Holzkohleduft liegt in der Luft – garantiert nicht zum letzten Mal in diesem Jahr: Auf dem Grill liegen saftiges Fleisch und frisches Gemüse. Melinda Islami ist gut gelaunt, wenn ihre ganze Familie auf der großen Wiese zwischen dem Studentenwohnheim Europahaus und der Europabrücke zusammenkommt. Dieser Ort bietet Raum für alle – unabhängig von Kultur oder Interessen.
Ursprünglich stammt Melinda Islamis Familie aus Mazedonien, inzwischen lebt ein Teil davon in der Schweiz und in Konstanz. Oft sind sie mit über 20 Familienmitgliedern dreier Generationen hier und verbringen den Samstagnachmittag zusammen bis es dunkel wird. Jeder bringt etwas mit, und hungrig geht niemand nach Hause. Ganz im Gegenteil: Als ein paar Jugendliche vorbeigehen, bietet die 23-jährige Melinda Islami ihnen spontan etwas zu essen an und reicht ihnen einen Teller mit Fleisch und Salat.

„In unserer Kultur ist das normal“, erklärt sie. „Wir sind offen und gastfreundlich und bringen das gerne hier ein.“ Mit diesem Areal haben sie für ihre Familientreffen den idealen Ort gefunden: „Man kann gut parken, und die Lage am See ist perfekt.“ Und hier funktioniert das Zusammensein: „Dort drüben machen Jugendliche Party mit lauter Musik, auf der Wiese bei uns sitzt meine Tante und betet – ist doch toll!“
„Was will man mehr?“
Tatsächlich hat sich ein paar Meter weiter eine große Gruppe junger Menschen versammelt. Sie drehen die Lautsprecher auf und haben einen reichlichen Vorrat an Getränken dabei. Mittendrin ist Hannes Gerbig mit seinem Bruder Luis und Freunden. „Wir sind hier die Sportfraktion“, erklären sie und unterbrechen das Spikeball-Spiel, bei dem es scheinbar wirklich um etwas geht – zumindest was den sportlichen Einsatz der Freunde betrifft. Mit einem kleinen Ball spielen sie sich in den Teams die Bälle über ein gespanntes kreisförmiges Netz knapp über dem Boden zu.
„Wir waren schon zu Schulzeiten gerne hier. Wo sollen wir denn sonst hin?“, fragt der 22-Jährige. Für sie sei das Areal nahe dem Schänzle einer der wenigen Orte, an dem sie sich wirklich willkommen fühlen. „Die Nachbarn hier sind überwiegend Studenten, die sich nicht gleich von lauter Musik gestört fühlen“, so Peer Kleiner. „Am Herosé-Park ist das anders, und Klein Venedig kommt für uns auch nicht in Frage. Aber hier haben wir viel Platz und einen grandiosen Sonnenuntergang – was will man mehr?“
Auch für andere Sportbegeisterte ist das von Bäumen gesäumte Gelände ein passender Ort: Lea Schneider kommt mit ihrem Freund Julian Mennig gerne nach Feierabend für ein Tischtennisspiel her. „Wir wohnen gleich um die Ecke, und man trifft immer nette Leute. Alle sind sehr zuvorkommend“, so die 27-Jährige. „Es ist auch schon vorgekommen, dass die Platte bereits besetzt war. Dann haben wir die beiden anderen Spieler spontan zu einem Doppel herausgefordert.“ Nach einem spannenden Duell sei der Sprung in den Seerhein ein paar Meter weiter natürlich die ideale Abkühlung.
Und auch die kleinsten Besucher finden im Park das, was sie brauchen, denn die Fläche liegt an keiner großen Straße. Das kommt Alyn Patzelt mit ihren beiden Söhnen Marlin und Bruno entgegen. „Wir wohnen in der Altstadt und haben keinen eigenen Garten. Daher genießen wir den Platz auf der Wiese und den tollen Spielplatz“, sagt sie, während der vierjährige Bruno freudestrahlend auf sie zuläuft und ihr den Fußball zuspielt. Der Stadtgarten sei ebenfalls schön, „aber hier ist es irgendwie heller“. Kindergeburtstage ließen sich an den Grillplätzen wunderbar feiern, und auch die Skateanlage fasziniere ihre Söhne – obwohl sie noch etwas zu klein seien, um sie zu nutzen.
Skaten und Sprayen sorgen für urbane Atmosphäre
Der 26-jährige Nils Kaumanns kommt teilweise bis zu viermal in der Woche mit seinem Skateboard an die Anlage. „Die Rampe ist super und hat viel Potenzial“, sagt er. „Für mich ist sie genau richtig, für Anfänger allerdings eher zu groß.“ Aus seiner Sicht könnte man für sie noch ein paar Erweiterungen aufstellen. Besonders gefalle ihm die urbane Atmosphäre mit Betonpfeilern und Graffitis unter der Schänzlebrücke. Seit drei Jahren lebt Kaumanns in Konstanz und schätzt das Angebot sehr: „Ein Ort wie dieser ist essenziell. In meiner Heimat auf Sylt gibt es so etwas leider nicht“, erklärt der Heizungsbauer.
Wer sich einfach mal auf einer Bank niederlässt, wird nicht nur von den Tricks der mutigen Skater unterhalten. Man bekommt auch akrobatische Kunststücke auf hohem Niveau zu sehen: Die Parrots Cheerleader trainieren hier für die kommenden Landesmeisterschaften. „Im Sommer sind die Sporthallen geschlossen, in denen wir normalerweise üben“, erklärt Trainerin Alicia Zörner. „Die Wiese am Schänzle ist ideal, weil sie eben ist – das ist für unsere Hebefiguren besonders wichtig, um einen festen Stand zu haben.“ Außerdem komme man schnell ins Gespräch mit anderen Sportlern und Akrobaten: „Es ist einfach Platz für alle“, sind sich die Cheerleader einig.

Aus Sicht der Polizei Konstanz ist der beliebte Ort am Seerhein völlig unauffällig. „Natürlich gibt es auch dort mal eine Ruhestörung oder Streitigkeiten, tatsächlich aber nur ganz vereinzelt“, so Katrin Rosenthal, Pressesprecherin des Polizeipräsidiums Konstanz. Also alles perfekt zwischen Europabrücke und Europahaus im Konstanzer Paradies? Fast. Einen kleinen Verbesserungsvorschlag hat Melinda Islami dann doch noch: „Sobald es dunkel wird, sieht man hier fast nichts mehr. Eine bessere Beleuchtung wäre schön, und man würde sich auch nach Einbruch der Dunkelheit sicher fühlen.“