An der Geschwister-Scholl-Schule (GSS) ist Integration Alltag. Schon lange gibt es hier internationale Klassen (IK), in denen Schüler, die noch nicht gut Deutsch sprechen, auf den Unterricht vorbereitet werden. An anderen Schulen spricht man von VKL-Klassen (Vorbereitungsklassen). Bis März dieses Jahres gab es auch an der GSS nur eine IK, jetzt sind es drei mit 67 Schülern. In Konstanz gab es eine Handvoll VKL-Klassen, inzwischen sind es 16. Der Krieg in der Ukraine hat vieles verändert.

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Die drei Jugendlichen wären sich in der Ukraine vielleicht nie begegnet. Seit sieben Monaten leben Asija Amama, Kira Shneider und Maksim Kuzmenko (12 Jahre) in Konstanz. Die Scheu vor der deutschen Sprache haben sie abgelegt: Sprechen, Verstehen, jeden Tag neu.

„Mir gefällt der Unterricht in Deutschland sogar besser als in der Ukraine“, sagt die 13-jährige Kira, die aus Kramatorsk in der Ostukraine stammt. Sie nennt den Biologieunterricht als Beispiel, hier hätten sie Experimente gemacht. In der Ukraine gehe es theoretischer zu, es werde viel geschrieben.

Weniger Hausaufgaben als in der Ukraine

Die 15-jährige Asija aus Zaporizhje versteht in diesem Zusammenhang einiges nicht: Es heiße, in Westeuropa sei das Bildungsniveau höher. Hier in Deutschland gebe es aber weniger Hausaufgaben als in der Ukraine, der Druck sei geringer. Wie passt das zusammen? In jedem Fall gefalle ihr die Vielzahl an Chancen, die das Bildungssystem bereithalte: Man könne studieren oder eine Ausbildung machen oder beides nacheinander.

Maksim, der aus Chernigov stammt, gefällt die Ausstattung der Schule gut: Alles, zum Beispiel die Rechner, sei ein wenig neuer als er es aus der Ukraine kenne. Und dann haben die beiden Mädchen noch einen Tipp für deutsche Lehrer bereit: Sie dürften ein bisschen strenger sein, um ihre Schüler zu mehr Leistung anzuregen.

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Das erste Ziel der Internationalen Klassen besteht genau darin: „Es ist das Ziel, alle zu integrieren“, sagt Alexandra Llosa-Palomares, Lehrerin und Koordinatorin der IK an der GSS. Eine der drei Klassen diene als „sicherer Hafen“, dort unterrichten russischsprachige Kollegen – und die ukrainischen Schüler haben Gelegenheit, in Ruhe an der deutschen Schule anzukommen.

Eine weitere IK besteht fast ausschließlich aus ukrainischen Schülern, die dritte ist gemischt mit Schülern aus unterschiedlichen Nationen. Der Schwerpunkt liegt auf der Sprache Deutsch, Unterricht in Mathe und Englisch soll bald ergänzt werden. Das Konzept für die IK habe die GSS aus der inzwischen geschlossenen Werkrealschule übernommen, erklärt Georg Herrenknecht, Rektor der Realschule an der GSS.

Fast 270 ukrainische Schüler lernen in Konstanz

Derzeit lernen 313 Schüler in Vorbereitungsklassen, sagt Frank Raddatz, Rektor der Theodor-Heuss-Schule und zuständig für die VLK-Klassen, davon seien 172 an Grundschulen, 104 Schüler an weiterführenden Schulen. 37 Schüler an Gymnasien besuchen eine VKL-Klasse. Insgesamt seien 268 ukrainische Schüler an Konstanzer Schulen, „die meisten davon in VKL-, einige in Regelklassen“.

Über das schnelle Anwachsen der Zahl der VKL-Klassen ist Raddatz selbst ein wenig erstaunt. „Die Schulen haben bereitwillig und unkompliziert eine große Menge dieser Klassen eingerichtet“, sagt er. Auch die Versorgung mit Lehrkräften sei im Moment gesichert, das Schulamt habe großzügig Lehrer eingestellt, die entweder eine Deutsch-als Fremdsprache-Ausbildung haben oder andere, die die Voraussetzung für das reguläre Lehramt nicht erfüllen.

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Trotzdem herrscht Knappheit: Am dringendsten würden im Moment Räume gebraucht, sagt Raddatz, die Schulhäuser hätten keine Kapazitäten mehr für weitere Klassen. Es sei jetzt schon absehbar, dass weitere Klassen gebildet werden müssten – daher sei er dankbar für jedes Angebot an Räumen, etwa von Kirchengemeinden. Während Lehrer und Rektoren planen, beschäftigen sich ihre Schüler weiter mit dem Ankommen und Einleben.

Sie sei froh, dass die Lehrer hinter ihnen stünden, sagt Kira, auch wenn mal eine unangenehme Bemerkung vonseiten eines Schülers falle. Trotz der guten Atmosphäre an der Schule – Zuhause ist es eben nicht. „Hier ist alles schön, aber in der Ukraine ist alles Heimat: Papa, die Freunde, meine Hobbys. Wenn ich mir vorstelle, dass alles zuhause zerstört ist...“ Da laufen der 13-Jährigen die Tränen übers Gesicht.

Natürlich geht es darum, dass die Schülerinnen und Schüler rasch Deutsch lernen und im besten Fall bald in Regelklassen wechseln können. Doch das ist nur die eine Seite, so sieht es Lehrerin Alexandra Llosa-Palomares. Wichtiger sei, dass sich die Schüler hier sicher fühlten. Sicher vor dem Krieg, aber auch sicher vor Diskriminierung. Gelingt dies, ist es ganz im Sinne der Schule, die so weit von ihrer Heimat entfernt ist.