Corona-Pandemie, Lehrermangel – die Schulen hatten es zuletzt schon nicht einfach. Im neuen Schuljahr kommt nun noch eine weitere Herausforderung auf sie zu: Denn in Folge des Ukraine-Krieges fliehen immer mehr Menschen aus dem umkämpften Land auch in den Landkreis Konstanz, darunter viele Kinder und Jugendlichen, die betreut werden müssen.
Denn für sie gilt Schulpflicht, wie der Stockacher Hauptamtsleiter Hubert Walk betont. Umgesetzt wird diese durch ein Konzept, in dem sie parallel Deutsch lernen und am Unterricht teilhaben – mithilfe sogenannter Vorbereitungsklassen (VKL-Klassen).
Schulverbund arbeitet schon lange mit dem System
Am Schulverbund Nellenburg gibt es diese bereits seit mehr als zehn Jahren, wie Konrektorin Tina Sorga berichtet. So habe man über lange Zeit schon ein Konzept für nicht-deutschsprachige Kinder entwickeln können – das jetzt auch nicht nur bei Ukraine-Flüchtlingen angewandt wird. „In den VKL-Klassen finden sich bei uns Kinder aus zehn Nationen“, erklärt Tina Sorga. Den größten Anteil machen zwar Ukrainer aus, aber es gebe auch Kinder aus Syrien, Afghanistan, Rumänien, der Türkei, Italien, Bosnien, Kroatien, Serbien und Albanien.
Zu Beginn stehe ein Gespräch zwischen den betroffenen Schülern und Eltern an. Der Nellenburg-Schulverbund sei dabei ebenso wie das Gymnasium für Kinder zwischen elf und 15 Jahren zuständig – sind sie jünger, werden sie an der Grundschule betreut, sind sie älter, müssen sie sich bei der Berufsschule melden.
Wie die Klassen funktionieren
Im Gespräch stellen sich die Kinder vor und es wird besprochen, woher sie kommen, wie viele Schuljahre sie schon besucht haben, wie ihre bisherigen schulischen Leistungen waren und was sie in den vergangenen Jahren erlebt haben, so Sorga. Je nach dem, aus welchen Ländern sie nach Deutschland gekommen sind, hätten sie zum Beispiel noch nie eine Schule besucht oder könnten keine Zeugnisse vorlegen.
Fängt dann der Unterricht an, lernen die Kinder und Jugendlichen in den VKL-Klassen Deutsch und werden bei Bedarf alphabetisiert. Tina Sorga erklärt, wie das funktioniert: So werden zum Beispiel deutsche Umlaute sowie die Grammatik gelehrt oder mit Kindern, die noch nie einen Stift in der Hand hatten, das Schreiben geübt.
Betreuung funktioniert sehr flexibel
Ist diese erste Hürde genommen, geht es für sie weiter einen sogenannten A1-Kurs mit erhöhter Schwierigkeit, und von dort aus dann in einen A2-Kurs, „da ist dann auch die Demokratiebildung fest verankert“, so Tina Sorga.
Ist dieser auch abgeschlossen, können sie im Anschluss weiterhin die Unterstützung der Schule durch einen Förderkurs in Anspruch nehmen. „Wir lassen sie da nicht fallen“, betont die Konrektorin. Wie schnell die Schüler von einem Kurs in den nächsten aufsteigen, hänge vom individuellen Können ab. „Wir sind da völlig flexibel“, sagt Sorga.
Die VKL-Klassen sind jedoch nicht die einzigen Unterrichtseinheiten, die die Schüler besuchen. Stattdessen nehmen sie auch an den übrigen Fächern wie Mathe, Englisch, Kunst, Sport und Musik teil – auch, um den Anschluss zu den Mitschülern nicht verlieren, erklärt Tina Sorga. „Wir schauen, dass sie eine Stammklasse haben.“ Dort werden ihnen auch Schülerpartner zugeteilt, die sie unterstützen können.
Gymnasium fehlt eine Lehrkraft
Am Gymnasium funktioniert die Betreuung nicht-deutschsprachiger Kinder und Jugendlicher ähnlich. Allerdings gab es laut Schulleiter Holger Seitz im vergangenen Schuljahr noch keine VKL-Klasse, sondern eine Sprachfördergruppe für fünf nicht-deutschsprachige Schüler.
Auch dort hätten die Schüler den normalen Unterricht besucht und nachmittags die Fördergruppe, um Deutsch zu lernen. „Wir setzen auf soziale Integration, das tut den Kindern gut“, begründet der Schulleiter. Und auch am Gymnasium gebe es dabei eine Art Schülerpartnersystem. So könnten Schüler in den Regelklassen, die Russisch sprechen, zum Beispiel ukrainischen Geflüchteten bei der Verständigung helfen.
Allerdings sei im kommenden Schuljahr eine leichte Änderung geplant: Zum einen soll es nun keine Sprachfördergruppe, sondern eine VKL-Klasse geben, zu betreuen seien darin in diesem Jahr nämlich ganze 18 Kinder, „fast ausschließlich Ukrainer“, so Seitz.
Zum anderen sollen die Deutschkurse in den Vormittag gelegt werden, um die Schüler weniger zu belasten. Sie sollen aber weiterhin sowohl die VKL-Klasse, als auch den regulären Unterricht besuchen. Das Problem: Seitz fehlt es an einer Lehrkraft für die Vorbereitungsklasse. Gesucht sei noch jemand, der 25 Stunden pro Woche die Sprachkurse anbietet.
Eine VKL-Klasse für Ukrainer
An der Stockacher Grundschule steht bereits fest, wie die nicht-deutschsprachigen Kinder betreut werden. So sei eine Kollegin für eine VKL-Klasse zuständig, in der sich ausschließlich ukrainische Geflüchtete befinden, da sie selbst russischstämmig sei und mit den Kindern kommunizieren könne. Eine andere Kollegin betreue weitere Kinder – denn an der Grundschule gibt es laut Hartmann zum Beispiel auch Schüler aus Afghanistan und dem Irak.
Wie an den anderen Stockacher Schulen nehmen die Kinder sowohl am Regelunterricht teil, als auch an den Sprachkursen in den VKL-Klassen, die an der Grundschule ein bis zwei Stunden pro Tag umfassen. „Ein integratives Konzept“, nennt Sonja Hartmann das System. Herausfordernd sei für die Lehrer in diesem Jahr die Menge an Erstklässlern. Normal seien 90 Kinder pro Jahrgang, nun seien es 105 – nach aktuellem Stand kommen sieben davon Stand Donnerstag aus der Ukraine. „Aber die Zahlen ändern sich täglich“, so die Grundschulrektorin.