In der Wohnung von David Nachtigall gibt es eine kleine Dose. Sie ist gut verschraubt und steht hoch oben auf einem Regal. Nur er darf die Dose nehmen. Darin befindet sich sein Medikament. „Ich nehme das gegen die chronischen Schmerzen und Entzündungen“, sagt Nachtigall und bröselt zerkleinertes Gras in ein Zigarettenpapier.

Er dreht sich gerade einen Joint in seiner Küche. „Ich habe ein Rezept für medizinisches Marihuana, denn ich habe eine rheumatische Autoimmunkrankheit“, sagt er dazu, weshalb er Cannabis im Haus hat. Doch bald will er das Cannabis nicht mehr nur auf Rezept erhalten, sondern selbst anbauen.

Er ist einer der Ansprechpartner des Mariana Cannabis Social Club Konstanz. Knapp 330 Mitglieder hat der Verein bereits – und das, obwohl der ehrenamtliche Verein noch nicht mal wirklich am Start ist. Bei 500 Mitgliedern ist vorläufig Schluss. „Sollten wir mehr Mitglieder haben, eröffnen wir vielleicht noch einen zweiten Verein“, kündigt Nachtigall an.

David Nachtigall ist einer der Gründer des Mariana Cannabis Social Clubs Konstanz. Er Verein hat bereits über 330 Mitglieder.
David Nachtigall ist einer der Gründer des Mariana Cannabis Social Clubs Konstanz. Er Verein hat bereits über 330 Mitglieder. | Bild: Kerstin Steinert

Seit dem 1. April ist das umstrittene Cannabis-Gesetz in Kraft. Seither ist der Besitz und Anbau von Cannabis in Deutschland für Erwachsene unter bestimmten Vorgaben legal. Zudem können Konsumenten Cannabis über nicht-kommerzielle Anbauvereine beziehen. Sie müssen dazu Mitglied in sogenannten Social Clubs werden, die sich seit dem 1. Juli offiziell als Vereine ins Vereinsregister eintragen lassen können.

Und bei welcher Behörde kann man nun diese Anträge stellen? „In Baden-Württemberg ist das Regierungspräsidium Freiburg zuständig“, sagt Keno Mennenga. Er ist Sprecher der Mariana Cannabis Social Clubs in Süddeutschland – einem Gesamtverein für Cannabis-Clubs in Deutschland. 181 Clubs sind bei ihnen gemeldet. Seit dem 1. Juli haben sie es geschafft, 50 Clubs in Eintragung zu bringen. „Konstanz ist einer der ersten“, sagt Mennenga.

„Wir rechnen damit, dass wir zum Jahreswechsel unseren Mitgliedern das erste Mal etwas anbieten können“, sagt Keno Mennenga, Sprecher ...
„Wir rechnen damit, dass wir zum Jahreswechsel unseren Mitgliedern das erste Mal etwas anbieten können“, sagt Keno Mennenga, Sprecher der Mariana Cannabis Social Clubs in Süddeutschland | Bild: privat/Keno Mennenga

Club ist auf Immobilien-Suche

Doch bevor ausgesät werden kann, muss eine andere Frage geklärt werden. Brauchen die Vereine zwei getrennte Immobilien? Eine, in der die Pflanzen angebaut werden und eine zweite, in der die Abgabe der Endprodukte stattfindet. „Wir sind schon auf der Suche nach Immobilien und haben auch schon was in Aussicht“, sagt David Nachtigall.

Wo genau das sein wird, möchte er noch nicht preisgeben. Erstens sei noch kein Vertrag unterschrieben, zweitens sei es natürlich auch ein Sicherheitsaspekt. Immerhin müssten dort dann auch teure Geräte zur Aufzucht unterbracht werden und auch die Pflanzen selbst geschützt werden – vor Schädlingen und Menschen.

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Ein Social Club im mobilen Container?

Auch Tom Kleinschmidt will einen Social Club gründen. Er wird den Namen „Puff Puff Pass“ tragen und in Allensbach ansässig sein. Er verfolgt mit seinem Businessplan aber ein etwas anders Konzept. „Wir wollen uns etwas abheben“, sagt er im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Er hat einen Container bestellt, der nicht immer an einem Ort bleiben muss. „Unsere Idee ist es, einen mobilen Club anbieten zu können“, sagt er. Es werde also nicht einen festen Standort geben, sondern herumgefahren.

„Unsere Idee ist es, einen mobilen Club anbieten zu können“, sagt Tom Kleinschmidt, Gründer des Social Clubs mit dem Namen Puff Puff Pass.
„Unsere Idee ist es, einen mobilen Club anbieten zu können“, sagt Tom Kleinschmidt, Gründer des Social Clubs mit dem Namen Puff Puff Pass. | Bild: privat/Tom Kleinschmidt

Bereits über 230 Mitglieder haben sich in seinem Verein eingetragen. „Wir haben auch zwei ältere Damen, beide über 70 Jahre alt. Sie wollen Cannabis beziehen, weil es für sie zu umständlich ist, auf Rezept Cannabis zu erhalten“, sagt Kleinschmidt, um aufzuzeigen, dass nicht der typische Konsument an solchen Clubs interessiert ist. „Wir möchten mit diesem veralteten Klischee aufräumen. Wir wollen raus aus der Schmuddelecke“, sagt er.

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Suchtprävention für einen bewussten Konsum

So sehen das auch David Nachtigall und Keno Mennenga. „Die Entkriminalisierung ist längst überfällig“, sagt Mennenga. Deshalb sei es gut, dass die Politik endlich reagiere. „Wir haben jetzt die Chance, von Anfang an richtige Aufklärungsarbeit zu betreiben.“ Bei Alkohol, Zucker und Kaffee habe man das verpasst.

„Ja, es ist ein Rauschmittel. Deshalb sind wir für einen bewussten Konsum“, so Mennenga. Innerhalb der Vereine könne man einen guten Draht zu den Konsumenten entwickeln und auf die Gefahren hinweisen, ohne gleich mit dem erhobenen Zeigefinger zu kommen. Die Vereine wollen mit ihrer Arbeit auch Suchtprävention betreiben. „Wir kennen uns einfach am besten damit aus“, erklärt der Social-Club-Gründer.

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Auch Tom Kleinschmidt erklärt, dass dies eine Chance der Vereine sei. „Ich bin ausgebildeter Krankenpfleger. Ich habe auch mal in der Psychiatrie und auf der Entzugsstation gearbeitet. Ich weiß, was es anrichten kann. Aber ich kenne ich auch die Vorteile. Ich weiß, wie Cannabis zur Therapie genutzt werden kann. Aber es ist nicht so einfach, an ein Rezept zu kommen“, sagt er.

Doch bevor die erste Ernte eingebracht werden kann, benötigt es eine Anbau-Lizenz. Das kann bis zu drei Monate dauern. Erst dann können die Marihuana-Pflanzen in die Erde gesetzt werden. Sie brauchen mindestens drei Monate zum Wachsen. „Wir rechnen damit, dass wir zum Jahreswechsel unseren Mitgliedern das erste Mal etwas anbieten können“, schätzt Mennenga. Legaler Konsum ist also nicht ganz so schnell möglich.