„Menschenschutzgebiet“: Der Titel alleine weckt die Neugier. Pünktlich zum Erscheinungstag am Mittwoch, 18. September, liest OB Uli Burchardt im SÜDKURIER-Medienhaus in Kooperation mit der Buchhandlung Osiander aus seinem Werk.
Vor den etwa 150 Gästen steht an diesem Tag nicht der Oberbürgermeister der Stadt Konstanz. Das ist Burchardt wichtig, das betont er mehrfach an diesem Abend. Jörg-Peter Rau, Mitglied der SÜDKURIER-Chefredaktion, stellt dies auch schon in seiner kurzen Begrüßung fest: Uli Burchardt ist als Buchautor da; die spätere Diskussion sei nicht als Bürgersprechstunde anzusehen.
Die Lesung ist gleichsam auch Erzählung, denn Uli Burchardt plaudert über die Entstehungsgeschichte seines zweiten Buches, die immer wieder aufgrund aktueller Ereignisse eine andere Wendung nahm, und erklärt den Aufbau des Werkes. Er spricht von fünf Teilen: Das Leben auf dem Dorf, wo er aufgewachsen ist, das Thema Natur, der Bereich Wirtschaft, Stadt und Skizze einer Zukunft.
Und der Titel? Der spiele mit dem Begriff Naturschutzgebiet. Und eben mit Naturschutz ist Uli Burchardt nicht so ganz einverstanden, den sieht er äußerst kritisch: Naturschutzgebiet impliziere, der Mensch dürfe nicht rein, denn er mache alles kaputt. „Das ist zu einfach gedacht“, findet Burchardt.
Ist der Mensch ein Schädling?
Der Abend fängt sehr gefällig an. Uli Burchardt berichtet von einer Jugend auf dem Dorf und liest immer wieder Passagen aus seinem Buch. Die Zuhörer lernen so die Person Burchardt besser kennen – und vielleicht sogar verstehen.
Doch im Laufe des Abends wird es immer wieder spannend, denn der Autor lässt mit seinen knackigen Thesen immer wieder aufhorchen, wenn er den Naturschutz kritisiert, weil dieser den Menschen aussperre und die Entwicklung dessen Habitats behindere. Schließlich, so Burchardt: „Der Mensch ist auch nur ein Tier, die Stadt ein Ökosystem.“
„Auch wir Menschen haben ein Recht, uns ein Ökosystem zu schaffen“, findet Uli Burchardt. Eine Stadt, Beton, Erdöl – all das sei doch schließlich auch Natur. So kommt der Autor sukzessive auf des Pudels Kern zu sprechen: Seine Ansicht, dass der Naturschutz die Entwicklung und die Zukunftsfähigkeit des menschlichen Lebensraums behindere, wenn nicht sogar dem entgegenstehe.
Kritik an „radikalem Naturschutz“
Er findet sehr klare Worte, wenn er von „rücksichtslos, radikalem Naturschutz“ spricht, einem Naturschutz, der „den Menschen als Schädling deklariert“. Spätestens an diesem Punkt mutmaßen einige Zuhörer, dass sich die gescholtenen Naturschutzverbände nach Lektüre von „Menschenschutzgebiet“ mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu Wort melden werden.

Uli Burchardt gibt auch einen kleinen Ausblick, wie die „grüne Stadt der Zukunft“ aussehen könnte: Kreislaufwirtschaft, Landwirtschaft in der Stadt und weitere Wege hin zu einer klimaneutralen Kommune. Und nicht erst an diesem Punkt fließen die Erfahrungen eines Oberbürgermeisters in das Buch der Person Uli Burchardt ein.
Das Gespräch und das Spiel der Kräfte
Und genau da hakt auch Johannes Bruggaier, Leiter der SÜDKURIER-Kulturredaktion, ein. Ihm gelingt es, die Passagen in den gesellschaftlichen Kontext einzuordnen, im anschließenden Gespräch mit Autor Uli Burchardt ein: Bei der Vision der Stadt der Zukunft, wo kein Auto mehr fahre, wo es mitten in der Stadt einen Wald gebe, Ver- und Gebrauchsgüter repariert oder zu anderem weiterverarbeitet werde.
„Da ertappt man sich als Leser: Man müsste OB sein, um so viel gestalten zu können“, so Bruggaier. Uli Burchardt geht nicht auf diese Anspielung ein, sondern hebt nochmals hervor, dass er nicht als OB hier sitze. „Ich bin nur der Typ, der das geschrieben hat“, sagt Burchardt. Und bei dem Buch handle es sich um eine Meinungsäußerung, die vielleicht auch zum Nachdenken anregen solle.
Doch Bruggaier lässt den seine Meinung und seine Kritik in verschiedene Richtungen äußernden Autoren nicht so leicht vom Haken. „Frühere Oberbürgermeister wollten auch das Beste für ihre Stadt“, so Johannes Bruggaier, der an die Ära erinnert, als die Natur radikal zubetoniert wurde, und fragt: „Wäre damals nicht ein nervender Nabu und eine kritische Presse gut gewesen?“
„Ja, mag sein“, räumt Uli Burchardt ein. „Es ist ein Spiel der Kräfte.“ Und doch: Natur-, Brand- und Denkmalschutz, da rolle wohl jeder Bürgermeister in Deutschland mit den Augen. Da komme ein Gutachter und schon sei man vier Millionen Euro los, so Burchardt. Aufgrund vieler Auflagen und Vorgaben seitens Bund und Länder bliebe den Stadtverwaltungen aber oft gar keine andere Wahl.
„Knackige Thesen und klar formulierte Kritik“, steckten in diesem Buch, fasst Johannes Bruggaier zum Schluss zusammen. „Menschenschutzgebiet“ wird die Leser zum Nachdenken, möglicherweise auch zum Aufregen und hoffentlich zum Diskurs anregen. Fruchtbare Diskussionen wären übrigens auch ganz im Sinne der SÜDKURIER-Initiative Stadtgespräch, die ja unter dem Motto „es ist besser miteinander zu reden statt übereinander“ steht.