Herr Schaal, wie beurteilen Sie aktuell die Lage im Konstanzer Handel – auch vor dem Hintergrund, dass der Lockdown verlängert wurde?
Die Lage des Konstanzer Handels hat sich seit Dezember 2020 nochmals verschärft und es sind zahlreiche Betriebe von einer Insolvenz bedroht. Die Verlängerung des Lockdowns führt zu einer zunehmenden Verzweiflung. Saisonabhängige Branchen, wie Modehandel oder Sporthäuser, haben bedingt durch den Lockdown die Winterware nicht verkauft, diese stapelt sich vor Ort und die schon vor vielen Wochen bestellte Frühjahrskollektion trifft jetzt ein und muss bezahlt werden, was durch ausbleibende Umsätze nur sehr schwer möglich ist.

Selbst Traditionsfirmen, die in den vergangenen Jahren gut gewirtschaftet haben, kommen an ihre Grenzen. Hinzu kommt, dass die von der Bundesregierung versprochenen Hilfen nur spärlich oder gar nicht ankommen. Trotz fehlender Einnahmen müssen Löhne, Mieten, Pachten, Zinsen oder Tilgung bezahlt werden.
Wie beurteilen Sie Maßnahmen zur Rettung der Händler?
Sicherlich hilft das Kurzarbeitergeld, nur das reicht vielen nicht aus. Click-and-Collect ist eine gute Möglichkeit zumindest minimales Geschäft zu erzielen, was die Wirtschaftsförderung begrüßt und unterstützt, zum Beispiel gemeinsam mit dem SÜDKURIER und der MTK einen Lieferservice dazu auf die Beine zu stellen.
Dies ist allerdings in manchen Branchen schwierig auf die Schnelle umzusetzen oder vom Warenbestand nicht möglich. Es ist und bleibt die größte Krise nach dem Zweiten Weltkrieg, nicht nur für den Einzelhandel, und auch leider für die Stadt in ihrer Gesamtheit.
Gibt es verlässliche Zahlen über Insolvenzen, Schließungen, Pleiten, die auf Corona zurückzuführen sind?
Aufgrund des bis Ende Januar 2021 verlängerten Insolvenzschutzes kann die Wirtschaftsförderung dazu noch keine verlässlichen Aussagen treffen. Wir haben die Entwicklung des Leerstands im Blick – und diese ist besorgniserregend. Viele Jahre gab es in Konstanz keinen Leerstand von Einzelhandelsflächen, im Gegenteil, die Nachfrage war viel höher als das Immobilienangebot.
Dies hat sich radikal verändert. Noch im Dezember 2020 musste die Wirtschaftsförderung 17 Leerstände in der Innenstadt registrieren, wir werden uns Ende Januar der 30er-Marke nähern. Obwohl ich als Leiter der Wirtschaftsförderung ein überzeugter Optimist bin, wird meine Prognose von 50 Leerständen in der Innenstadt zu meinem großen Bedauern sehr wahrscheinlich Realität werden.
Corona und der Online-Handel hinterlassen in der Innenstadt ihre Spuren...
Auch schon vor Corona ist klar gewesen, dass es aufgrund des boomenden Online-Handels zu Veränderungen kommen wird, nur war die Brutalität durch Covid-19 für alle Beteiligten schockierend. Wie unter einem Brennglas hat sich die Entwicklung nun exponentiell beschleunigt.
Aber: Es werden wieder bessere Zeiten kommen und dafür müssen wir gemeinsam mit Handel, Kammern, Politik und Verwaltung sehr gut vorbereitet sein. So haben wir auf Initiative von Oberbürgermeister Uli Burchardt Vertreter der Wirtschaft auf Ende des Monats eingeladen – nicht nur, um die Lage zu erörtern, sondern auch um über konkrete Maßnahmen in der Krise zu sprechen.
Was sagen Sie zu den spät eintrudelnden staatlichen Hilfen? Befürchten Sie als Fachmann, dass manche Hilfe zu spät ankommt?
Klar, es werden Hilfen zu spät kommen und es werden Firmen die Krise nicht überleben, was für uns alle nicht ohne Folgen sein wird. Wie sieht unsere Stadt und speziell unsere schöne Innenstadt nach der Krise aus? Wir appellieren an alle Beteiligten, pragmatische, schnelle Lösungen zu finden, so dass die Hilfen schneller ankommen – sonst werden die Folgen für die Innenstadt, insbesondere für die Einzelhändler, verheerend sein.