Kurz vor 7.30 Uhr: An der Kita Villa Kunterbunt herrscht Ruhe. Nur am Eingang springt das Licht an, ansonsten alles dunkel. An der Tür hängt ein Zettel: „Liebe Eltern. Wir streiken! Am Mittwoch, den 21.10. 2020, haben wir geschlossen. Ihr Villa Team“ Die Eltern wissen offenbar Bescheid.

Bis kurz vor 8 Uhr kommen keine Mutter und kein Vater, um schnell noch das Kind abzugeben. Wie an der Villa Kunterbunt in der Rheingutstraße sah es am Mittwoch in drei weiteren städtischen Kindergärten und einigen anderen öffentlichen Einrichtungen aus. Die Zeichen standen auf Warnstreik. Rund 200 Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes im Landkreis schlossen sich einem Protestzug der Gewerkschaft Verdi in der Innenstadt an. Sie forderten mehr Lohn und Anerkennung.

Die betroffenen Eltern der geschlossenen Kitas schwankten zwischen Verständnis und Überlastung. Persönlich wollte sich aber kein Betroffener äußern.
Elternbeirat: Nach Corona und Lockdown muss dieser Streik vielleicht nicht sein
Für Bianca Eblen, Sarah Seidel und Heike Kempe vom Gesamtelternbeirat (GEB) der Kindertagesstätten in Konstanz aber ist klar: „Eine Beurteilung des Streiks kann aus unserer Sicht in diesem besonderen Jahr nur im Lichte von Corona und des Lockdowns im Frühjahr erfolgen.“ Die Belastungen für Familien und Eltern, die ihre Kinder im Homeoffice betreuen mussten, seien sehr hoch gewesen. Vor diesem Hintergrund sehe der GEB die aktuellen Streiks kritisch.
Eltern räumen ein: Erzieherinnen arbeiten unter schwierigen Bedingungen
Eltern wüssten aber auch: Das pädagogische Fachpersonal arbeite unter schlechten Bedingungen. Werde der Druck zu hoch, zeige sich dies auch bei den Kindern. „Deshalb können wir sehr gut nachvollziehen, dass die Erzieherinnen und Erzieher jetzt auf diese Missstände aufmerksam machen“, schreiben Bianca Eblen, Sarah Seidel und Heike Kempe in einer Stellungnahme. Die Eltern befänden sich in einem Dilemma. Die Probleme müssten „laut und deutlich benannt werden“, die Eltern aber auch ihren Berufen nachgehen.
Die GEB-Vertreterinnen sehen es kritisch, dass die Eltern in der Regel die Folgen des Streiks in den Familien abfangen, ohne den Druck an den Arbeitgeber weiterzugeben. Das sei aber allemal verständlich: „Wer will gerade jetzt, wo wir alle nicht wissen, was morgen sein wird, mit seinem Arbeitgeber über Kinderbetreuung verhandeln?“ Eblen, Seidel und Kempe gehen dennoch davon aus, dass Ausfälle beim Arbeitgeber der wahrscheinlich wirksamste Hebel wären, um dem Thema in der Politik mehr Gewicht zu geben. Sie wissen auch, dass viele Eltern jetzt schon am Anschlag sind.

Sabine Winkhardt, Leiterin der Kita im Grün in Litzelstetten, klatscht mit einem großen Fächer im Rhythmus der Verdi-Sprecher auf der Marktstätte. Sie und ihr Team sind im Warnstreik. „Wir sind systemrelevant“, sagt sie dem SÜDKURIER. Dies müsse sich auch in einem entsprechenden Gehalt ausdrücken. Wer den Beruf des Erziehers attraktiv halten wolle, müsse einiges drauflegen. Sie solidarisiert sich auch mit den anderen sozialen Berufen. „Es braucht uns. Und es braucht mehr.“

Dieser Meinung ist auch Claudia Mücke, die seit 30 Jahren im Krankenhaus arbeitet. Auf der chirurgischen Station müsse sie hohe Verantwortung zu einem kleinen Preis tragen. „Wir bekommen viel zu wenig bezahlt.“ Seit Jahrzehnten sei die Station außerdem unterbesetzt. Für Wochenenden, Schichtdienste und Nachtzulagen bekomme sie viel zu wenig. Das meiste werde durch die Steuer wieder aufgefressen. Eva Polanski-Wendel, die ebenfalls auf der Station arbeitet, kann der Kollegin nur beipflichten: Krankenschwestern verdienten nicht genug.
Das Angebot der Arbeitgeber nennen sie „unverschämt“
Thomas Weisz, der im Krankenhaus Konstanz als Krankenpfleger ausgebildet wurde und nun in Konstanz als Verdi-Gewerkschaftssekretär arbeitet, fordert unter anderem 4,8 Prozent Lohnaufschlag. Er bemängelt, dass es zunächst gar kein Angebot vonseiten der Arbeitgeber gegeben habe, und dann eines, das er als „unverschämt“ betrachte. Ins selbe Horn stieß Verdi-Sprecher Andreas Gallus aus Singen. Auch 2018 habe der Arbeitgeber dreimal kein Angebot vorlegt, unter dem Vorwand, das sei alles zu teuer.
Erst wenn sich die Kollegen auf die Hinterbeine stellten, komme Bewegung in die Sache. Schuld an dem Konflikt hätten nicht die, die sich wehrten, sondern die, die durch ihre Blockadehaltung alle Angebote ablehnten. Damit die Berufe Zukunft haben, gelte: „Wir brauchen ein attraktives Einkommensgefüge im Öffentlichen Dienst.“