Seit Wochen hält ein Schwan Heidi Schätzle auf Trab. Die Chefin des Tierschutzheims bekommt Anrufe über Anrufe wegen des Tieres. Denn dieses geht in die Marktstätten-Unterführung und auf die Marktstätte und bettelt um Essen. Viele Passanten denken, der Schwan brauche Hilfe, und alarmieren das Tierschutzheim. Heidi Schätzle hat sich das Tier angesehen und rät: „Ignorieren Sie den Schwan.“
Das Tier muss lernen, seine Nahrung zu suchen
Heidi Schätzle geht nach ihrem ersten Eindruck davon aus, dass das Tier gesund ist, dass es aber eine Fehlprägung erfahren hat. Es glaubt, dass Menschen ihn füttern müssten. Doch das sollten sie auf gar keinen Fall tun, sagt Heidi Schätzle. Das Wildtier müsse seine eigenen Nahrungsquellen finden.
Am besten solle der Mensch den Schwan weder ansprechen noch füttern, und schon gleich gar nicht mit dem, was viele gerade zur Hand haben, Brot oder Döner. Denn das führe bald zu gesundheitlichen Problemen. „Lassen Sie ihn einfach stehen“, sagt Schätzle.
Ganz genau weiß auch Heidi Schätzle nicht, warum der Schwan so auffällig die Nähe zu Menschen sucht. Möglicherweise sei er als Jungtier gefüttert worden und habe so seine Scheu vor Menschen verloren. Die Tierschützerin überlegt, ob eine Umsiedlung in eine Gruppe von Jungtieren, etwa am Wollmatinger Ried infrage kommt. Dies sei allerdings nicht so einfach, da es Rivalitäten um Brutstätten und feste Plätze gibt.
Schwan verweilt stundenlang auf der Marktstätte
Da der Schwan noch recht jung sei, hofft Schätzle, dass er Anschluss an eine Gruppe Gleichaltriger findet. Auffällig: Kaum ein anderer Schwan hält sich derzeit am Hafen von Konstanz auf. Das hat Gründe. Das Bodenseewasser steht so hoch, dass auch Schwäne trotz langer Hälse kaum an Wasserpflanzen kommen, von denen sie sich ernähren. Deshalb sind besonders viele Schwäne derzeit auf Wiesen und Feldern zu sehen.
Doch am Hafen und in der Altstadt gibt es wenige Grünflächen und somit für Schwäne auch wenig zu fressen. Außer, sie betteln Menschen an. Es gibt Tage, da ist der Schwan auf der Marktstätte nicht zu sehen, und es gibt andere Tage, da verweilt das Tier für Stunden dort und bettelt.
Stattdessen sollte das Wildtier dorthin schwimmen, wo es selbstständig Futter findet. „Der Schwan muss das wieder lernen“, sagt Heidi Schätzle. Das Tierschutzheim arbeitet mit der Wildvogelstation in Kreuzlingen zusammen. Von dieser wisse sie, dass es über der Grenze ein ähnliches Problem mit einem Schwan gibt, der keine Angst mehr vor Menschen zeigt. Darüber seien zwar Passanten entzückt, doch dies entspreche nicht dem natürlichen Verhalten eines Wildtieres.
Tierschützerin: Wildtiere sollten auch wild bleiben
Das Tierschutzheim in Konstanz versorgt verletzte Wildtiere, und das mit Umsicht. „Wir dürfen die nicht vermenschlichen, die müssen wild bleiben“, sagt Schätzle. Oft reichen die Mitarbeiter die Tiere an Spezialisten weiter, etwa an die Wildvogelstation Kreuzlingen oder an die Eichhörnchenstation bei Überlingen. Auch für Igel soll es bald eine Anlaufstelle geben.
Manchmal seien die Verletzungen so schwer, dass man das Tier nur noch von den Leiden erlösen könne, wie etwa bei einem Dachs, der vom Seehas angefahren worden war. Das Tier, so sagt Schätzle, hätte auch vor Ort sterben und anderen Tieren als Nahrung dienen können. Doch die Tierschutzheim-Mitarbeiter hätten einen Anruf bekommen, ein Wildtier benötige Hilfe. Dabei sei es manchmal gar nicht notwendig, dass der Mensch eingreift. Dieser habe die Umwelt so verändert, dass der Lebensraum von Wildtieren immer kleiner wird.
Auf der anderen Seite wolle der Mensch etwas für Wildtiere tun. Nicht immer entspreche das aber den Bedürfnissen eines wild lebenden Tiers. Man dürfe immer nur so viel Hilfe leisten, wie unbedingt notwendig, und man dürfe nicht zu lange warten mit der Auswilderung. „Man muss den richtigen Punkt erwischen. Wenn ein Tier mal auf den Menschen geprägt ist, wird es schwierig.“
Heidi Schätzle gibt auch zu bedenken, dass viele Vögel Opfer von Katzen werden. Wenn diese einmal zugebissen haben, seien die Überlebenschancen gleich Null, nicht nur wegen der spitzen Zähne, auch wegen der Bakterien. Sie liebt Haustiere, weiß aber auch um die Gefahren für Wildtiere. Im Tierschutzheim Konstanz gibt es derzeit eine dreibeinige Katze, die auf Vermittlung wartet. Diese müsse zwar in der Wohnung gehalten werden, aber sie komme trotz der Behinderung bestens zurecht und sei verschmust und verspielt, sagt Heidi Schätzle.
Kaum gefahrlose Viertel im Konstanzer Stadtgebiet
Bei freilaufenden Katzen bestätigt die Chefin des Tierschutzheims, dass diese in keine Quartiere abgegeben werden, wo eine größere Straße und damit auf diesen fahrende Autos zur Gefahr werden können. In Konstanz gebe es kaum gefahrenlose Viertel. Es würden viele Tiere in die Schweiz und ins deutsche Hinterland gegeben. Bei der Vermittlung gegen eine Spende oder die Übernahme der Impf- und Kastrationskosten nimmt es das Tierschutzheim genau.
Man wolle halt ganz sicher sein, dass die Tiere an die richtigen Menschen kommen, stellt Heidi Schätzle fest. Auf der Internetseite des Tierschutzheimes ist der Prozess genau beschrieben: Ein Interessent muss seinen Personalausweis vorzeigen. Er darf das Tier nicht sofort mitnehmen. Voraus geht mindestens ein Informationsgespräch über die Haltung, die Pflege und den Zeitaufwand. Es sei nicht ausgeschlossen, dass Haltung und Pflege nach der Abgabe unangemeldet kontrolliert werden.