Ein Rätsel kurz vor Weihnachten: Welche Gebäude haben oft eine bessere Akustik als das Konzil, bieten mehr Platz als ein Tagungsraum und müssen trotzdem um ihren Erhalt kämpfen? Richtig: Die Rede ist von den imposanten Kirchen, die das Konstanzer Stadtbild dominieren, Touristen anlocken und eine Heimat für Gottesdienste sowie vielfältige musikalische Auftritte bieten.
Jahrhundertelang war ein immer verfügbares Gotteshaus im eigenen Viertel eine Selbstverständlichkeit. Doch diese Gewissheit bröckelt. Denn die christlichen Kirchen ringen mit Mitgliederschwund und weniger Kirchensteuern, um Reformen und ihre Bedeutung in der Gesellschaft.
Plötzlich müssen Fragen gestellt werden, die früher undenkbar gewesen wären: Braucht es wirklich zehn für Gottesdienste genutzte evangelische und katholische Kirchen allein in der Kernstadt plus weitere in den Vororten? Die Mitgliederzahlen geben das nicht mehr her. Und so verordnete die Badische Landessynode jüngst ein Sparziel: Auch der Kirchenbezirk Konstanz muss bis 2032 mindestens ein Drittel seiner Kosten einsparen. Schweren Herzens bewerteten die evangelischen Gremien ihre Gebäude mit Grün, Gelb oder Rot: Wo wird künftig noch Geld der Landeskirche investiert, wo nicht?

Abgerissen oder dem Verfall anheimgegeben werden sollen die mit „Rot“ markierten Gebäude zwar nicht, aber es müssen Ideen her, in welcher Trägerschaft, mit welchem Geld und vor allem mit welchem Konzept sie für die Öffentlichkeit erhalten werden können. Das ist übrigens nicht neu: Auch früher schon wurden Kirchen umgenutzt, siehe St. Johann in der Niederburg (heute haben dort viele Menschen ihren Arbeitsplatz) und die ehemalige Paulskirche (Kunst- und Kulturzentrum K9).
Jetzt sind nicht nur die Geistlichen, die Stadt Konstanz und der Denkmalschutz gefragt, sich einzubringen, sondern wir alle als Stadtgemeinschaft. Die schmucken Kirchen liegen sicher vielen Konstanzern am Herzen, selbst wenn sie nur selten einen Fuß hineinsetzen.

So ungerecht es erscheinen mag, dass die Gemeinden vor Ort ausbaden müssen, was insgesamt schiefläuft in den christlichen Kirchen, so wichtig ist es trotzdem, dass dies zu Veränderung führt. Dadurch gewinnen die Kirchen klarere Profile und Mut zu neuen Formaten, die sogar ohne Gebäude auskommen, beispielsweise beim Gottesdienst unter freiem Himmel.
Dennoch: Loslassen ist schmerzhaft. Umso bewundernswerter ist es, mit welchem Elan sich die neu gegründete Förderinitiative Zukunft Lutherkirche und die evangelischen Geistlichen um den Erhalt des schönen Bauwerks bemühen. Sie sprechen von Aufbruch und neuen Chancen, anstatt im Lamento zu verharren.
Nur mit dieser Flexibilität sind die christlichen Kirchen imstande, nicht in der Bedeutungslosigkeit zu versinken. Sie müssen offen in die Zukunft gehen, geistig wie geistlich. Ihre Hoffnung können sie dabei auf eine Gewissheit gründen: Der Zusammenhalt von Gläubigen hängt nicht von einem Gebäude ab.
