Konstanzer Händler und Gastronomen haben die Nase voll. Viele kämpfen um ihre Existenz, blicken mit Sorge in die Zukunft und fühlen sich von Politik und Verwaltung ein Stück weit im Stich gelassen. Dem Unmut der Mitglieder hat der Treffpunkt Konstanz als Interessensgemeinschaft des Konstanzer Handels jetzt in einem Brief an Stadtspitze, Verwaltung und Gemeinderat Ausdruck verliehen.

Darin heißt es unter anderem: „Die Signale, die wir aus der Politik und der Verwaltung erhalten, sind immer willkürlicher. Es fehlt an verlässlichen Zusagen für die Zukunft.“ Und eben dies sei die Basis für jeden Unternehmer, um seine Entscheidungen treffen zu können.

Visionen versus Realität

„Die wirtschaftliche Lage vieler Händler und Gastronomen ist verheerend“, stellt Daniel Hölzle, Vorsitzender des Treffpunkt Konstanz, fest. „Es werden viele Unternehmen nicht und ein großer Teil sehr angeschlagen überleben“, prognostiziert er.

Im Namen seiner Kollegen übt Daniel Hölzle in ungewohnter Deutlichkeit Kritik an Politik und Verwaltung: „Wir können oft nicht mehr feststellen, dass Entscheidungen und Aussagen vom Blick auf die Stadtentwicklung geprägt sind, sondern zunehmend nur noch dem Wunsch nach Veränderung des Mobilitätsverhaltens geschuldet sind. Hier täte vielen Beteiligten vielleicht ein bisschen mehr Demut und Realismus gut.“

Händler wüssten nur zu genau, dass durch Zwang und Reglementierung kein Kunde sein Verhalten ändern werde, vor allem dann nicht, wenn es bequemere Alternative gebe.

Auch in der Rosgartenstraße klafft mit der Schließung dieses Schuhgeschäfts eine Lücke.
Auch in der Rosgartenstraße klafft mit der Schließung dieses Schuhgeschäfts eine Lücke. | Bild: Oliver Hanser

Auf die Reihenfolge kommt es an

Die Treffpunkt-Mitgliedsgeschäfte, das steht für Daniel Hölzle außer Frage, tragen Maßnahmen zum Klimaschutz selbstverständlich mit; aber in Sachen Mobilitätswende werde der fünfte vor dem ersten Schritt getan, so Hölzle im SÜDKURIER-Interview. Nicht nur Geschäfte und Gastronomiebetriebe schlössen, „auch Ärzte verlassen die Innenstadt und suchen sich etwas, was besser erreichbar ist“, so Hölzle, der darauf hinweist: „So fällt ein Dominostein nach dem anderen.“ Nach einem kurzen Moment, während dem er sich eine Innenstadt mit wenigen Läden vorstellt, fügt er nachdenklich an: „Wer will schon durch ein Wohngebiet flanieren?“

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Schweizer Gäste sind zurückhaltend

Der Region sei insgesamt „aus der Pandemie besser und erfolgreicher herausgekommen als befürchtet“, stellt Claudius Marx, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Hochrhein-Bodensee fest, denn: „Die hohe Diversifizierung (Vielfalt) macht die Region resilient (widerstandfähig), obwohl sie durch die Grenzlage doppelt getroffen war.“

Aufgrund der unterschiedlichen und sich ständig ändernden Corona-Verordnungen seien die Schweizer verunsichert gewesen und lieber in ihrer Heimat geblieben. „Ein Zustand, der bis heute andauert“, so Marx, denn die Schweizer glänzten nach wie vor durch Zurückhaltung.

In der Neugasse in Konstanz reihen sich schon die Leerstände.
In der Neugasse in Konstanz reihen sich schon die Leerstände. | Bild: Hanser, Oliver

Auch wenn die Region – gesamtwirtschaftlich betrachtet – bislang noch relativ gut dastehe: „Für die Betroffenen war es hart“, sagt Claudius Marx. Zu den „Leidtragenden“ zählt er nicht nur Handel und Gastronomie, sondern auch Friseure, Fahrschulen und derlei Dienstleistungsbranchen mehr. Der stationäre Handel stehe vor großen Herausforderungen und Schwierigkeiten. „Das kann man aber nicht nur dem Virus in die Schuhe schieben“, so Marx, denn: „Es wäre eine Illusion, zu glauben, dass, wenn das Virus weg wäre, plötzlich alles gut ist.“

Rascher Wandel des Einkaufsverhaltens

Das Einkaufsverhalten habe sich während der Pandemie beschleunigt verändert, womit Marx auf den boomenden Online-Handel zu sprechen kommt. „Alles, was wir zum Leben brauchen, bekommen wir direkt ins Haus geliefert“, fasst er zusammen, wobei er Lebensmittel, Bekleidung und Kultur (Streamingdienste) als Beispiele nennt. Dagegen müsse sich eine Stadt nun behaupten. Was aber mache nun eine Innenstadt so attraktiv, dass die Menschen wieder ihr Haus verlassen, um einkaufen zu gehen?

