Die Leerstände in der Konstanzer Innenstadt sind offenkundig. Die Gründe für die Geschäftsaufgaben sind vielschichtig: Einige haben die Lockdowns nicht überstanden, andere wollen sich beruflich neu orientieren oder geben altershalber auf. Nicht alles ist der Pandemie anzulasten, aber – das bestätigen Immobilienfachleute – Interessenten stehen nicht mehr Schlange.

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Etwa dreißig Leerstände gebe es in der Konstanzer Altstadt, schätzt Beate Behrens, Leiterin der Wirtschaftsförderung der Stadt Konstanz. Das klinge erst einmal viel, müsse aber mit der Gesamtzahl an Betrieben ins Verhältnis gesetzt werden. Insgesamt gebe es nämlich rund 450 Ladengeschäfte und 400 Gastronomiebetriebe in ganz Konstanz.

Münzgasse 18: Hier war fast vier Jahrzehnte lang das Restaurant Radieschen. Seit der Schließung vor einigen Monaten scheint sich nichts ...
Münzgasse 18: Hier war fast vier Jahrzehnte lang das Restaurant Radieschen. Seit der Schließung vor einigen Monaten scheint sich nichts getan zu haben. | Bild: Greta Seeburger
Fischmarkt 9: Bis vor Kurzem gab es hier noch den Laden Zeeman. Wie geht es jetzt wohl weiter?
Fischmarkt 9: Bis vor Kurzem gab es hier noch den Laden Zeeman. Wie geht es jetzt wohl weiter? | Bild: Hanser, Oliver

Dennoch kenne man so eine Situation aus Konstanz eigentlich nicht. „Nach zwei Jahren Pandemie ist das zwar nicht verwunderlich, aber wir müssen den Markt trotzdem sehr genau beobachten und uns um unsere Innenstadt sorgen“, so Beate Behrens.

Die Anfragen nach freien Ladenflächen in der Konstanzer Innenstadt würden weniger. Die Wirtschaftsförderung sei im Kontakt mit den Eigentümern und versuche, diese zu unterstützen, unter anderem auch durch Beklebung der Schaufensterflächen.

Hussenstraße 20: Durch solche Hingucker versuchen manche Makler und Ladenbesitzer, Nachmieter anzuwerben.
Hussenstraße 20: Durch solche Hingucker versuchen manche Makler und Ladenbesitzer, Nachmieter anzuwerben. | Bild: Hanser, Oliver

Doch neben diesem kreativ genutzten Schaufenster sind in weiteren Geschäften der Hussenstraße nur leere Auslagen zu sehen.

Hussenstraße 18: Einst war hier ein Bekleidungsgeschäft, dieses ist inzwischen umgezogen.
Hussenstraße 18: Einst war hier ein Bekleidungsgeschäft, dieses ist inzwischen umgezogen. | Bild: Hanser, Oliver
Hussenstraße 16: Auch dieses Bekleidungsgeschäft ist nicht mehr in den Räumlichkeiten zu finden.
Hussenstraße 16: Auch dieses Bekleidungsgeschäft ist nicht mehr in den Räumlichkeiten zu finden. | Bild: Hanser, Oliver
Hussenstraße 13: Hier war früher das Schreibwarengeschäft Paper Moon Petit zu finden. Jetzt steht der Laden neben dem Rathauseingang leer.
Hussenstraße 13: Hier war früher das Schreibwarengeschäft Paper Moon Petit zu finden. Jetzt steht der Laden neben dem Rathauseingang leer. | Bild: Hanser, Oliver
Hussenstraße 11: Früher war hier ein Mobiltelefongeschäft zu finden.
Hussenstraße 11: Früher war hier ein Mobiltelefongeschäft zu finden. | Bild: Hanser, Oliver

Trotz allem stehe Konstanz – was die Anzahl der Leerstände angehe – im Vergleich zu vielen anderen Städten noch relativ gut da, äußert Beate Behrens. Monate- oder sogar jahrelange Leerstände wie andernorts wären hier noch nicht zu beobachten; es sei zu hoffen, dass dies auch so bleibe.

„Die Explosion der Nebenkosten wird kommen“

Das können Konstanzer Immobilienfachleute zwar bestätigen, mahnen allerdings, dass sich die Situation rasch ändern könne. „Man geht durch die Stadt und sieht, welche Geschäfte schließen. Nach wie vor herrscht Unruhe“, sagt beispielsweise Immobilien-Fachmann Matthias Mende. Nicht zu vergessen sei: „Die Explosion der Nebenkosten wird kommen“, so Mende. „Wir wissen nicht, wie es weitergeht.“

Kanzleistraße 6: Räumungsverkäufe sind in der Konstanzer Innenstadt momentan keine Seltenheit. Diese Modekette schließt bundesweit 79 ...
Kanzleistraße 6: Räumungsverkäufe sind in der Konstanzer Innenstadt momentan keine Seltenheit. Diese Modekette schließt bundesweit 79 Filialen. | Bild: Greta Seeburger
Paradiesstraße 13: Auch bei Kim+Friends steht in großen Buchstaben „Räumungsverkauf“ auf dem Schaufenster.
Paradiesstraße 13: Auch bei Kim+Friends steht in großen Buchstaben „Räumungsverkauf“ auf dem Schaufenster. | Bild: Greta Seeburger

Zwar habe Konstanz einen Bonus gegenüber anderen Städten, aber es sei noch nicht absehbar, wie sich die Nachfrage entwickeln werde. Dies gelte nicht nur für Mietinteressenten, sondern auch für die Schweizer Kundschaft, welche die innerstädtische Wirtschaft brauche, um bestehen zu können. „Wechselkurs und Mehrwertsteuerrückerstattung spielen da auch eine Rolle“, erklärt Mende.

