Eigentlich haben die beiden Männer, die an diesem Tag auf Einladung des SÜDKURIER miteinander streiten sollen, ziemlich viel gemeinsam: Sebastian Lederer, 25 Jahre und aus Konstanz, will für die Grünen in den Bundestag. Er liebt Tiere, lebt vegan und der Erhalt der Natur ist ihm ein Herzensanliegen. Stefan Leichenauer, 43 Jahre und aus Tengen, hat einen Arbeitsplatz, der naturnäher nicht sein könnte.

Bild 1: Grüner Bundestagskandidat Sebastian Lederer trifft Tengener Landwirt Stefan Leichenauer: Showdown am Bullenstall
Bild: Eva Marie Stegmann

145 Hektar Land bewirtschaftet der Landwirt auf dem Lauterbach-Hof in Tengen-Uttenhofen, baut Weizen, Dinkel, Gerste an – und natürlich saftig grünes Futter für seine Mastbullen. Von den 145 Hektar seines Hofs sind sechs Hektar reine Bienenweide. 2020 war er Gewinner des Branchenpreises „Ceres Award“ als „Ackerbauer des Jahres“. Er ist einer, der seine Meinung sagt – und etwas bewegen will. Genau wie Sebastian Lederer.

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Stefan Leichenauer im Bullenstall mit seinem Sohn.
Stefan Leichenauer im Bullenstall mit seinem Sohn. | Bild: Eva Marie Stegmann
Sebastian Lederer will für die Grünen in den Bundestag.
Sebastian Lederer will für die Grünen in den Bundestag. | Bild: Eva Marie Stegmann

Der ist gelernter Handwerker und stolz darauf, dass er mit den Händen arbeitet. Aktuell studiert er, aber: „Wenn ich in den Bundestag gewählt werde, ist das Plan A. Es gibt so viel zu tun – das Klima kann nicht warten.“ Man merkt ihm an, dass er aus Überzeugung kandidiert. Er will den Klimawandel bekämpfen und ärgert sich, dass die Politik bisher versagt hat.

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Beginn einer langen Freundschaft?

Ist das vom SÜDKURIER initiierte Treffen der beiden der Beginn einer langen Freundschaft? Vielleicht. Jedenfalls aber ist es die ideale Kombination für das Streitgespräch, mit dem die Bundestagskandidaten aus der Region dieses Jahr vorgestellt werden sollen.

Die Bullen von Stefan Leichenauer leben vegan, das Futter ist selbst angebaut.
Die Bullen von Stefan Leichenauer leben vegan, das Futter ist selbst angebaut. | Bild: Eva Marie Stegmann

Zwischen den Grünen und Landwirten gibt es traditionell viele Streitpunkte: Bauern fühlen sich oft von den Vorschlägen und Regeln der Grünen und ihnen nahe stehender Verbände wie dem Nabu gegängelt – und etwa als diejenigen, die mit Pflanzenschutzmittel Natur zerstören, an den Pranger gestellt.

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„Wir nennen uns Hybridlandwirtschaft“

Treffpunkt ist mitten in den weiten Feldern von Stefan Leichenauer. Zwischen Ähren und wuchtigem Erntegerät klettern seine zwei Söhne und ein Cousin umher. Lederer in blauem, gebügeltem Hemd und Stoffhose, erwidert den festen Händedruck von Stefan Leichenauer. „Ich bin der Stefan“, sagt der joviale Mann in grüner Arbeitshose.

Erstes Treffen auf dem Feld: Rechts Sebastian Lederer, links Stefan Leichenauer.
Erstes Treffen auf dem Feld: Rechts Sebastian Lederer, links Stefan Leichenauer. | Bild: Eva Marie Stegmann

„Wir sind ein konventioneller Betrieb, wir machen Pflanzenschutz, aber wir nennen uns Hybridlandwirtschaft“, erklärt er. Kein Öko-Betrieb. „Für uns zählt Regionalität“, sagt er. Wo es gehe, verkaufe und erzeuge er regional.

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Dann deutet er auf drei sauber voneinander abgetrennte Felder, auf denen Dinkel wächst. In einem Testversuch gab es für eines der Felder gar keinen Pflanzenschutz, für das zweite wenig und für das dritte so viel wie üblich. Die Ernte? „Halb so viel wie sonst.“

Steiniger Boden als Nachteil

Ökolandwirtschaft lohne sich nicht für die Landwirte in der Region, sagt Leichenauer. „Das liegt mit am Boden.“ Der ist steinig. „Würden wir 10 Euro mehr für 100 Kilo Dinkel bekommen, könnte ich lustig leben und das Dinkelbrot beim Bäcker würde zwei Cent mehr kosten.“

Steiniger Boden.
Steiniger Boden. | Bild: Eva Marie Stegmann

Aber die Leute würden lieber billig beim Discounter kaufen. Überleben gehe derzeit nur mit Beihilfe der EU. „Ohne das“, sagt Leichenauer und zeigt auf seine Erntemaschinen, „würde ich jetzt das Nummernschild hier überall abschrauben und sagen: ‚Nehmt ihr‘s!‘“ Die EU-Gelder seien Quersubvention für billiges Essen. Der Grüne Lederer nickt: „Das sehe ich genauso. Die Preise für Erzeuger müssen steigen!“

Verständnis für die Situation

Aus Leichenauers Sicht kann er jetzt noch nicht auf Pflanzenschutz verzichten. Nicht, ohne das Überleben des Familienbetriebs zu gefährden.

