Freitagnachmittag, vier Auszubildende sitzen am Tisch und schreiben ihre Berichte. „Das haben wir eingeführt, damit die Berichte nicht alle noch schnell kurz vor der Prüfung nachgetragen werden“, erläutert Andreas Brütsch, Inhaber des Stuckateurbetriebs Hermann Müller in Konstanz. Was ihm wichtig ist: Er und seine Meister kümmern sich um die Lehrlinge. Sie sollen sich zum einen wohlfühlen in der Firma, zum anderen vorankommen. Sie sind die Garantie dafür, dass es auch künftig gut läuft.

Denn es läuft gut, sagt Andreas Brütsch und das bestätigen auch seine beiden Meisterkollegen im Betrieb, Lars Jansen und Marc Ziegler. Die Auftragslage sei stabil und habe weder durch die Pandemie noch durch Energiekrise einen merklichen Dämpfer erhalten.
Lieferengpässe auf dem Bau
Ganz ohne Probleme läuft das Geschäft bei Firma Hermann Müller im Moment aber dennoch nicht. Bei Glas und Dämmmaterial gebe es Lieferengpässe, deshalb verschieben sich manche Aufträge, andere Baustellen müssten vorgezogen werden, erläutert Marc Ziegler. „Planerisch ist es im Moment eine Herausforderung.“
Die Materialkosten seien wie bei allen anderen Gewerken auch drastisch gestiegen. Besonders stark beim Metall, bei Aluminium etwa gebe es eine Preissteigerung um 100 Prozent. „Bei allen anderen Materialien beträgt die Steigerung 50 Prozent“, sagt Marc Ziegler. Allerdings ist der Betrieb weniger von Lieferstopps betroffen. Die meisten Materialien würden aus Deutschland, oft aus der Region, geliefert. „Und wir brauchen ja auch keine Halbleiter, die aus China stammen“, sagt Lars Jansen.

Wie reagiert der Betrieb darauf? „Wir puffern das ab, indem wir unser Lager voll gemacht haben“, erklärt Andreas Brütsch. Die Firma habe umfassend Material eingekauft, auch, um die Kunden bei den aktuell laufenden Aufträgen zu schützen. Für diese sollten sie nicht mehr bezahlen müssen als ursprünglich vereinbart.
Für alle neu angenommenen Aufträge allerdings gilt, dass die Kostensteigerungen zumindest zu einem geringen Teil an die Kunden weitergegeben werden. „Wir haben eine Erhöhung der Auftragspreise um zehn Prozent vorgenommen“, sagt Ziegler – das gelte jedenfalls für alle Putzarbeiten. Komplexere Aufträge wie Schimmelsanierungen seien nicht pauschal zu bewerten.
Was ist nun der Grund dafür, dass das Geschäft bei Firma Hermann Müller stabil bleibt trotz des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds? Andreas Brütsch macht dafür zu einem Teil die Spezialisierung des Betriebs verantwortlich. Gehe es um Schimmelsanierung oder den Umbau einer Arztpraxis im Sinne des Strahlenschutzes, dann werde sein Betrieb gern zu Rate gezogen. „Denn das kann nicht jeder Stuckateur machen.“
Viele Gewerke haben zu kämpfen
Dass es gut läuft, ist keineswegs mehr selbstverständlich, die goldenen Zeiten sind auch im Handwerk vorerst Vergangenheit. Laut einer Befragung des Zentralverbands des deutschen Handwerks vom September 2022 ist eine Mehrheit, knapp 60 Prozent, der Handwerksbetriebe von Umsatzausfällen betroffen, die auf den Ukraine-Krieg zurückzuführen sind. So haben die meisten Gewerke mit unterbrochenen Lieferketten und gestiegenen Materialkosten zu kämpfen. Zudem gebe es eine zunehmende Auftragszurückhaltung bei den Kunden. Von der Krise im Kreis Konstanz betroffen sind vor allem energieintensive Betriebe wie Bäcker, Konditoren, Metzger, Brauer, Galvaniseure, Metallbauer und KfZ-Werkstätten, wie Petra Schlitt-Kuhnt, Sprecherin der Handwerkskammer Konstanz, auf Nachfrage berichtet.
Daniel Sommerfeld, Fachmann für Sanitär und Heizung, beobachtet eine starke Veränderung seines Geschäftsfelds. In erster Linie veränderten sich die Kundenwünsche. „Die Leute investieren nicht mehr in ‚Schöner Wohnen‘, sondern in kostengünstigeres Heizen“, fasst er zusammen.
Das Verhältnis hat sich verändert
Das hat für seinen Betrieb klare Folgen. Lag zuvor das Verhältnis von Sanitär zu Heizung bei 70 zu 30 zugunsten von Sanitär, sei es nun umgekehrt: 80 zu 20 zugunsten von Heizung. „Die Kunden haben Beratungsbedarf, wollen genau wissen, wie sie zu einer kostengünstigeren Heizung kommen“, sagt Daniel Sommerfeld. Die Beratung koste ihn und seine Mitarbeiter viel Zeit, sei aber sinnvoll. „Denn nicht überall ist eine Wärmepumpe die beste Lösung und es kursiert viel Halbwissen.“
Für den Betrieb, der neben Sommerfeld drei Monteure und eine Teilzeitkraft im Büro umfasst, ist diese beratungsintensive Zeit problematisch. Aus zehn Beratungsgesprächen ergäbe sich allenfalls ein Auftrag für eine neue Heizung. „Wir machen jetzt die Vorarbeit. Mal sehen, was weiter passiert.“
Extrem lange Lieferzeiten
Die Lieferverzögerungen tun ihr Übriges, um seinem Betrieb Probleme zu bereiten. Bei Wärmepumpen liege die Lieferzeit aktuell bei acht Monaten, ähnlich sei es bei Pelletheizungen. Auf eine erneuerte Heizung könnten Kunden somit erst 2024 hoffen, „auch, wenn sie jetzt den Auftrag vergeben.“ Das mache die gesamte Planung für den Betrieb sehr komplex. Hinzu komme, dass die Kunden in anderen Bereichen wegen der Wirtschaftskrise viel zurückhaltender seien – über eine Badsanierung denke im Moment kaum noch jemand nach.
Extrem lange Lieferzeiten, Kostensteigerungen, Kundenzurückhaltung: „Es ist ein Problem, existenziell ist es noch nicht“, sagt Daniel Sommerfeld. Im Raum Konstanz seien Handwerksbetriebe in einer besseren Lage als anderswo, da die Gegend grundsätzlich wohlhabend sei. Trotzdem: Für den Mittelstand sei die Lage im Moment schwierig – und zum Mittelstand gehöre sowohl er und sein Betrieb wie auch die meisten seiner Kunden.