Die Wahl zwischen Fahrrad oder Auto hat durchaus auch eine politische und philosophische Aussagekraft. Auf den Straßen der Stadt gibt es längst zwei Lager: Radfahrer und Autofahrer. Täglich entstehen Konflikte, wenn sie auf Straßen oder Wegen der Stadt aufeinander treffen, gegenseitige Beschimpfungen inbegriffen. Eine sachliche Annäherung mit zwei Vertretern der beiden Fraktion.
Der Autofahrer: Christian Tweer
Der einstige Unternehmer und heutige Privatier liebt seinen Wagen. Was er nicht liebt, ist Stillstand auf den Straßen. Stau ist für ihn ein Grundübel der Thematik. „Wer steht denn gerne eine Viertelstunde auf der Bodanstraße?“, fragt er. „Autofahrer, die ständig und überall warten müssen, neigen schnell zu aggressivem Verhalten.“
Bevor er Autos aus der Innenstadt verbannen würde, würde er zunächst auf ausreichend Parkhäuser setzen. „Die großen Staus existieren doch nur, weil wir zu wenige Parkplätze haben. Wie lange diskutieren wir jetzt schon übers Döbele – doch nichts passiert.“ Am Augustinerplatz sei doch auch eine Tiefgarage entstanden, „warum also nicht woanders? Stattdessen versucht es die Verwaltung mit Verboten. Diese Verbotspolitik ist der Ausdruck von Hilflosigkeit“.
Strafzettel statt Problemlösung
Wer heute schnell etwas in der Stadt erledigen müsse und dabei aufs Auto angewiesen sei, bekäme die volle Wucht der Einfallslosigkeit der Verwaltung zu spüren. „Es werden sofort Strafzettel verteilt, anstatt das Problem im Kern anzugehen. Man fühlt sich als Autofahrer gegängelt.“ Der seit Jahren zu beobachtende Abbau von Parkplätzen führe zu Spannungen und Schwierigkeiten. „Dann werden sofort die Schweizer und die Touristen angefeindet. Dabei sind wir auf beide angewiesen.“
Christian Tweer versteht auch nicht, warum die Stadt nicht erneut versucht, in Zusammenarbeit mit der Kreuzlinger Verwaltung und der Zollbehörde den Grenzübergang Klein Venedig für den Autoverkehr zu öffnen. „Damit könnte man den Großteil des Einkaufsverkehrs abfangen, der heute direkt auf die Bodanstraße und somit in den Stau geleitet wird“, sagt er.
Der 58-Jährige bezeichnet die heutige Mobilität der Menschen als einen Segen. Er nennt ein Beispiel: „Regionale Ernährung ist eine super Sache. Doch nur damit geht es nicht. LKWs werden auch in Zukunft Produkte anliefern müssen.“ Genau so verhalte es sich mit dem Reiseverhalten der Menschen. „Urlaub bildet und vereint. Dafür benötigen wir Mobilität und das Auto.“ Wer in der Innenstadt wohne, könne leicht sagen, dass Autos verbannt gehören. „Aber was ist mit den Menschen, die darauf angewiesen sind, um am Leben teilnehmen zu können?“, fragt er.
Der Radfahrer: Norbert Wannenmacher
Der Berufsschullehrer lässt bei seinem Plädoyer gegen das Auto am liebsten die Vorteile des Fahrrads für sich sprechen: „Wer Fahrrad fährt, hat den direkten Kontakt zur Natur, beugt Herz-Kreislauf-Problemen vor und tut etwas für den Naturschutz, indem Emissionen verhindert werden. So viele Vorteile, die nicht von der Hand zu weisen sind.“
Selbstverständlich sollte bei der Diskussion über eine autofreie Innenstadt in seinen Augen sein, „dass Anwohner, Handwerker, Zulieferer oder Menschen mit Behinderung nach wie vor hinein fahren dürfen. Es geht ja auch um den Verkehrsfluss und nicht nur um Verbote“.
Parkplatzsuche? Auf in den Kampf!
Der unnötige Verkehr sei zu verhindern, wie der 51-Jährige erklärt: „50 Prozent der Autofahrten sind kürzer als fünf Kilometer. 20 Prozent kürzer als zwei Kilometer und zehn Prozent kürzer als ein Kilometer. Das sagt doch einiges aus.“ Bis fünf Kilometer sei man mit dem Rad nachweislich schneller als mit dem Auto, bis acht Kilometer mit dem Pedelec. „Wieso begeben wir uns freiwillig in den Kampf um den Parkplatz und stehen freiwillig im Stau, wenn wir mir dem Rad so viel besser unterwegs sind?“
Alleine in Konstanz sei die Zahl der zugelassenen PKWs zwischen 2008 und 2019 um fünfzehn Prozent auf 36 000 angestiegen. „Das sind also fast ein Auto auf nur zwei Einwohner“, rechnet Norbert Wannenmacher hoch. „Die Folge sind immer mehr Begegnungen mit Radfahrern. Dabei muss ich feststellen, dass man regelmäßig knapp und gefährlich überholt wird und so die Gefahr gefährlicher und tödlicher Unfälle zunimmt.“
Ein Auto benötigt laut des Verkehrsclubs Deutschland zwölf Quadratmeter zum Parken, es steht durchschnittlich 23 Stunden pro Tag und neun von zehn parken dauerhaft auf öffentlichen Straßen. „Andere Städte bauen Parkhäuser für Fahrräder und liefern somit Anreize, auf das Auto zu verzichten“, sagt Norbert Wannenmacher, der in Konstanz zudem den Ausbau richtiger Radwege vermisst – mit Mittelstreifen, breit, mit intuitiver Wegeführung oder guter Beschilderung oder deutlicher Trennung vom Fußverkehr.