Handgranaten, Stabbrandbomben, Phosphorbrandbomben, Sprengbomben und sogar ein Torpedo wurden bereits aus den (Un-)Tiefen des Bodensees geborgen. Gerade bei Niedrigwasser erhöhen sich die Risiken solcher Funde, zu denen der Kampfmittelbeseitigungsdienst gerufen wird. Die Experten müssen aber seit rund zwei Jahren öfter anrücken.

Mathias Peterle, Truppführer in der Kampfmittelbeseitigung, spricht von einem Phänomen. „Seit dem Lockdown haben andere Hobbys, wie beispielsweise das Magnetangeln, stark zugenommen. Fast täglich bekommen wir einen Anruf, dass jemand etwas Merkwürdiges gefunden hat. Nicht selten handelt es sich dabei um Munition.“

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Dass das Potenzial der noch nicht geborgenen Funde im östlichen Teil des Bodensees ungleich höher ist als im Westen, liegt auf der Hand. Schließlich wurde im Zweiten Weltkrieg die Ostseite heftig bombardiert. Konstanz hatte aufgrund der Nähe zur Schweiz Glück und wurde nicht bombardiert.

„Meines Wissens gab es dort nahezu keine Kampfhandlungen“, so Mathias Peterle, so dass Munitionsfunde aus dem Zweiten Weltkrieg eher selten seien. Dennoch sei es möglich, dass runde Munition, wie beispielsweise Handgranaten, mit der Strömung mitgezogen würde und über den Grund rolle. Bei Niedrigwasser kämen diese dann eher zum Vorschein.

Waffen und Munition? Hauptsache weg damit!

Jedoch seien noch mehr Waffen und Munition aus dem Zweiten Weltkrieg auch in Konstanz nicht auszuschließen. „Soldaten der Wehrmacht sind Richtung Konstanz geflüchtet, um unterzutauchen“, erläutert Jürgen Klöckler, Leiter des Konstanzer Stadtarchivs. Auf der Flucht hätten sie Waffen und Munition einfach weggeworfen, ob ins nächste Gebüsch oder in ein Gewässer. Hauptsache weg damit.

Jürgen Klöckler, Leiter des Stadtarchivs Konstanz, berichtet vom sorglosen Umgang mit Waffen und Munition in der Nachkriegszeit.
Jürgen Klöckler, Leiter des Stadtarchivs Konstanz, berichtet vom sorglosen Umgang mit Waffen und Munition in der Nachkriegszeit. | Bild: Timm Lechler

„Mein Vater hat mir erzählt, dass er, als er etwa 15 Jahre alt war, Munition gefunden hat“, erzählt der Stadtarchivar. Die Lausbuben hätten „das Pulver rausgenommen und Feuerwerk gemacht“. Nichts Ungewöhnliches für die damalige Zeit, denn „die Gesellschaft war kriegsgeprägt“, so Klöckler über den nonchalanten Umgang mit explosivem Material.

Waffen und Munition waren etwas Normales und hätten dazugehört. Schließlich dürfe man nicht vergessen, dass vor dem Zweiten Weltkrieg eine systematische Militarisierung der kompletten Gesellschaft stattgefunden habe, so der Historiker. „Jeder ist mit Waffen in Kontakt gekommen.“

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Niedrigwasser im Jahr 2003 förderte viel zutage

Bei der aktuellen Niedrigwasserlage im Bodensee steigt das Risiko solcher Funde. Dennoch müsste der Kampfmittelbeseitigungsdienst so oft ausrücken, wie sonst auch, so Mathias Peterle, der von durchschnittlich fünf bis acht Mal pro Jahr spricht. Das Jahr 2003 mit dem unvergessenen Hitzesommer mitsamt Niedrigwasser bildete eine Ausnahme.

„In den Sommermonaten sind wir zwei Mal in der Woche im Einsatz gewesen. Von Sprengbombenfunden im relativ flachen Wasser über Handgranaten bis hin zu Phosphorbrandbomben und Stabbrandbomben war so ziemlich alles dabei“, erinnert sich Peterle.

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Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Waffen und Munition von den Besatzungsmächten entsorgt. Und wie? „Es gab Versenkungsstellen der Streitkräfte“, erzählt Mathias Peterle. Seinerzeit sei es gang und gäbe gewesen, LKW-Ladungen von Brücken einfach in Gewässern zu versenken.

„Grob weiß man, wo die Versenkungsstellen sind. Diese Gewässer werden immer mal wieder abgetaucht“, berichtet Mathias Peterle. „In Konstanz ist das eher weniger der Fall gewesen.“ Die größte Stadt am Bodensee zähle nicht zu den Hotspots.

Die Besatzungsmacht – in Konstanz die Franzosen – habe die Waffen der Deutschen eingesammelt, stellt Jürgen Klöckler fest. „Um sie schnell loszuwerden und unschädlich zu machen, wurden sie gerade in kleinen Seen, am besten noch Moorseen, auf einfache und billige Weise entsorgt“, berichtet er und fügt an: „Da liegt es zum Teil bis zum heutigen Tag.“

Hobbytaucher und Magnet-Angler: Finger weg!

Glück gehabt hat der Magnet-Angler mit seinem heißen Fang. Die Handgranate war noch scharf, wie der Kampfmittelbeseitigungsdienst feststellte. Was ist zu tun, wenn beispielsweise ein Taucher Verdächtiges findet? „Finger weg!“, sagt Mathias Peterle. Taucher sollten „die Stelle markieren und der zuständigen Wasserschutzpolizei Bescheid geben“, erläutert er.

Diese schickten zunächst ihre eigenen, entsprechend ausgebildeten Taucher zur Erkundung. „Wenn es den Verdacht gibt, dass es sich um Kampfmittel handeln könnte, werden wir verständigt.“ Die Experten würden je nach Gefährdungspotenzial das Kampfmittel vor Ort entschärfen oder sprengen oder bergen und abtransportieren.

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DLRG Konstanz weiß, wie es richtig geht

„Schusswaffen haben wir schon ein oder zwei Mal gehabt“, berichtet Clemens Menge, Vorsitzender der DLRG Konstanz. Seit Jahrzehnten hat die Seeputzete in Konstanz bei DLRG und Feuerwehr Tradition. Einmal jährlich suchen Rettungstaucher den Konstanzer Trichter und den Seerhein nach Müll ab. „Munition, Messer und Säbel sind uns schon untergekommen“, erzählt Menge, „aber an Handgranaten kann ich mich nicht erinnern.“

(Archivbild) DLRG Konstanz und Feuerwehr tauchen im Rahmen der jährlichen Seeputzete immer den Grund des Seerheins ab. Haben sie auch ...
(Archivbild) DLRG Konstanz und Feuerwehr tauchen im Rahmen der jährlichen Seeputzete immer den Grund des Seerheins ab. Haben sie auch Waffen gefunden? | Bild: Scherrer, Aurelia | SK-Archiv

Wie würden die Rettungstaucher handeln, wenn sie eine Granate fänden? „Finger weglassen und die Wasserschutzpolizei informieren. Das ist eine Nummer zu heiß für uns“, sagt Clemens Menge geradeheraus. „Das wäre dann eine Sache für Spezialkräfte. Aber den Fall hatten wir noch nicht.“

Und wie sind die Taucher bei den gefundenen Schusswaffen vorgegangen? „In der Vergangenheit hatten wir bei unseren Tauchern Polizisten, die sich damit auskannten“, so Menge. Die Schusswaffen wären vorsichtig hochgeholt und an Land an die Experten übergeben worden.