Eine Situation, die kein Elternteil jemals erleben will: Mit einem Anruf informiert eine Bekannte die Eltern, dass ihr Sohn durch die Schläge eines älteren Jungen schwer verletzt wurde. Genau das ist einer Familie, deren Kinder auf eine Konstanzer Schule gehen, passiert.
„Ich war sehr erschrocken und völlig schockiert, als der Anruf kam“, berichtet die Mutter des zehnjährigen Opfers dem SÜDKURIER. Der Namen der Familie wird im Artikel nicht genannt, um die Sicherheit der Kinder nicht zu gefährden.
Zum Glück funktioniere sie gut in Notlagen, ergänzt die Mutter. „Aufgeregt bin ich in solchen Situationen nicht.“ Die Eltern fahren sofort an den Ort des Geschehens und von dort ins Krankenhaus, wo ihr Sohn bereits behandelt wird.
Das sagen Augenzeugen der Attacke am Seerhein
Mehrere Augenzeugen schildern der Mutter, was geschehen ist. Ihr Sohn und ein paar Freunde hatten sich am Seerheinufer aufgehalten und warteten auf den Beginn einer Veranstaltung. Sie sind fröhlich und laut, ihr Sohn hat eine Tröte dabei, es ist der erste Tag der Straßenfasnacht. „An dieser Tröte störte sich wohl der Täter“, sagt die Mutter. Er habe ihren Sohn angepöbelt, dieser habe ihn daraufhin aufgefordert, ihn in Ruhe feiern zu lassen.
Dann muss der ältere Junge den Zehnjährigen von hinten angegriffen und gleich zugeschlagen haben. „Laut einer Augenzeugin, einer Klassenkameradin, sahen die Schläge professionell aus, wie man sie im Kampfsport lernt.“ Danach schlägt der Junge ihm noch zwei- oder dreimal ins Gesicht, bevor ihr Sohn kurz das Bewusstsein verliert.
Das alles müsse sehr schnell gegangen sein, berichtet die Mutter. Ein Freund ihres Sohnes habe direkt neben ihm gestanden, konnte aber nicht eingreifen. Er habe wohl sehr darunter gelitten, dass er die Tat nicht verhindert habe. Eine couragierte Augenzeugin ruft laut und versucht, dem Schläger hinterherzurennen. Dieser habe sich aber rasch mit seinen beiden Freunden über die Fahrradbrücke Richtung Petershausen entfernt.
Gewalt hinterlässt bei der gesamten Familie Spuren
Der Familie des Opfers gehe es darum, Aufmerksamkeit für den Fall zu schaffen, damit der Junge, der so heftig zuschlug, noch gefunden wird. „Ich denke nicht, dass dies zum ersten Mal passiert und fürchte, er wird wieder zuschlagen, wenn er nicht aufgerüttelt wird“, sagt die Mutter. Bei ihr habe die Verletzung ihres Sohnes Wut ausgelöst, auch eine gesteigerte Ängstlichkeit. Bislang habe sie Konstanz als eine sehr sichere Stadt wahrgenommen.
Dass aber Kinder so gewalttätig seien, sei eine neue Dimension. Auch die ältere Schwester des Zehnjährigen macht sich Gedanken. „Ich fühle mich abends hier eigentlich sicher. Die Gewalt gegen meinen Bruder ist das erste Ereignis, das mir Sorgen macht.“ Generell habe sie aber das Gefühl, dass sich Kinder stärker behaupten müssten als früher.
Neben der Wut auf den älteren Jungen, der ihr Kind bis zur Bewusstlosigkeit schlug, empfindet die Mutter auch Dankbarkeit. Die Polizei habe vorbildlich reagiert und viel Verständnis geäußert, ebenso Lehrer und Schulleitung. Seine Freunde hätten sich rührend um ihren Sohn gekümmert. Als sie das Geschehen in den sozialen Netzwerken postete, habe sie sehr viele Rückmeldungen erhalten.
Und das Wichtigste: Ihrem Sohn gehe es den Umständen entsprechend gut. Der Verdacht auf eine Gehirnerschütterung bestätigte sich nach einer Nacht in der Klinik nicht, die Prellungen seien inzwischen verheilt. Seelisch zeige der Zehnjährige im Moment keine Schäden, sie hoffe, dass das so bleibt.