Marktstätte 3: Selbst in bester Lage sind leere Schaufenster zu finden. Immerhin scheint sich schon ein Nachmieter gefunden zu haben. ...
Marktstätte 3: Selbst in bester Lage sind leere Schaufenster zu finden. Immerhin scheint sich schon ein Nachmieter gefunden zu haben. Geplant ist hier wohl ein Gastronomiebetrieb. | Bild: Hanser, Oliver
Augustinerplatz 7: Leerstand und Umbau der früheren Rosgarten-Apotheke. Auch hier soll ein Gastronomiebetrieb einziehen.
Augustinerplatz 7: Leerstand und Umbau der früheren Rosgarten-Apotheke. Auch hier soll ein Gastronomiebetrieb einziehen. | Bild: Hanser, Oliver

Dass Konstanz ein hochpreisiges Pflaster ist, gerade was den Immobiliensektor anbelangt, ist bundesweit bekannt. Für Immobilienwirt Thomas Vogler von Haus & Grund Immobilien GmbH steht fest: „Die Mieten, die vor Corona verlangt wurden, bekommt man nicht mehr durchgesetzt.“

„Die Neugasse packt es nicht. Gähnende Leere.“

Die Makler seien darauf bedacht, die Vermieter entsprechend zu beraten und Lösungen herbeizuführen, denn: „Leerstand ist immer schlecht“, so Vogler. Seine Prämisse: Lieber einen soliden regionalen Mieter, der vielleicht nicht eine ganz so hohe Pacht zahle, als eine Kette, die einen exorbitanten Preis zahle, dafür aber später die Miete drücken wolle oder hohe Ansprüche an die Ausstattung stelle.

Kanzleistraße 7: Seit Yves Rocher diesen Top-Standort verlassen hat, steht auch die Geschäftsfläche leer.
Kanzleistraße 7: Seit Yves Rocher diesen Top-Standort verlassen hat, steht auch die Geschäftsfläche leer. | Bild: Greta Seeburger

„Wenn jetzt ein Eigentümer für ein Objekt in Top-Lage 100 Euro pro Quadratmeter will – solch exorbitante Mieten bekommt man heute nicht mehr durchgesetzt“, gibt Sven Schäfer, geschäftsführender Gesellschafter von Engel & Völkers Konstanz, ein Beispiel. Lediglich „faire Preise, die immer noch hoch sind, bekommt man noch durch“.

Inselgasse 18: An dieser Stelle ist wohl ein Coworkingspace und Gastronomie geplant, wie einem Baufreigabeschein am Eingang zu entnehmen ...
Inselgasse 18: An dieser Stelle ist wohl ein Coworkingspace und Gastronomie geplant, wie einem Baufreigabeschein am Eingang zu entnehmen ist. Auch diese Ladenfläche in der Niederburg wurde lange Zeit nicht genutzt. | Bild: Greta Seeburger

Für Sven Schäfer steht fest: „Es gibt eine Marktbereinigung.“ Wichtig für das Konstanzer Stadtbild seien die inhabergeführten Fachgeschäfte.

Katzgasse 2: Hier war jahrzehntelang Mode Schönig domiziliert. Die Betreiber haben Ende März ihren Laden geschlossen.
Katzgasse 2: Hier war jahrzehntelang Mode Schönig domiziliert. Die Betreiber haben Ende März ihren Laden geschlossen. | Bild: Greta Seeburger

Schäfer beobachtet mit Sorge: „Die Neugasse packt es nicht. Gähnende Leere.“

Neugasse 1: Gähnende Leere in der Neugasse. Dort haben gleich mehrere nebeneinanderliegende Geschäfte geschlossen.
Neugasse 1: Gähnende Leere in der Neugasse. Dort haben gleich mehrere nebeneinanderliegende Geschäfte geschlossen. | Bild: Hanser, Oliver
Neugasse 3
Neugasse 3 | Bild: Hanser, Oliver
Neugasse 5
Neugasse 5 | Bild: Hanser, Oliver

Wichtig sei, dass sich die Eigentümer der neuen Situation anpassten und „nicht den letzten Cent“ von den Mietern herauspressten. „Dann funktioniert es“, ist Sven Schäfer überzeugt. Während Beispiel Fonds und Versicherungen auf Bonität und Rendite aus wären, seien Konstanzer Eigentümer eher darauf bedacht, dass das Stadtbild erhalten bleibe.

Neugasse 18: Hier findet ein Räumungsverkauf statt. Auch diesen Laden wird es hier bald nicht mehr geben.
Neugasse 18: Hier findet ein Räumungsverkauf statt. Auch diesen Laden wird es hier bald nicht mehr geben. | Bild: Hanser, Oliver

Tatsächlich gebe es auch kulante Vermieter. Matthias Mende gibt mit einem Friseursalon – eine Branche, die von den Lockdowns und den Corona-Auflagen besonders betroffen war – ein konkretes Beispiel. „Es handelt sich um einen Ein-Frau-Salon“, schildert Mende und erläutert: „Mit dem Eigentümer haben wir uns geeinigt. Er hat die Pacht um ein Drittel reduziert und keine Nachforderung gestellt, denn ihm war es wichtig, einen soliden Mieter zu haben, statt eines Wechsels.“