Sebastian Lederer sagt: „Ich verstehe das, es muss sich einiges ändern: Bio-Bauern haben weniger Ertrag, das ist so. Aber wenn ich mir anschaue, wofür die meisten Flächen gebraucht werden: für die Tiere. Wenn ich billiges Fleisch will, brauch ich billiges Futter, da kann ich mir nicht leisten, weniger Ertrag zu haben. Da müssen wir gegensteuern.“ Massentierhaltung ist für den Grünen etwas, das abgeschafft gehört.

Etwa 30 Bullen hält Stefan Leichenauer. Ein Hofladen ein paar Dörfer weiter verkauft das Fleisch.
Etwa 30 Bullen hält Stefan Leichenauer. Ein Hofladen ein paar Dörfer weiter verkauft das Fleisch. | Bild: Eva Marie Stegmann

Die Diskussion der Männer wird zunehmend lebhafter. „Wir sind immer die Buh-Männer und stehen unter Generalverdacht“, ärgert sich Leichenauer. Nun sollen die Landwirte Schuld am Artensterben sein? „Wenn Sie in Berlin am morgen rausgehen, hören Sie keine Artenvielfalt. Wenn Sie hier morgens um 5 in Unterhose rausgehen, hören Sie Artenvielfalt. Es werden täglich 15 Hektar in Deutschland zugebaut. Da ist keine Biene mehr!“

Von links: Die zwei Leichenauer-Söhne Moritz und Nils und ein Cousin.
Von links: Die zwei Leichenauer-Söhne Moritz und Nils und ein Cousin. | Bild: Eva Marie Stegmann

Jetzt wechseln die beiden Männer zum Bullenstall. Dort nisten Schwalben, auch Fliegen, Käfer und Grashüpfer tummeln sich dort. Die Bullen sind nicht angebunden – nicht mehr.

Anbindestall ist passé

Während der Corona-Zeit hat Familie Leichenauer mit Freunden das Zuhause der Tiere umgebaut – der frühere Anbindestall ist passé. „Ich fände es gut, wenn sie Auslauf hätten“, sagt der Grüne. Bauer Leichenauer erklärt, dass man rollige Bullen nicht so einfach aufs Feld lassen könne, dazu bräuchte es mehr Platz, bessere Einzäunung, noch einen Stall.

Bild 9: Grüner Bundestagskandidat Sebastian Lederer trifft Tengener Landwirt Stefan Leichenauer: Showdown am Bullenstall
Bild: Eva Marie Stegmann

Der Grüne-Bundestagskandidat nickt: „Deshalb wollen wir Grüne auch den Tierschutz-Cent einführen auf tierische Produkte. Das Geld soll den Landwirten helfen, mehr Tierwohl zu ermöglichen, also genau solche Umbaumaßnahmen.“

Da fragt der Landwirt ihn direkt: „Was würdest du über das sagen, was ich hier auf meinem Hof mache?“ „Das ist schon gut, aber es geht besser – und da muss die Politik mit guten Gesetzen helfen. Ich finde es schwierig, dass immer alles schwarz und weiß ist, gut oder böse. Es gibt so viel dazwischen. Du bist nicht schwarz oder weiß, sondern grau. Öko-Landwirtschaft muss sich lohnen – die Preise müssen steigen. Es braucht grundlegende politische Änderungen, damit es sich lohnt, nachhaltige Landwirtschaft zu betreiben. Und dafür will ich mich einsetzen.“

Leichenauer fragt Lederer Video: Eva Marie Stegmann

Welche Art Kandidat Lederer sein will

Konkret ausformulierte Gesetze oder grammgenaue Ideen hat Sebastian Lederer nicht. So ein Kandidat möchte er auch gar nicht sein. Als der Landwirt ihn am Ende des Gesprächs fragt, was er für die Landwirte mit in den Bundestag nehmen würde, antwortet Lederer: „Ich bin kein Landwirt und ich würde je nach Thema die Bauern in der Region fragen, so wie dich.“ Eine Antwort, mit der Stefan Leichenauer zufrieden ist. Später, auf dem Rückweg, sagt Lederer auch, dass er die EU stark in der Pflicht sieht. Eine gemeinsame ökologische Agrarpolitik müsse her, mit klaren Regeln. Landwirte müssen bei den Entscheidungen unbedingt einbezogen werden.