Regen macht den Fahnenwerfern aus Konstanz normalerweise nichts aus. Nur wenn der Wind zu stark weht, wird es schwierig. „Und Weltrekorde kann man natürlich mit einer nassen Fahne auch nicht erzielen“, erklärt Gerhard Schlaich.

Weltmeisterschaft im Fahnhochwerfen

Schlaich hat einst mit ein paar Gleichgesinnten die Fahnenschwinger Konstanz gegründet und trainiert an diesem regnerischen Tag eine kleine Gruppe aus nur einer Handvoll jungen Frauen und einem jungen Mann. Sie alle werden am Wochenende vom 1. und 2. Oktober bei der Weltmeisterschaft im Fahnenhochwerfen mit der kleinen Fahne auf dem Schänzle-Sportplatz an den Start gehen.

Fahnenhochwerfen Video: Jana Mantel

Mit dabei ist Svenja Freimoser, so etwas wie der Star der Truppe und auch in unseren Videos zu sehen. Die 22-jährige Konstanzerin ist Titelverteidigerin im Fahnenhochwerfen und hält den derzeitigen Weltrekord. 2019 erreichte sie beeindruckende 11,10 Meter. Sie blickt optimistisch auf die kommenden Tage: „Ich möchte erneut Weltmeisterin werden und am liebsten einen neuen Weltrekord aufstellen. Ich hätte dann dreimal in Folge gewonnen und dürfte den Wanderpokal behalten.“

Freimoser kam mit acht Jahren zum Verein, Schuld daran war der Nachbar: Gerhard Schlaich. Der betrieb aktiv Akquise, um Nachwuchs zu gewinnen. „Mir hat es sofort gefallen“, erinnert sie sich: „Außerdem macht Fahnenwerfen und -schwingen nicht jeder, es ist etwas Besonders!“ Man brauche Ausdauer und Kraft und lerne Disziplin.

Dem stimmt Gerhard Schlaichs Sohn Felix (21) zu: „Ich war schon mit drei Jahren vorn beim Fasnachtsumzug mit dabei. Mit einer Kinderfahne.“ Das Gruppengefühl streicht Trinh Vo (21) heraus. Sie erlebte den Verein bei einem Umzug vor sieben Jahren und war fasziniert von der Präzision der Gruppe. „Besonders gefallen mir die Choreografien beim Fahnenschwingen zur Musik“, so Vo.

Der Teller Video: Jana Mantel

Die schönste Figur beim Fahnenschwingen ist der Teller, hier im Video zu sehen. Darüber ist sich Trinh Vo mit Corinna Hinze (27) einig. Gerhard Schlaich erklärt für den Laien: „Die Fahne wird dabei waagerecht über den Kopf geschwungen, während bei der Sanduhr die Fahne noch zwischen den Beinen hindurchgereicht wird.“

Die Sanduhr Video: Jana Mantel

Hinze stieß vor 16 Jahren zur Truppe dazu und ist noch immer voller Enthusiasmus bei der Sache: „Diese Sport hat mir Selbstvertrauen gegeben“, sagt sie. Überhaupt brechen alle vier eine Lanze für diesen ungewöhnlichen Sport und ihren Trainer.

Unterschied zwischen werfen und schwingen

Unterschieden wird dabei zwischen Fahnenhochwerfen und -schwingen. Beim ersten wird die Fahne über eine Stange hinauskatapultiert. Ziel ist es, dass sie sich dabei öffnet, deshalb hat sie am Stab auch ein Gewicht und ist exakt austariert. Ähnlich wie beim Hochsprung haben die Akteure drei Versuche – und die Stange wird immer höher platziert.

Dagegen geht es beim Fahnenschwingen um Choreographien zu Musik. „Dabei ist die präzise Darstellung allein oder in der Gruppe wichtig“, betont Gerhard Schlaich. Über 80 Figuren gibt es, unterschieden wird dabei zwischen Fahne in der Luft oder in der Hand. „Besonders unsere Choreografien mit den großen Fahnen, die 2,70 Meter hoch sind und zehn Kilogramm wiegen, sind eindrucksvoll“, sagt er stolz. „Nicht selten werden wir auch für Veranstaltungen in ganz Europa gebucht.“

Svenja Freimoser (links) und Corinna Hinze freuen sich schon auf den Wettbewerb am ersten Oktoberwochenende.
Svenja Freimoser (links) und Corinna Hinze freuen sich schon auf den Wettbewerb am ersten Oktoberwochenende. | Bild: Jana Mantel

Seit 1992 nehmen die Konstanzer Fahnenschwinger regelmäßig an nationalen und internationalen Wettkämpfen im Fahnenschwingen und Fahnenhochwerfen teil. 55 Weltmeistertitel, 124 deutsche und 187 Landesmeisterschaften sowie 38 Weltrekorde sind die beeindruckende Bilanz. Zudem zeigen sie immer wieder bei besonderen Höhepunkten ihr Können, nicht nur in der Heimat, sondern auch auswärts. So etwa 2016 bei der Eröffnung der Fußball-Bundesligasaison in der Münchner Allianz-Arena.