Anfang Oktober überfielen Mitglieder der Hamas Israel, töteten mehr als 1000 Menschen, verschleppten Zivilisten, Männer, Frauen, Kinder, Babys. Seither ist viel passiert, erste Geiseln wurden freigelassen, Israel trauert um seine Toten und auch im Gazastreifen trauern Menschen, die bei den Bombardierungen durch Israel Angehörige verloren haben.

Bereits jetzt dominieren wieder andere Themen die politische Tagesordnung. Die Synagogengemeinde und die jüdische Gemeinde Konstanz haben sich nun in einem offenen Brief an den Oberbürgermeister gewandt. Sie greifen das Thema der Beflaggung des Rathauses mit einer israelischen Flagge erneut auf.

In dem Brief weisen die beiden Unterzeichner, Minia Joneck für die jüdische Gemeinde, Gabriel Albilia für die Synagogengemeinde Konstanz, darauf hin, dass die jüdische Bevölkerung in Konstanz gerade jetzt jedes Zeichen der Solidarität brauchen könne. „Seit dem 7. Oktober ist der Antisemitismus so spürbar wie lange nicht mehr“, schreiben die Verfasser.

Weiter heißt es: „Die Bedrohung Israels in seiner Existenz wird von verschiedenen Seiten wieder offen ausgesprochen. Das betrifft uns in unserem innersten Sicherheitsgefühl und wir wünschen uns, dass der Schutz und das Sicherheitsgefühl der Konstanzer Jüdinnen und Juden ein wichtiges Anliegen der Stadt ist.“

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Was ist mit der Staatsräson?

In dem Brief deuten die Verfasser außerdem die Staatsräson Deutschlands an – dass die Sicherheit und Existenz Israels ein zentrales Anliegen des deutschen Staates sind – und verweisen darauf, dass „andere bedrohte Staaten in Konstanz mit Flaggen vertreten sind“, gemeint ist die Ukraine.

Zuvor hatte Oberbürgermeister Uli Burchardt in einer Stellungnahme deutlich gemacht, dass er das Hissen einer israelischen Flagge zum jetzigen Zeitpunkt nicht als geeignetes Zeichen ansehe. Gelebte Solidarität sei keine Frage einer gehissten Fahne. Stattdessen würden in Konstanz keinerlei Antisemitismus, Hass oder andere Formen der Intoleranz geduldet. Deshalb wolle die Stadtverwaltung eine Kampagne in sozialen Netzwerken gegen Antisemitismus starten.

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Diese soll auch nach außen sichtbar werden: Am Rathaus hängt jetzt eine Flagge mit dem Hashtag der Kampagne – ein Kompromiss für all jene, für die eine Israel-Flagge zu einseitig auf das Leid der Israelis und zu wenig auf das der palästinensischen Zivilbevölkerung verwiesen hätte.

Gabriel Albilia: „Eine Flagge wäre schönes Zeichen“

„Wir sind froh um jede Unterstützung“, sagt Gabriel Albilia am Telefon im Gespräch mit dem SÜDKURIER, „aber eine Flagge wäre ein schönes Zeichen der Solidarität, wie in großen Städten München, Frankfurt oder Berlin. Wenn es die Stadtverwaltung aber nicht möchte, kann man nichts machen.“

Am runden Tisch gegen Intoleranz und Antisemitismus, den die Verwaltung angekündigt habe, werde er oder ein Vertreter der Synagogengemeinde gern teilnehmen, „solche Initiativen waren immer sehr produktiv“, sagt Albilia.

„Wir sind froh um jede Unterstützung“, sagt Gabriel Albilia, Vorsitzender der Synagogengemeinde in Konstanz. „Und die ...
„Wir sind froh um jede Unterstützung“, sagt Gabriel Albilia, Vorsitzender der Synagogengemeinde in Konstanz. „Und die Beflaggung wäre ein schönes Symbol.“ | Bild: Lukas Ondreka | SK-Archiv

Auch Minia Joneck, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, betont, dass es für sie nicht das Wesentliche sei, dass die Flagge am Konstanzer Rathaus hänge. „Es würde passen. Aber die Auseinandersetzung ist das eigentlich Wichtige. Ich finde es wichtig, dass ein Bewusstsein darüber entsteht, über Antisemitismus und darüber, was in Israel im Moment passiert.“

Wie sicher fühlen sich Juden in Konstanz überhaupt?

Sie selbst sei bislang von keiner Form des Antisemitismus betroffen gewesen, sagt sie. Dennoch sei die Verunsicherung auch unter Konstanzer Juden im Moment groß, die Nachrichten über die Ereignisse in Israel wirken nach. Wie sicher können sie sich fühlen? Wann ist es sinnvoll, die Polizei über eine Veranstaltung, und sei es eine private Feier, zu informieren?

Wie sieht es die Stadtverwaltung, was sagen die Fraktionen des Gemeinderats dazu? Aus der Stadtverwaltung kommt lediglich eine knappe Erklärung zum Hissen der ukrainischen Flagge: Sie sei als Willkommensgruß an die vielen hier ankommenden ukrainischen Geflüchteten gehisst. „Die Lage hier vor Ort war damit eine andere, die Aussage des Hissens auch“, schreibt Anja Fuchs, Sprecherin der Stadtverwaltung.

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Bei den Gemeinderatsfraktionen fallen die Meinungen durchweg unterschiedlich aus. „Ein paar Tage nach dem schrecklichen Terroranschlag der Hamas wäre eine Israel-Flagge am Konstanzer Rathaus eine wichtige und wirkungsvolle Solidaritätsbekundung auch in unsere Stadtgesellschaft hinein gewesen“, schreibt etwa Jürgen Ruff, SPD-Fraktionsvorsitzender.

Lang nach der Resolution des Gemeinderats wirkte ein solches Zeichen jedoch „nachgeschoben“ und signalisiere Unsicherheit. Soteria Fuchs, Fraktionssprecherin der FGL, verweist ebenfalls auf die Resolution und die Solidarität mit Israel und der Zivilbevölkerung im Gaza-Streifen. Beim Hissen der Israel-Flagge gebe es bei den 13 Fraktionsmitgliedern keine einheitliche Meinung.

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Demnächst soll eine andere Flagge gehisst werden

Heinrich Everke, Sprecher der FDP-Fraktion, erklärt, dass seine Fraktion mit einer Beflaggung des Rathauses mit der israelischen Fahne einverstanden gewesen wäre. „Zusätzlich wäre uns aber auch an einer Beflaggung mit der weißen Taube, der Flagge des Friedens, gelegen.“

Auch die Freien Wähler hätten ohne Probleme eine israelische Flagge am Rathaus akzeptiert, schreibt Jürgen Faden. „Wir sind uns aber auch im Klaren, dass dies eventuell zusätzlichen Zündstoff im Konflikt mit der jüdischen Glaubensgemeinschaft und der islamischen Bevölkerung hervorrufen kann.“

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Matthias Schäfer (Junges Forum Konstanz) schreibt, dass die Stadtverwaltung zu diesem Thema Stellung bezogen habe, der Gemeinderat habe als Zeichen der Solidarität eine Resolution verabschiedet. Und Anke Schwede (Linke Liste) äußert, dass sie nicht in Kurzform Stellung beziehen wolle, da das Thema zu komplex sei.