Attraktivität beginnt am Stadteingang

„Die Attraktivität einer Stadt darf nicht erst an der Ladentür beginnen“, sagt Claudius Marx klar und deutlich. Es gehe schon um den Weg dorthin, der solle Vergnügen bereiten. „Stau, lange Parkplatzsuche, Blitzer…“ – da überlege sich manch einer eine komfortablere Alternative. „Ich bin ein Freund der Idee der autofreien Innenstadt“, daran lässt Claudius Marx keinen Zweifel. „Aber das macht man nicht durch Verbotsschilder. Auto und Fahrer sollte man nicht vergraulen, sondern einen Ort definieren, wo man beide voneinander trennen kann, und ein attraktives Angebot schaffen, wie der Kunde zu seinem Ziel kommt.“

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Veränderung ja, aber nicht unter Zwang

Die Konstanzer Altstadt sei wie im Bilderbuch definiert. Am Döbele könnten mit einem Parkhaus die Schweizer Besucher direkt abgefangen werden und hätten nur wenige Meter zu Fuß in die Innenstadt. Das wertet Marx als geradezu „ideal“, wie der Treffpunkt übrigens auch, der ein Parkhaus an der dortigen Stelle schon seit vielen Jahren vergeblich fordert. Das Vorhaben der Stadt, auf dem Parkplatz Bodenseeforum die Besucher vom rechtsrheinischen Teil zum Umstieg auf den ÖPNV zu bewegen, findet er gut, aber das müsse einfach und komfortabel gelöst werden, denn: „Für den Fahrplan braucht man das Abi.“

Mit attraktiven Angeboten, beispielsweise mit einem Wassertaxi, könnten die Besucher zum Umstieg auf den ÖPNV bewegt werde, findet ...
Mit attraktiven Angeboten, beispielsweise mit einem Wassertaxi, könnten die Besucher zum Umstieg auf den ÖPNV bewegt werde, findet Claudius Marx, Hauptgeschäftsführer IHK Hochrhein-Bodensee. | Bild: Aurelia Scherrer

Veränderung ja, aber nicht schlagartig und nicht unter Zwang, ist Marx überzeugt. Es könne nicht angehen, den Anwohnern Parkplätze wegzunehmen, ohne ein Angebot wie beispielsweise eine Quartiers-Garage zu schaffen. Es sei ein Trugschluss, dass durch die Verknappung des Angebots die Autos verschwinden würden. Hingegen sollten attraktive Alternativen geschaffen werden, die Lust machten, das Auto stehen zu lassen. Marx schaut über den Seerhein, spricht davon, „herauszustellen, was andere nicht haben“ und nimmt das Beispiel Wassertaxi, das seiner Ansicht nach in einer raschen Taktung verschiedene Punkte am Seerhein bis in die Innenstadt verbinden sollte.

Sonst bleiben die Gäste aus

Gerade aufgrund der Pandemie hätten die Menschen das Auto bevorzugt, weil sie das Ansteckungsrisiko minimieren wollten, berichtet Thomas Swieca, Direktor des Steigenberger Inselhotels, zumal „die Bahn ohnehin ein schwieriges Thema ist“. Etwa 85 bis 90 Prozent der Inselhotel-Gäste reisten mit dem Auto an. „Wir sind in der glücklichen Lage, 88 Parkplätze bei uns am Haus zu haben, die auch von Konstanzern und Schweizer Gästen genutzt werden“, erzählt Swieca und merkt an, dass Kollegen, die über keine eigenen Stellplätze verfügten, ein großes Problem hätten. „Parken ist gerade für den Einzelhandel ein wichtiges Thema, denn man kann nicht verlangen, dass sich die Kunden mit schweren Tüten in ein Restaurant setzen oder einen Kilometer oder mehr zum Parkplatz laufen“, gibt er ein Beispiel. Auch Swieca plädiert für ein Parkhaus auf dem Döbele. Fielen solche Parkmöglichkeiten weg, davon ist Thomas Swieca überzeugt, dann „bleiben die Gäste aus“.

Fielen weitere Parkmöglichkeiten weg, davon ist Thomas Swieca, Direktor des Steigenberger Inselhotels, überzeugt, dann „bleiben ...
Fielen weitere Parkmöglichkeiten weg, davon ist Thomas Swieca, Direktor des Steigenberger Inselhotels, überzeugt, dann „bleiben die Gäste aus“. | Bild: Aurelia Scherrer

Thomas Vogler, Immobilienwirt bei Haus & Grund, ist der gleichen Ansicht und blickt nach Singen: „Dort wird ein Parkhaus in der Bahnhofstraße gebaut und damit eine weitere Möglichkeit geschaffen, zentrumsnah zu parken.“ Die Kunden gelangten direkt ins Zentrum und könnten in den Fußgängerzonen bummeln. „Das macht doch Sinn“, wertet Vogler, der sagt: „Das dürfte ein wesentlicher Grund sein, warum es in Singen weniger Leerstände gibt als in Konstanz.“