Es war ein Hilferuf: Welche Eltern können ihre Kinder an welchem Tag später in die Kita bringen, früher abholen oder sogar ganz zu Hause lassen? Dies sollten in den vergangenen Wochen alle Eltern, deren Kinder eine städtische Einrichtung besuchen, den Kitaleitungen mitteilen. Dazu konferierten Sabine Haag, bei der Stadt zuständig für die Kindertagesbetreuung, und ihre Mitarbeiter abends per Videokonferenz nacheinander mit allen Elternbeiräten.
Das Ziel: Die Einrichtungen zu entlasten, denn die Personaldecke wurde vor Weihnachten zunehmend dünner. Erzieher erkrankten an Corona oder anderweitig oder fielen aus, weil sie als Kontaktpersonen in Quarantäne mussten.
Die Leitungen rotierten, mussten oft täglich wechselnde Einsatzpläne schmieden. Dabei sollen die übrig gebliebenen Erzieher auch nicht willkürlich eingesetzt werden, denn die Gruppen müssen aufgrund der Pandemieverordnung möglichst konstant zusammengesetzt werden.
„Der Fachkräftemangel ist seit Jahren bekannt“
Zwar sind die Kitas bis auf die Notgruppen derzeit ohnehin geschlossen, doch das Problem des Personalmangels wird nach der Öffnung erneut auftauchen. Das liegt nur zum Teil an Corona.
Sabine Haag erläutert: „Der Fachkräftemangel ist seit Jahren bekannt. Leider gelingt es trotz diverser Anstrengung der Stadt als ausgezeichneter Arbeitgeber nicht, diesem entgegenzustehen, da auch im Ausbildungs- und Fachschulbereich die Bewerber fehlen. Dazu kommt, dass ein aktives Abwerben anderen Trägern schadet und in letzter Konsequenz somit anderen Eltern.“
Einige Kitas mussten zuletzt kurzfristig Gruppen schließen oder Zeiten reduzieren. Besonders hart trifft es die beiden städtischen Einrichtungen Villa Kunterbunt und Urisberg. Dies liegt an einer dortigen Besonderheit: Die Einrichtungen bieten in einer VÖ-Gruppe (verlängerte Öffnungszeit bis nach dem Mittagessen) zusätzlich zwei Nachmittage an.
Diese beiden Nachmittage sind nun der Knackpunkt. In der Kita Urisberg wurden sie seit diesem Sommer komplett gestrichen, zum Ärger der betroffenen Eltern, wie der SÜDKURIER berichtete. Laut Sabine Haag kann die Stadt durch die Corona-Verordnung diese Zeiten nicht mehr anbieten, weil dadurch nicht nur Personal, sondern auch Räume fehlen, die für die Gruppentrennung vorgeschrieben sind. Das Mittagessen wurde für diese Kinder ebenfalls gestrichen, genauso in der Villa Kunterbunt.
Gestrichene Mittagessen
„Die alten Betriebserlaubnisse sind auf diese Kitas nie angepasst worden, was leider erst durch die Corona-Verordnung bekannt wurde“, sagt Sabine Haag. Eine Umfrage unter den betroffenen Eltern im Urisberg habe „keine deutliche Handlungsnotwendigkeit“ ergeben. Daher würden die zwei zusätzlichen Nachmittage auch nicht wieder eingeführt.
Eltern ärgern sich
Diese Aussage erzürnt Julia Konstanzer vom Urisberg-Elternbeirat: „Die Bedarfsabfrage bezog sich nur auf die Pandemiezeit. Da hatten es bis auf drei Familien tatsächlich alle geschafft, die beiden Nachmittage mit Hilfe von Omas und Babysittern aufzufangen, aber das kann ja keine Dauerlösung sein.“ Sie befürchtet, „dass Corona benutzt wird, um die aus städtischer Sicht ungeliebten Nachmittage endlich loszuwerden“.
Die Stadt wandelt nun ab Sommer 2021 die betreffende Gruppe in eine Ganztagsgruppe um (fünf volle Betreuungstage) und stellt dafür weiteres Personal ein. Doch das hilft aus Sicht von Julia Konstanzer den betroffenen Eltern nicht: „Viele haben durch ihre Arbeitszeiten gar keinen Anspruch auf einen Ganztagsplatz. Daher hatten sie bewusst nur diese beiden zusätzlichen Nachmittage gewählt.“
Die Urisberg-Eltern möchten grundsätzlich nicht einer Erhöhung an Ganztagsplätzen im Weg stehen. „Der Bedarf ist in der ganzen Stadt ja deutlich vorhanden“, sagt die Mutter. Doch sie versteht nicht die sofortige Streichung der zwei Nachmittage. „Warum können nicht die bestehenden Verträge zumindest auslaufen und die Stadt bietet dieses Modell einfach künftigen Eltern nicht mehr an?“
Sabine Haag erwidert: „Wenn wir das Modell ausschleichen lassen könnten, würden wir dies anbieten. Nach jetzigem Stand ist das allerdings für das laufende Kita-Jahr nicht möglich.“ Die Umwandlung in eine Ganztagsgruppe biete dafür andere Vorteile, unter anderem zusätzliches Personal, bessere Planbarkeit und die Tatsache, dass künftig alle Urisberg-Krippenkinder mit Ganztagesplatz in den Kindergarten derselben Kita wechseln können. Bisher konnten nicht alle übernommen werden.
Zusätzlicher Personalausfall durch Schwangerschaften
Sabine Haag bittet um Verständnis für die schwierige Lage auch der Stadtverwaltung: „Uns ist bewusst, dass die Streichung der Nachmittage einen herben Einschnitt für die Eltern darstellt. Aber wir kürzen nicht die Betreuungszeiten oder reduzieren die Kinderzahlen, weil uns gerade nichts Besseres einfällt. Insbesondere in der Villa Kunterbunt gingen die Erzieher seit Wochen zugunsten der Eltern über ihre Grenzen, um den zusätzlichen Personalausfall von zwei Schwangeren aufzufangen.“
Die Stadt habe immer wieder betont, dass der Regelbetrieb unter Pandemiebedingungen kein verlässlicher Regelbetrieb sein könne, und, dass mit Einschränkungen zu rechnen sei. „Wir haben den Eindruck, dass diese Nachricht bei einigen Eltern leider immer noch nicht richtig angekommen ist“, so Haag.