Die Warnmeldung hätte kaum passender kommen können: Die Stadtwerke informieren ihre Kunden, dass weitere Busse nicht fahren werden, betroffen sind dieses Mal die Linien 1, 2 und 6, „aufgrund mehrerer Krankheitsfälle“.

Am selben Abend spricht Stadtwerke-Geschäftsführer Norbert Reuter vor dem Gemeinderat, und es wird deutlich: Die Stadtwerke tun sich nicht nur immer schwerer, neue Busfahrer zu finden – nein, ihnen läuft auch das vorhandene Personal davon.

Schon wieder Ausfälle im Busverkehr: Weil zu viele Fahrer krank sind und die Stadtwerke Konstanz niemanden mehr haben, der einspringen ...
Schon wieder Ausfälle im Busverkehr: Weil zu viele Fahrer krank sind und die Stadtwerke Konstanz niemanden mehr haben, der einspringen könnte, müssen sie immer wieder Fahrten ganz streichen. | Bild: Jörg-Peter

Und es gibt Zahlen: In einer Stadt, die bundesweit als erste den Klimanotstand ausgerufen hat, wird der öffentliche Nahverkehr aktuell nicht aus-, sondern abgebaut. 30.000 Kilometer weniger als geplant fahren die Busse 2023. Das fällt bei rund 3,5 Millionen Gesamtkilometern pro Jahr statistisch kaum ins Gewicht – bedeutet aber, dass zwei Linien nicht mehr alle 15, sondern nur noch alle 20 Minuten fahren und die Zusatz-Linie 9C zur Uni komplett gestrichen ist.

Hinzu kommt: Seit 2017 ist die Gesamt-Fahrleistung und damit das Angebot die Kunden nur noch minimal gestiegen. Und als Nächstes überlegen die Stadtwerke, wo sie in den Schulferien Fahrten streichen können „wo in den Bussen dann ohnehin kaum Fahrgäste sitzen“, so Norbert Reuter.

Bald kostet eine Einzelfahrt 2,90 Euro

Für die Fahrgäste macht das die Busnutzung nicht einfacher, wenn sie auch noch auf den Ferienkalender schauen müsse. Und das, wenn der Preise für eine Einzelfahrt zum Jahreswechsel von 2,70 auf 2,90 Euro steigt, wie die Stadtwerke auf der Internetseite mitteilen. Und das, wo man in Radolfzell jetzt schon für einen Euro und in Kreuzlingen für einen Franken Stadtbus fahren kann, wie es aus dem Gemeinderat kritisch heißt.

Das könnte Sie auch interessieren

Mit seinem Vortrag vor den Stadträten bestätigt Norbert in weiten Zügen auch das, was die in Bus-Dingen offenbar bestens informierte Bürgerin und regelmäßige Stadtwerke-Passagierin Elisabeth Schöndienst schon Wochen zuvor an gleicher Stelle und eher zum Missfallen der Stadträte beklagt hatte.

Von den rund 192 Busfahrern hätten in diesem Jahr 34 das Unternehmen verlassen, so Norbert Reuter, mehr als die Hälfte davon über eine Eigenkündigung. Dem standen nur 30 Neueinstellungen gegenüber. Die Folge: Es fehlt am nötigen Personal für die Verkehrswende, sie sich die Stadt so sehr vorgenommen hat.

Busfahrer haben kaum Zeit zum Durchatmen

Die Gründe dafür liegen auch in der Stadt Konstanz selbst, räumt Norbert Reuter offen ein. Neueinsteiger gäben entnervt wieder auf, wenn sie den Dauerstress im Innenstadt-Stau erlebt hätten. Die Wendezeiten am Ende einer Linie seien so kurz, dass die Fahrer oft „nicht einmal kurz um den Bus herumlaufen“ könnten.

Vier Personen hätten ihre Arbeitsverträge nicht angetreten, weil sie keine Wohnung gefunden hätten. Und sieben künftige Busfahrerinnen und Busfahrer bräuchten noch eine Wohnung, um ihren Job antreten zu können. Inzwischen treten die Stadtwerke sogar selbst als Mieter auf, so der Geschäftsführer. Und am Bismarcksteig wollen sie ein „Mitarbeiterhaus“ mit Wohnungen fürs Personal bauen.

Das könnte Sie auch interessieren

In der Schweiz ist der Lohn doppelt so hoch

Dazu kommt, dass sich auch Busfahrer ihren Arbeitsplatz weitgehend aussuchen könnten. In der Schweiz, so Norbert Reuter, liege deren Jahresgehalt bis 80.000 bis 90.000 Franken, doppelt so viel wie im Tarif, der für die Stadtwerke Konstanz gilt.

Bei privaten Busunternehmen müssen sie oft weniger im Schichtbetrieb arbeiten. Und auch das Betriebsklima spiele eine Rolle. Erstmals bestätigte Norbert Reuter auch, dass es Probleme mit der Mitarbeiterzufriedenheit gibt und dass die Fahrten über Laube, Bodanstraße, Bahnhofplatz und Co. als stressig empfunden würden.

