Die rote Hose von Lili Neumeyer ist aus einem Gebrauchtwarenladen. Ihr Oberteil hat sie seit vielen Jahren. Die 23-Jährige hat sich vorgenommen, nichts Neues zu kaufen, „außer Unterwäsche“. Sie sagt: „Ich trage die Klamotten, bis sie kaputt sind.“ Damit ist die Konstanzer Hochschul-Absolventin und Mitstreiterin der Brauchbarschaft in Konstanz eine Ausnahme.

Nach Angaben des Vereins Fairwertung, dem Dachverband gemeinnütziger Altkleidersammler, kauft im Schnitt jeder Deutsche 60 Kleidungsstücke pro Jahr. Viel zu viel. Neumeyer sagt, man könne aussortierte Kleider etwa in H&M-Geschäfte bringen.

„Aber was machen die damit?“ Über solche Prozesse will die Brauchbarschaft mit der Greenpeace-Gruppe Bodensee am Dienstag, 26. November, aufklären. Sie will zeigen, wie viel Müll Textilien verursachen und aufklären, wie Kleider dazu beitragen, dass die Weltmeere mit Mikroplastik verseucht werden.

Billigware landet nach 1,7 Mal Tragen im Müll

Die Brauchbarschaft ist eine Organisation, die sich für das Wiederverwerten, Reparieren und gegen das Wegwerfen einsetzt. Zu ihren Veranstaltungen gehören die Reparaturcafés. „Wir wollen, dass die Leute zum Nachdenken kommen“, sagt Rolf Jansen. Es gehe darum, deutlich zu machen, wie jeder sich dem Irrsinn der Überproduktion entziehen kann, etwa bei Textilien.

Nach Angaben von Greenpeace kommen bis zu 40 Prozent der produzierten Billigklamotten nicht in den Verkauf. Die Verschwendung beginnt, bevor Kleider getragen werden können. Noch nicht eingerechnet sind Billigklamotten, die nach 1,7 Mal Tragen im Müll landen. Im schlimmsten Fall kommen Plastik-Textilien nach Afrika und werden auf eine offene Müllkippe geworfen.

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„35 Prozent des Mikroplastiks, das in die Ozeane gelangt, kommt aus der Textilindustrie“, stellt Greenpeace fest. „Ich habe mir nie Gedanken gemacht, was mit Kleidern passiert, die ich in einen Container werfe“, sagt Jansen. „Mir ist aufgefallen, wie wenig ich darüber weiß.“ Er und seine Kollegen haben sich dazu schlau gemacht. Fairwertung hat Zahlen: Etwa eine Million Tonnen Gebrauchtkleidung landet jedes Jahr in Sammlungen.

„Viele Menschen wünschen sich, dass ihre gespendete Kleidung ausschließlich und unmittelbar Hilfsbedürftigen zugutekommt; doch so große Mengen werden gar nicht benötigt.“ Auch für die Wiederverwertung von Stoffen als Putzlappen oder Dämmmaterialien fällt viel zu viel an. So kommt es, dass nur ein Teil der Kleidung in Sozialkaufhäusern und Gebrauchtwaren-Läden landet, ein anderer Teil im Export für afrikanische und osteuropäische Länder.

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Nachdenken über das eigene Konsumverhalten

Manfred Winter von der Brauchbarschaft zeichnet nach, wie es weitergeht: 50-Kilo-Ballen mit Kleidern würden auf Märkten in Afrika verkauft. Die Abnehmer wüssten nicht, was sie bekommen. Manche Kleider sind hochwertig, andere unbrauchbar: zu schlechte Qualität oder Übergröße. Sie landen auf dem Müll und die Abwässer mit Mikroplastik im Meer. Laut Greenpeace können 30 bis 40 Prozent der eingeführten Kleider nicht verkauft werden.

Winter engagiert sich für die Brauchbarschaft, weil er es für wichtig hält, etwas Sinnvolles für die Gesellschaft zu tun. Der 71-Jährige sagt, er habe mit 16 Jahren begonnen, sich Gedanken zu machen über Konsum und Umweltprobleme. „Das ist ein lebenslanger Prozess.“ Er bedauert, dass viele bedenkenlos Sachen wegwerfen.

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Mitstreiter Werner Schlotter lernte als Student in den 60er-Jahren den Begriff der geplanten Obsoleszenz kennen, den geplanten Verschleiß oder das vorzeitige Altern eines Produkts. Im Buch „Die Verschwendungsmacher“ wurde dies als systematischer Versuch der Industrie kritisiert, den Verbraucher abhängig zu machen von neuen Produkten.

Damals, so Schlotter, habe er Technik studiert, aber bald über die Grenzen des Fachs hinausgeschaut. Er schloss ein Studium der Sozialwissenschaften an. Seither beschäftige er sich mit der Art des Konsums, mit den Folgen für die Umwelt und das Klima. Mit dem Abend zu Billigkleidern wolle die Gruppe aufklären.

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Neumeyer erklärt: „Ich hoffe, dass viele mitziehen“

Die Brauchbarschaft erwarte nicht, dass sie junge Menschen aufhalten kann, die sich nach Trends richten und neue Kleider kaufen. Es gehe darum, Impulse zu setzen. Sie hofft, dass Schulen und Jugendeinrichtungen das Thema aufgreifen. Die Brauchbarschaft stellt Unterrichtsmaterialien des Vereins Fairwertung vor. Zudem möchte sie auf Alternativen des Neukaufs aufmerksam machen, etwa den Tausch von Kleidern, den Erwerb gebrauchter Kleider oder das Umnähen.

Für Lili Neumeyer ist das heute schon selbstverständlich. Sie wolle nicht klagen, sondern etwas machen. Sie sehe sich manchmal wie beim Tauziehen in eine bestimmte Richtung. „Ich hoffe, dass viele mitziehen.“ Schon in der Schule habe sie begonnen, über die Art des Konsumierens nachzudenken.

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Inzwischen versuche sie, so nachhaltig und sozial wie möglich zu leben. Sie ernähre sich vegan und versuche, Flugreisen zu vermeiden. „Mit dem Zug und dem Bus komme ich auch weit.“ Sie versuche, wenig Neues anzuschaffen, etwa bei den Textilien. Mit ein bisschen Kreativität könne aus einem alten Stück etwas Neues entstehen. So könne etwa eine alte Hose ein zweites Leben als Tasche haben.