„Ich würde sagen, dem Recht ist jetzt genüge getan worden“, sagt Simon Pschorr, Stadtrat der Linken Liste (LLK), als der SÜDKURIER bei ihm nachfragt, was er zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) in Mannheim sagt. Das Gericht hat am 5. August den Paragrafen 3 der Konstanzer Polizeiverordnung „über ein nächtliches Musik- und Spielverbot“ mit einer einstweiligen Anordnung außer Kraft gesetzt.
Paragraf 3 verbot in Konstanz zwischen 22 und 6 Uhr Spiele jeglicher Art, außer sie wurden so leise gespielt, dass dadurch die Nachtruhe anderer nicht gestört werden konnte. Die Regelung galt seit 30. April 2021 für den gesamten Herosé-Park sowie auf allen anderen öffentlichen Flächen des Stadtgebiets im Umkreis von 50 Metern zu bewohnten Gebäuden. Jetzt ist das Verbot Geschichte.
Stadtrat kritisierte Polizeiverordnung als „gröblich rechtswidrig“
Simon Pschorr hatte das Musik- und Spielverbot bereits im Konstanzer Gemeinderat heftig kritisiert, als es dort Ende April verabschiedet worden war. Pschorr hielt die Verordnung für „gröblich rechtswidrig“, wie er Mitte Juli gegenüber dem SÜDKURIER betonte. Damals hatte er gerade beim VGH einen Normenkontrollantrag gegen die Polizeiverordnung eingereicht, gemeinsam mit fünf Personen aus dem Umfeld des Jungen Forums (JFK), darunter der JFK-Vorsitzende Juri Buchmüller.
Die anderen Antragsteller wollten anonym bleiben, wie Simon Pschorr betont. Vor Gericht wurden sie unter anderen durch den ehemaligen OB-Kandidaten und Rechtsanwalt Andreas Hennemann vertreten. Da sich solche Normenkontrollverfahren in der Regel lange hinziehen, reichten sie zugleich einen Eilrechtsantrag ein.
Gericht sieht keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass Spiele die Nachtruhe stören
Die Richter am VGH gaben den Antragstellern nun zumindest in Teilen recht. In ihrem Beschluss, der dem SÜDKURIER vorliegt, heißt es: „Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass jegliche Art des Spielens in der Zeit von 22 bis 6 Uhr (...) zu einer Störung der Nachtruhe von Anwohnern führen kann, dürften fehlen.“ Zumindest ginge weder aus den Verwaltungsakten, die von der Stadt Konstanz vorgelegt wurden, noch aus dem Bericht des Polizeipräsidiums hervor, dass „Spiele, die keine Trinkspiele sind“ zu Nachtruhestörungen geführt hätten.
Die Interessen der Antragsteller, auch nachts zu spielen, würden hier klar überwiegen. „Beschränkungen ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit“ seien in diesem Fall nicht gerechtfertigt – zumal, so die Richter weiter, „der Schutz der Gesundheit der Anwohner vor Lärm, auch vor lauten Trinkspielen“ grundsätzlich bereits durch die Konstanzer Umweltschutz- und Polizeiverordnung gewährleistet werde. Diese verbietet Ruhestörung ebenfalls.
Musikverbot bleibt bestehen, aber Gericht äußert Zweifel an Geltungsbereich
Das Konstanzer Spielverbot ist also Geschichte, das Konstanzer Musikverbot aber bleibt. Hier folgten die Richter des VGH den Antragstellern nicht. Sowohl die Berichte von Polizei und Kommunalem Ordnungsdienst (KOD) als auch Anwohnerbeschwerden zeigten, dass während der Sommermonate die Nachtruhe von Anwohnern im Bereich Seerheinufer/Herosé-Park/Seestraße regelmäßig gestört wird. Und zwar durch Musik, insbesondere aus Musikboxen. Es sprächen also „gute Gründe dafür, dass eine abstrakte Gefahr für die schützenswerte Nachtruhe der Anwohner (...) besteht“, heißt es im Beschluss.
Allerdings merkten die Richter auch an, dass „in jeder Hinsicht offen“ sei, ob es genügend Anhaltspunkte gibt, die ein Musikverbot außerhalb des Bereichs Seerheinufer/Herosé-Park/Seestraße rechtfertigen. Das Verbot gilt nämlich nicht nur dort zwischen 22 und 6 Uhr, sondern auch auf allen anderen öffentlichen Flächen des Stadtgebiets im Umkreis von 50 Metern zu bewohnten Gebäuden.
Den vorgelegten Verwaltungsakten sei aber nicht zu entnehmen, dass es außerhalb des Gebiets Herosé-Park durch das Spielen oder Hören von Musik zu „nennenswerten Störungen der Nachtruhe“ gekommen sei, so die VGH-Richter. Ob es „hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine abstrakt-generelle Gefahr“ durch das Spielen von Musikinstrumenten gebe, lasse sich im Eilverfahren ebenfalls nicht klären. Hierfür bräuchte es ein sogenanntes Hauptsacheverfahren.
Dazu wird es aber eher nicht kommen, folgt man Simon Pschorr, der dies noch mit den anderen Antragstellern besprechen will. Denn er sagt: „Ich glaube, bei der Stadt ist die wesentliche Info angekommen.“ Er und die anderen hätten erreicht, was sie wollten. Und er hoffe, dass die Stadt, „nochmals gründlich darüber nachdenkt, ob der Geltungsbereich des Musikverbots richtig gezogen ist.“
Stadt Konstanz: Beschluss ist „insoweit zu begrüßen“
Aber was ist bei der Stadt angekommen? Auf SÜDKURIER-Anfrage teilt die Verwaltung mit, der Beschluss des VGH trage „zur weiteren grundsätzlichen Klärung bei und ist insoweit zu begrüßen“, wie Pressesprecher Walter Rügert schreibt. Der Beschluss werde entsprechend beachtet. Gegen Trinkspiele wie „Flunky-Ball oder Bier-Pong kann demnach im Einzelfall allenfalls nach den allgemeinen Regeln (Umweltschutz- und Polizeiverordnung oder Straßengesetz) vorgegangen werden“, betont Rügert.
Ob auch die kritischen Anmerkungen des Gerichts zum Geltungsbereich des Musikverbots Folgen haben werden, lässt die Verwaltung derweil offen. „Die Stadtverwaltung wird die Begründung des Gerichts auswerten, um diese bei künftigen Entscheidungen berücksichtigen zu können“, erklärt Pressesprecher Rügert.