Rechts Fußgänger und Fahrgäste, links eine Blechkolonne und dazwischen manchmal noch ein Fahrradfahrer: Die Fahrt durch die Innenstadt ...
Rechts Fußgänger und Fahrgäste, links eine Blechkolonne und dazwischen manchmal noch ein Fahrradfahrer: Die Fahrt durch die Innenstadt empfinden viele Busfahrer als stressig. Da die Stadt sehr voll ist, ist höchste Konzentration gefragt. | Bild: Isabelle Graef

Ein Teufelskreis: Auch die Fahrgäste sind zunehmend genervt

Dass die Busfahrer unter Stress stehen, bestätigen auch Konstanzer, die regelmäßig Bus fahren. Die Klagen nehmen zu, dass Busfahrer unfreundlich seien, Haltestellen einfach vergessen und erkennbar unter Druck stünden. Dorothee Jacobs-Krahnen ist Stadträtin der Freien Grünen Liste, ihre Fraktion hat überhaupt erst dafür gesorgt, dass dieser Teufelskreis jenseits der verschlossenen Türen von Busbeirat und Stadtwerke-Aufsichtsrat öffentlich in der Politik diskutiert wird.

Die Fahrgäste seien oft verärgert – und das nicht nur, weil sie länger als erwartet an der Haltstelle stehen müssen, das sagen nicht nur die FGL-Stadträtin und Elisabeth Schöndienst, sondern auch Leser, die sich in der Sache an den SÜDKURIER gewandt haben. CDU-Stadtrat Kurt Demmler findet die Debatte dagegen nicht so angebracht. Die Busfahrer, sagt er, „machen sehr gute Arbeit, das sollte man nicht schlechter reden, als es ist“. Und Oberbürgermeister Uli Burchardt wünscht sich die Diskussion ohnehin lieber im Aufsichtsrat.

Jutta Obenland sagt: „Ich finde, es ist ein großes Problem wie die Busfahrer bezahlt und behandelt werden.“ Aus diesem Grund ...
Jutta Obenland sagt: „Ich finde, es ist ein großes Problem wie die Busfahrer bezahlt und behandelt werden.“ Aus diesem Grund hat sie Verständnis dafür, „wenn Busfahrer ruppig gegenüber Fahrgästen sind, da das Problem meist bei den Fahrgästen selbst liegt.“ Thomas Gabel stimmt dem zu: „Ich würde mir wünschen, dass die Fahrgäste freundlicher zu den Busfahrern wären.“ | Bild: Isabelle Graef
Stadtwerke-Fahrgast Gerhard Kohl hat nichts über Busfahrer oder deren Verhalten zu sagen. „Ich schau da gar nicht drauf, mir ist ...
Stadtwerke-Fahrgast Gerhard Kohl hat nichts über Busfahrer oder deren Verhalten zu sagen. „Ich schau da gar nicht drauf, mir ist die Pünktlichkeit und der Anschluss viel wichtiger.“ Bus-Passagierin Christina Stettin (nicht im Bild) meint: „Ich finde wenige Busfahrer fahren gut, oftmals sind sie unhöflich und fahren rücksichtslos.“ | Bild: Isabelle Graef

OB räumt ein: „In der Stadt ist es sehr voll“

Nachdem die Lagebeschreibung von Norbert Reuter die Politik aber offensichtlich doch etwas aufgeschreckt hat, ergreift Burchardt am Ende dann noch das Wort. Er habe Verständnis dafür, dass die Busfahrer gestresst seien. Es sei tatsächlich so, dass Konstanz den Verkehr in der Innenstadt eher erschwere.

Aber: „Wir wollen diese Verkehrsveränderung“ und dazu gehöre auch die zunehmende Zahl an Radfahrern – auch das ein Punkt, über den Busfahrer klagen, denn viele halten sich nicht an die Regeln. Und Burchardt räumt ein: „In der Stadt ist es sehr voll.“

Das könnte Sie auch interessieren

Ob der Busfahrer-Beruf attraktiver wird, das kann Konstanz freilich nicht selbst entscheiden. Doch Nachrichten aus vielen Städten zeigen, dass die Stadtwerke mit ihrem Problem nicht allein sind. Bundesweite Zahlen gehen davon aus, dass bis 2030 rund 87.000 Busfahrer und -fahrerinnen fehlen. Ein neuer Tarifvertrag, so Norbert Reuter, könnte da hilfreich sein.

Auf der anderen Seite haben schon jetzt die Personalkosten allein im Busbetrieb innerhalb eines Jahres um eine Million Euro im Jahr zugenommen. Das Bus-Defizit liegt nun bei fast sechs Millionen Euro jährlich. Die Drei-Euro-Hürde für eine Einzelfahrt dürfte wohl spätestens Ende 2024 fallen.