Auf den Tanzflächen der Konstanzer Clubs hat seit Monaten kein Gast mehr zu lauter Musik und wummernden Bässen getanzt. Die Türen sind aufgrund der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Maßnahmen geschlossen. Für die Betreiber und Mitarbeiter ist es eine schwierige Zeit, die Unsicherheit angesichts der steigenden Infektionszahlen der letzten Tage wächst.
Schwere Zeiten für die Veranstaltungsbranche
„Die Veranstaltungsbranche liegt auf der Intensivstation und wird von der Politik künstlich beatmet“, fasst Osman Cöl, Betriebsleiter der Berrys-Discothek in Konstanz, die Situation zusammen. „Es sind schwere Zeiten seit dem Frühjahr.“
Als ersten Gast seit dem 7. März begrüßt Cöl den SÜDKURIER im Foyer des Berrys. Er bietet etwas zu trinken an und beweist Galgenhumor: Getränke seien noch genügend da. Nach diesem Witz huscht ihm ein Lächeln über das Gesicht – das ihm allerdings nicht leicht über die Lippen kommt.

30 Mitarbeiter seit März in Kurzarbeit
Das Berrys ist leer gefegt, die Stühle stehen kreuz und quer und kein Mitarbeiter außer dem Betriebsleiter arbeitet. „Die sind leider alle seit langer Zeit in Kurzarbeit“, sagt Osman Cöl. Die größten Verlierer seien dabei die Minijobber und Aushilfen, sie bekämen keinerlei Unterstützung von Seiten des Staates. Beim Berrys seien das ungefähr 30 Mitarbeiter. Einen Festangestellten konnte man darüber hinaus während der Pandemie nicht übernehmen, der Arbeitsvertrag habe wegen der Kurzarbeit nicht verlängert werden können.

Zusätzlich sind seit März alle Einkünfte durch Covid-19 auf einen Schlag weggebrochen. Die Corona-Überbrückungshilfen und Stabilisierungshilfen seien wichtig, decken allerdings nicht alle laufenden Kosten. Osman Cöl sagt: „Unsere Branche zahlt einen hohen Preis für das Wohl der Gesellschaft.“ Die Maßnahmen und die damit einhergehenden Einschränkungen befürwortet er trotzdem.
Mehr Betrieb als im Berrys herrscht in der Kantine, dem Gastro- und Clubbetrieb im Neuwerk-Gebäude an der Oberlohnstraße. „Anfang Juni konnten wir dank des großen Innenhofs wieder in den Tagesbetrieb starten“, erklärt Kantinen-Inhaber Cornelius Hanßmann. Seither bieten er und sein Team wieder Mittagstische an.

