Es klingt wie ein Hilferuf. Und es ist auch ein wenig ein Hilferuf. „Wir wollen den Eltern mitteilen, dass die Verlässlichkeit der Betreuung in den Tageseinrichtungen der Kinder auf Dauer nicht aufrecht zu erhalten ist.“
„Kürzungen und Schließungen werden notwendig sein“
Alfred Kaufmann, Leiter des Konstanzer Sozial- und Jugendamts, weiß um die Brisanz, die hinter den Worten steckt. Daher fügt er umgehend hinzu: „Wir wissen, dass der Druck auf die Eltern sehr groß ist – vor allem nach den vergangenen Monaten. Aber wir treffen keine leichtfertigen Entscheidungen. Kürzungen und Schließungen werden notwendig sein.“
Der Grund für die angekündigten Schließungen ist die Corona-Verordnung, die jedoch von den Beteiligten als richtig angesehen wird. „Vor den Einschränkungen konnten wir Ausfälle von Erzieherinnen intern ganz gut auffangen“, erklärt Alfred Kaufmann. „Das ist mit der Verordnung nicht mehr möglich, da wir bei Erkrankungen von Mitarbeitern nicht mehr in der Lage sind, den Mindestpersonalbestand einzuhalten.“

Erkrankt eine Erzieherin an einem ganz normalen, saisonalen grippalen Infekt und kann nicht zur Arbeit kommen, hat die jeweilige Einrichtung ein Problem, weil nicht einfach eine Aushilfe einspringen darf – auch wenn sie da wäre.
„Das geht nur im Notfall“, so Sabine Haag, Abteilungsleiterin Kindertagesbetreuung bei der Stadt Konstanz, „wenn zum Beispiel eine Erzieherin im Zimmer kollabiert. Sollte es zu einem Corona-Fall kommen, müssen wir ja die Nachverfolgung betreiben. Das ist schwierig, wenn einzelne Personen mehrere Gruppen betreuen.“ Der Mindestpersonalbestand wurde aufgrund der Pandemie schon um 20 Prozent aufgeweicht – und trotzdem entstehen Engpässe.
Heike Kempe vom Gesamtelternbeirat erzählt von frustrierten Erzieherinnen beim Kampf gegen die Ausbreitung des Virus. „Die Corona-Verordnung macht im Haus absolut Sinn“, sagt sie. „Doch sie endet vor der Kita-Tür, weil sich hier die Kinder vermischen und gemeinsam zum Sport oder in die Musikschule gehen.“
Sie habe Mütter beobachtet, die das eigene Kind und das einer befreundeten Mutter zusammen abholten und in einen Fahrradanhänger packten. „Und in der Kita sind sie in getrennten Gruppen“, berichtet sie und schüttelt den Kopf.
„Eltern aus der Defensive holen“
Daher unterstütze der Gesamtelternbeirat das Bemühen der Stadt und der anderen Träger, die „Eltern aus der Defensive zu holen und aktiv in die Notfallplanung mit einzubeziehen“. Im Bewusstsein der Eltern sei eine mögliche zweiwöchige Schließung wegen Corona schon tief verwurzelt, „doch dass eine kurzzeitige Schließung von Gruppen wegen eines Personalausfalls möglich ist, haben viele noch nicht verinnerlicht“. Daher sei diese offene Herangehensweise begrüßenswert.
Isabelle Schlögl, Geschäftsführerin der katholischen Kitas Konstanz, nimmt genau wie Alfred Kaufmann auch die Arbeitgeber in die Pflicht: „Es kann über Nacht zu Schließungen kommen, denn Krankheiten kündigen sich ja nicht an. Von daher appellieren wir, Eltern kurzzeitig Möglichkeiten des Homeoffice zu gewähren. Wir reden ja von einem überschaubaren Zeitrahmen, nicht von einer monatelangen Schließung der Einrichtungen.“
Alfred Kaufmann treibt noch eine weitere Sorge um: „Manche Eltern reduzieren ihre Erwartungen an eine qualitative Betreuung und haben die Einstellung: Hauptsache, das Kind ist abgegeben“, berichtet er. Sabine Haag pflichtet ihm bei: „Wir haben qualitative Richtlinien. Das Verständnis der Eltern geht aber leider langsam verloren, ich erhalte täglich unverschämte Mails. Wenn wir gegen unsere Aufsichtspflichten verstoßen und sich ein Kind verletzt, möchte ich nicht wissen, wie die Eltern dann reagieren.“
Alfred Kaufmann weiß, dass die Arbeitsethik der Erzieherinnen sehr, sehr hoch sei. „Wenn sie ihre Aufsichtspflichten verletzten, spielen sie mit ihrer beruflichen Existenz.“ Die Belastung sei jetzt schon sehr hoch „und ich weiß nicht, wie lange das noch gut gehen kann. Über ein wenig mehr Wertschätzung und lobende Worte würden sie sich garantiert freuen“.
Die Grenzen jedenfalls seien bereits erreicht. Vielleicht müsse man sich über komplett neue Konzepte Gedanken machen, „denn niemand weiß, wie lange das noch gehen werde. Die meisten gehen ja davon aus, dass der aktuelle Zustand noch lange anhalten werde“.