Der Klimanotstand hat schon jetzt ungeahnte Folgen. Nicht nur das ewige Hin und Her um die Zukunft des Seenachtfestes hat die Narrengesellschaften Niederburg und Kamelia Paradies bei ihrem diesjährigen Narrenspiel zu Höchstleistungen angespornt.
Konstanz wird bei Niederburg und Kamelia Paradies zum „Freizeitparadies“
Unter dem Titel „Konstanzer Freizeitparadies“ zündeten sie – jetzt erst recht – ein fulminantes Feuerwerk des Humors. Von urkomischen Sketchen mit viel Nonsens über anmutige Tanz- und tonlagensichere Gesangsdarbietungen bis hin zu wortfeilen Reden reicht das kurzweilige närrische Spott-Pourri im Unteren Konzilssaal.

Es vereint Kritik an Politik und Gesellschaft, urkomische Parodien mit nachdenklich stimmenden, leisen Töne. Die närrischen Pyrotechniker schöpfen gezielt aus dem vielfältigen Raketenfundus und zaubern ein facettenreiche Narrenshow.
Klimanotstand? Von wegen: Es herrscht Kulturnotstand!
Wie ein CO2-neutrales Seenachtfest-Programm aussehen kann, malten Anja Uhlemann und Moni Schönegg bei der Premiere am Freitag in schillernden Seifenblasen aus: Sackhüpfen vor dem Konzil, wobei die CDU in grüne Säcke schlüpfe, bunte Papierflieger und Drehburgparade mit Wunderkerzen.
Auf die Wasserskishow müsse nicht verzichtet werden, denn durchtrainierte Schwäne würden – statt der Hochleistungsmotorboote – die Sportler über das Wasser ziehen. Trotzdem bemängelten sie weniger den allgemeinen Klima-, sondern vielmehr den spezifischen Kulturnotstand im Konstanzer Stadtrat und sangen letztlich inbrünstig: „Wir lieben das Seenachtfest und Raketen ohne Zahl.“
Wie gut, dass die Souvenir-Händler Alexander Riedmann und Dieter Kessler in weiser Voraussicht tausende Seenachtfest-Postkarten horteten, denn: „Die werden mal ‚ne Rarität.“

Diese gebe es zwar nur in kleinen Formaten, aber das sei ja typisch Konstanz. Die beiden Stadtkenner lästerten gekonnt über den Kurzstreckentarif der Stadtwerke. Sie erklärten das Alkoholverbot am Steuer für sinnvoll, da der edle Tropfen auf den holprigen Straßen ja nur verschüttet würde. Die vielen Baustellen in der Stadt beschrieben sie treffsicher als „Orte beschaulicher, lautloser Ruhe“.
Klepperlebue bringt sich schon einmal als OB-Kandidat ins Spiel
Ob nach der OB-Wahl bald ein frischer Wind in Konstanz weht? Kessler und Riemann wissen nur eines: „Das Kreuz, das wir machen sollen, tragen wir dann jahrelang.“

Wie gut, dass Niederburg-Jungtalent Enea von Stechow als Superheld gleich seinen Hut in den Ring wirft, für den OB-Posten kandidiert und überlegt, ob er an alte Politiker-Traditionen anknüpfen soll. Getreu dem Motto: „Alles versprechen und nichts halten.“
Konstanzer Haubentaucher und sächselnde Blessralle
Und doch geht es auch beschaulich zu, im Touristen-Ort Konstanz. Eine grandiose Stadtführung der besonderen Art gestaltete der kulturbeflissene Haubentaucher Konrad (Christian Eismann) für die sächsische Blessralle Enricö (Achim Schien), die jedoch Shopping interessanter fand als Geschichtsfolklore.

Die beiden Wasservögel in ihren prachtvollen Federkleidern ernteten für ihre köstliche Dialekt-Darbietung herzliche Lachsalven.
Ein verzweifelter Hans Leib als Kleingartenbesitzer vom Tägermoos
Vom See ging es dann ins Tägermoos: Hans Leib wähnte sich als stolzer Kleingartenbesitzer zunächst in einer vermeintlich paradiesischen Oase der Ruhe und Erholung.

Brillant und pointenreich schilderte er seinen fatalen Irrtum und das Zusammenprallen mit der obsessiven Grillwut und zog in bestem Fußballer-Jargon über die Bundes- und Kommunalpolitik her.
Der dreifache Norbert Heizmann
Norbert Heizmann spielt in diesem Programm unterschiedliche Trümpfe seines Können aus: Als Senior-Verkehrskadett teilt er gekonnt gesellschaftliche und politische Spitzen aus, ergänzt durch eine kleine Erinnerung an seine Winfried-Kretschmann-Parodie aus dem Vorjahr.

Als Wetterfrosch landet er zudem gemeinsam mit Christiana Gondorf und Claudia Zähringer einen musikalischen Hit.

Zuletzt überrascht er noch – in einem der fasnächtlichen Höhepunkte des Abends – im Duo mit Claudio Zähringer mit einer fulminant inszenierten schwedischen Posse.
Schon der Lucia-Hemdglonkerumzug riss die Zuschauer mit, doch als schwedisch schwätzendes Königspaar, das „zu sellenen Bernadottenen“ kommt, setzten die beiden Erzfasnachter allem noch die Krone auf.

Gedenken an verstorbenen Fasnachts-Granden Paul Bischoff
Das diesjährige Narrenspiel hatte auch einen ernsten, nachdenklichen Moment: Paul Bischoff, Ehrenpräsident der Narrengesellschaft Schneckenburg und langjähriger Bühnenstar verstarb wenige Tage vor der Premiere im Konzil und erhielt posthum einen Sonderapplaus.
Er war jemand, welche die eher leisen Töne in seinen Reden anstimmte. Bischoff hätte wohl – ebenso wie dem 2017 verstorbenen Alfred Heizmann – das Gesangs-Duett von Rebecca und Marcus Nabholz, vor allem aber der Auftritt von Simon Schafheitle mit Martin Taschaki besonders gut gefallen.

Aus der Sicht von Biene Willi und Heuschrecke Flip beleuchteten Tschaki und Schafheitle die Auswirkungen von Monokulturen, den Klimawandel, das Sterben der Artenvielfalt und schlossen ganz im Stil der Großen der Konstanzer Fasnachtsbühnen mit der adaptierten Weissagung der Cree-Indianer: „Erst wenn der letzte Willi gestorben ist, werdet ihr feststellen, dass man künstliche Intelligenz allein nicht fressen kann.“
Mit ihrem Song zur Melodie von „A wonderful world“ war das Duo auch noch gesanglich ein vorzüglicher Eisbrecher, zumal Tschaki Louis Armstrong glänzend imitierte.