Doch die beiden anderen wichtigen Standbeine der Kantine fehlen weiterhin: Das Catering ist größtenteils zum Erliegen gekommen, so Hanßmann. „Wir hatten bereits wieder schöne Anfragen für Firmen-Weihnachtsfeiern im Dezember, aber alles wurde in den letzten zehn Tagen abgesagt.“
Trotz Verlusten bleibt die Hoffnung
Der Clubbetrieb liegt seit März brach. Ein schwerer Schlag für Hanßmann und seine Mitarbeiter: „Der Clubbetrieb macht bei der Kantine 50 bis 60 Prozent des Gesamtumsatzes aus, Mittagstisch und Catering zusammen zwischen 35 und 40 Prozent.“ Die Kantine schreibt deshalb weiterhin jeden Monat Verluste.
„Die Kurzarbeiterlösung hat mit extrem geholfen, dadurch musste ich keinen meiner fest angestellten Mitarbeiter entlassen“, betont Hanßmann. Auch die Sofort- und Überbrückungshilfen waren und seien für Kleinbetriebe wie seinem überlebenswichtig. Gemeinsam mit Kulturladen, Zebra-Kino, K9 und Südwestdeutscher Philharmonie hatte die Kantine zudem den Kultursommer organisiert. „Wir konnten damit ein Lebenszeichen setzen und es lief wahnsinnig gut“, erinnert sich Hanßmann.
Bereits im Frühsommer hatte er zudem das Spendenprojekt „Don‘t Stop The Dance“ ins Leben gerufen. „Wir waren wirklich ergriffen von der Hilfsbereitschaft durch aktuelle und ehemalige Gäste und Angestellte.“ Die Spendeneinnahmen hätten die Kantine aus ihrer akutesten finanziellen Not geholt. „Und es war vor allem auch für die Moral der Mannschaft der Hammer. Die Resonanz hat uns allen einen Schub gegeben, sodass wir sagen konnten: Wir schaffen das!“, betont Hanßmann.
Auch der Berrys-Betriebsleiter will nicht aufgeben: Die größte Hoffnung für die Branche sind die neuen Antigentests, diese sollen wohl auch in der Veranstaltungsbranche zum Zug kommen. Damit könne man Infizierte sofort erkennen und wieder nach Hause schicken. „Das wäre unsere Chance“, sagt Cöl. „Damit erhoffen wir uns auch in Zeiten der Pandemie eine abgespeckte Form der Normalität.“ Eine Alternative scheint es bis zur Verteilung eines Impfstoffs bisher nicht zu geben.
Dass in der Schweiz die Clubs nach wie vor in den meisten Kantonen unter Auflagen öffnen dürfen, findet Cöl mutig. Ob das gut ausgehe, sehe man in einigen Monaten, denkt er. Trotzdem mache es das Geschäft im Grenzgebiet natürlich schwieriger, auf lange Sicht könnte man vor allem Schweizer Stammgäste verlieren.
Barbetrieb machte im Sommer keinen Sinn
Das Berrys möchte in der Zwischenzeit über den Winter einen Barbetrieb mit bis zu 144 Gästen anbieten. Die Dokumente liegen der Stadtverwaltung bereits zur Prüfung vor. Starten möchte man gerne am 24. Oktober. „Davor hat das für uns keinen Sinn gemacht“, sagt Osman Cöl.
„Im Sommer ist für uns die größte Konkurrenz der See. Da will niemand in Räumlichkeiten, um einen guten Abend zu haben.“ Und auch jetzt sei der Barbetrieb wirtschaftlich gesehen lediglich ein Tropfen auf dem heißen Stein. Versuchen wollen es die Verantwortlichen trotzdem.
Denn jetzt, mit den steigenden Infektionszahlen, sei eine kontrollierte Umgebung wichtiger denn je. Und das könne das Berrys bieten. Die Verbreitung des Virus durch private Feiern sei ein gutes Beispiel dafür, was passiere, wenn man menschliches Miteinander nicht kontrolliere.
Ob die Stadt das Konzept bis Ende Oktober absegnet oder ob gar das Land mit neuen, strengeren Maßnahmen zur Eindämmung des Virus einen Strich durch die Rechnung macht, bleibt ungewiss. Auch in der Kantine hoffen Inhaber Hanßmann und sein Team darauf, dass sie spätestens im nächsten Frühjahr wieder in den Cluballtag starten können und Veranstaltungen mit entsprechenden Schutzmaßnahmen und Hygienekonzepten dann erlaubt sind.

Für sie sei es extrem wichtig eine solche Perspektive zu haben, betont Hanßmann, denn: „Wenn bis nächstes Frühjahr nichts passiert, dann müssen wir uns ernsthaft überlegen, wo die Reise hingeht.“ Und der Kantine-Inhaber, glaubt, dass diese Deadline für einen Großteil der Konstanzer Clublandschaft gilt.
Und Osman Cöl sagt: „Nicht auszumalen, was passiert, wenn die ganze Veranstaltungsbranche und das Nachtleben durch die Corona-Pandemie auf lange Sicht wegbricht.“ Die Menschen würden immer tanzen und Spaß haben wollen. Ohne das wolle und könne er sich kein Konstanz und keine Gesellschaft vorstellen.