Subunternehmer beschäftigt. Die sind nicht vom Fach, kommen zu 50 mit dem Bus an, wohnen zu Zehnt in einer Bude, sprechen kein Deutsch und machen immer wieder nur einen Schnitt am Fleisch den ganzen Tag. Und alles war legal. Da liegt der Fehler im System.“

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„Die Großen kommen immer gut weg“

Simon Reiner ist nicht überrascht von den abenteuerlichen Arbeitsverhältnissen beim Schlachtbetrieb des Clemens Tönnies in Gütersloh – mittlerweile sind mehr als 1500 Mitarbeiter positiv auf das Corona-Virus getestet. „Die Großen kommen bei den Kontrollen immer gut weg. Da wird gerne mal ein Auge zugedrückt“, sagt er. „Aber wehe, wir Kleinen haben eine angeknackste Fliese in der Küche.“

Gar nicht rauchfrei: Die Rauchwurst bei Hierling in Dettingen.
Gar nicht rauchfrei: Die Rauchwurst bei Hierling in Dettingen. | Bild: Schuler, Andreas

Weg von der Industrie, hin zum Handwerk

Simon Reiner weiß, wovon er spricht: Er war selbst bei einem Industrie-Metzger in Bayern angestellt. „Ich wollte unbedingt weg von der industriellen Herstellung und hin zu einem kleinen Geschäft, bei dem die Handarbeit mit regionalen Produkten im Vordergrund steht.“

Keine Massenware: Die Wurst von Hierling.
Keine Massenware: Die Wurst von Hierling. | Bild: Schuler, Andreas

Er als lokaler Produzent und Verkäufer von Fleisch und Wurst sieht sich sowieso alltäglich in der besten Kontrolle – durch den Endverbraucher. „Wir stehen hinter der Theke und müssen für unsere Qualität gerade stehen“, erklärt er. „Unsere Kunden sind unsere Qualitätskontrolle. Wenn etwas nicht stimmt, erfahren wir es sofort.“

Rauchwurst nach dem Räuchern.
Rauchwurst nach dem Räuchern. | Bild: Schuler, Andreas

Bei den Massen-Metzgereien, die Wurst und Fleisch an Supermärkte und Discounter zum Spottpreis verscherbeln, sei dies anders: „Wer beschwert sich denn beim verantwortlichen Fleischer, wenn das Fleisch im Discounter schlecht war?“ Albrecht Leichsenring, einer seiner Gesellen, drückt es drastisch aus: „Vor allem mariniertes Fleisch vom Discounter hat seine besten Tage längst hinter sich. Wer das herstellt, ist ein Schritt vom Gefängnis entfernt.“

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Dry Agend Steak vom Bodenseerind bei Hierling.
Dry Agend Steak vom Bodenseerind bei Hierling. | Bild: Schuler, Andreas

Hierling bezieht sein Fleisch von Landwirten aus der nahen Umgebung. „Der am weitesten entfernte Bauer ist aus Stahringen„, sagt Simon Reiner. „Wir besuchen die Landwirte und die Tiere regelmäßig, holen die Tiere ab und schlachten sie hier bei uns in Dettingen selbst.“ Montags Schweine, Mittwochs Kühe, Rinder und Bullen.“ Die Kette sei von Anfang bis Ende nachvollziehbar, die Produktion unter einem Dach.

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„Wir sind ausgebildete Facharbeiter und wissen genau, was wir machen“, so Simon Reiner. Rund 80 Prozent der Produkte, die die Metzgerei Hierling in seinen drei Geschäften verkauft, sind hausgemacht. „Natürlich müssen auch wir Produkte hinzukaufen“, erklärt der Besitzer. „Doch auch da wissen wir, wo es herkommt und können Qualität garantieren.“

Hier in der Rosgartenstraße hatte das Familienunternehmen Otto Müller 1923 seinen Anfang.
Hier in der Rosgartenstraße hatte das Familienunternehmen Otto Müller 1923 seinen Anfang. | Bild: Schuler, Andreas

Ortswechsel. In der Rosgartenstraße steht seit 1923 das Haupthaus der Metzgerei Otto Müller. Katharina Müller führt das Unternehmen in dritter Generation. „Mich überrascht das, was in Gütersloh bei Tönnies passiert ist, keineswegs“, sagt sie. „Wir reden doch schon lange über diese Problematik. Das ist immer mal wieder präsent und gerät dann wieder in Vergessenheit.“

Katharina Müller vor einem historischen Plakat des Familienunternehmens.
Katharina Müller vor einem historischen Plakat des Familienunternehmens. | Bild: Schuler, Andreas

Billigfleisch, Wurst von minderer Qualität zu erschreckend günstigen Preisen – sind das die Geister, die wir als Gesellschaft riefen? „Das kann man so sagen“, erzählt Katharina Müller. „Wir haben mündige Kunden, die selbst entscheiden dürfen, was sie einkaufen und wie viel ihnen Qualität wert ist.“

Katharina Müller vor den Dry Aged Produkten vom Bodenseerind.
Katharina Müller vor den Dry Aged Produkten vom Bodenseerind. | Bild: Schuler, Andreas

Sie blickt zum Vergleich in andere europäische Länder: „In Italien, Spanien oder Frankreich sind die Menschen schick gekleidet und essen wie ein König“, sagt sie. „Wir hingegen legen Wert auf unser Auto und unser Handy. Ernährung ist uns nicht so wichtig. Geiz ist da immer noch geil.“

Dry Aged Steak vom Bodenseerind bei Otto Müller.
Dry Aged Steak vom Bodenseerind bei Otto Müller. | Bild: Schuler, Andreas

Die 48-Jährige legt Wert darauf, jeden Freitag und jeden Samstag selbst hinter der Theke zu stehen, um ihre Kunden zu bedienen. „Mir ist es wichtig, den Kontakt zu den Menschen zu haben und die Resonanz auf unsere Arbeit zu erleben.“

Dry Aged Tomahawks bei Otto Müller vom Bodenseerind.
Dry Aged Tomahawks bei Otto Müller vom Bodenseerind. | Bild: Schuler, Andreas

Seit 2014 wird bei Otto Müller nicht mehr selbst geschlachtet. „Das hätte sich wirtschaftlich nicht mehr gerechnet“, sagt die Chefin. Stattdessen lässt das Unternehmen in Mengen für sich schlachten. „Wir holen die Tiere in den Höfen der Region ab und bringen sie dorthin“, erzählt Katharina Müller. Verarbeitet werden die geschlachteten Tiere dann in Konstanz.

„Das ist mehr als Bio“

„Wir wissen, wo sie herkommen und besuchen die Bauernhöfe regelmäßig.“ Bio wird nicht angeboten – doch das ist in ihren Augen nicht nötig: „Die Tiere werden gentechnikfrei gefüttert, sie leben artgerecht auf kleinen Höfen und die gesamte Produktion läuft auf kurzen Wegen – das ist mehr als Bio.“