Herr Langensteiner-Schönborn, der Expertenrat „Klimaschutz und Zukunftsstadt“ hat sich zu einer ersten Tagung getroffen – was hat das gebracht?

Es geht vor allem darum, dass wir nicht nur unsere eigene Suppe kochen. Das ist allein schon deswegen notwendig, weil die Zeit drängt. Konstanz will bis 2030 beziehungsweise 2035 die Klimaneutralität erreichen. Das wird nicht gelingen, wenn wir nicht den Erfahrungsschatz und das Wissen von draußen nutzen. Der Beirat ist ein Beschleunigungsinstrument und ich bin sehr froh, dass wir zum Beispiel das Ifeu-Institut (siehe Info) gewinnen konnten. Die haben mächtig Interesse daran, was hier in Konstanz passiert.

Zehn bis 15 Jahre – ist das nicht Zeit genug? Die ideologischen Debatten sind doch längst geführt, jetzt muss man‘s nur noch machen!

Richtig, das Ziel steht fest. Aber deshalb stellt sich dennoch die Frage, wie man vorgeht. Und das Einfache ist bei genauer Betrachtung immer das Schwierige.

Wieso? In Kopenhagen funktioniert‘s doch auch – wieso macht man das nicht einfach nach?

Alle Welt spricht von Kopenhagen, vor allem wenn es um die Mobilität geht. Was dabei vergessen wird: Die Dänen haben mit dem Prozess der Transformation vor 40 Jahren begonnen. In Konstanz haben wir gerade mal einen Zeitrahmen von 15 Jahren. Wenn wir das hinbekommen wollen, müssen wir schon ein bisschen den Honig aus andernorts erfolgreichen Projekten saugen. Allerdings sind die Konstanzer bei allen Wegen bereits zu 69 Prozent im Umweltverbund unterwegs – da sind wir in Deutschland ganz oben dabei.

In Ordnung, es geht also um die Strategie des Vorgehens. Nennen Sie ein Beispiel. Am besten aus einem Bereich, wo jeder mitreden kann: die Mobilität.

Wir haben die Vision einer weitgehend auto- und emissionsfreien Innenstadt mit hoher Attraktivität und Lebensqualität. Hierbei soll vor allem das Umland mit einbezogen werden, also die Pendler- beziehungsweise Quell- und Zielverkehre, denn hier ist der Anteil an den Wegen mit dem Auto noch bei 69 Prozent. Da ist man ziemlich schnell bei Zielkonflikten...

...warum?

Es gibt die Interessen des Handels, was längst nicht die Geschäftsleute allein betrifft, die fürchten, sie wären dann nicht mehr erreichbar. Konstanz ist für viele Menschen gerade wegen der Einkaufsmöglichkeiten und des Bummelns attraktiv. Es geht ja nicht darum, die Mobilität abzuschaffen, sondern wie man sie gestaltet und lenkt. Konkret: Wir wollen keine Stellplätze wegnehmen, weil wir im Vergleich zu anderen Städten gar nicht so viele haben, sondern nur in weniger störende Bereiche verlagern und die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt verbessern. Aber verteuert man schon heute die Innenstadt-Stellplätze und bietet dann Alternativen an oder umgekehrt? Das wird im Einzelfall ganz schön kompliziert – auch im Gemeinderat.

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Anders gesagt: Die Mobilitätswende lässt sich nur umsetzen, wenn man gleichzeitig was anbietet und wegnimmt. Also das Prinzip Zuckerbrot und Peitsche.

Ich möchte lieber von „push and pull“ sprechen. Aber ja: Im Kern ist damit das Gleiche gemeint, denn im Alltag heißt das immer auch, dass auf der einen Seite attraktive Angebote gemacht werden und es gleichzeitig Restriktionen gibt für das, was nicht gewollt ist. Das kommt dann auch schon mal in Form von Bußgeldern daher.

Und was ist das Zuckerbrot?

Oh, das ist ein ganze Menge. Mit weniger Autos im öffentlichen Raum gewinnen wir an Aufenthaltsqualität. Am Bahnhofsplatz fangen wir schon an, der Stephansplatz folgt. Außerdem wird es mehr Car-Sharing geben, die neue Stadtbus-Ringlinie in die Altstadt, mehr Konräder und Lastenfahrräder, die Einrichtungen von Quartiersgaragen oder die Etablierung von Mobilpunkten...

Moment mal: Quartiersgaragen, Mobilpunkte – was heißt das?

Die Menschen haben keine Probleme, an bestimmten Orten außerhalb der Stadt auf Bus und Bahn oder Rad umzusteigen und so in die Innenstadt zu kommen. Sie müssen nur wissen wo – und es muss funktionieren. Mit den Konstanzern selbst gibt es kaum Probleme: Wie gesagt, Dreiviertel von ihnen sind schon jetzt mit den Angeboten des Umweltverbunds, mit dem Rad oder zu Fuß unterwegs. Beim Radverkehr erreichen die Konstanzer eine Quote von 34 Prozent. Das ist ein richtig fetter Wert und wird nicht einmal von Tübingen erreicht. Mehr geht im Grunde nur, wenn Platz geschaffen wird. Der ruhende Verkehr ist deshalb fast das größere Problem, den wollen wir in weniger störende Bereiche verlagern.

Aber mal ernsthaft: Konstanz wird das nicht allein schultern können, weil die Verkehrsströme ein Netzwerk bis weit ins Umland und die Schweiz bilden.

So ist es, Konstanz kommt an seine Grenzen. Nötig ist ein Maßnahmepaket, das die Schiene mit berücksichtigt – mit einem 15-Minuten-Takt in Richtung Allensbach und Radolfzell und auch weiter in die Schweiz, wozu auch ausreichend P+R-Angebote hören. Und beim Ausbau von Schnell- oder Fernradwegen ist das Land gefordert, alles zusammen muss dann auch noch ineinander greifen. Aber noch einmal: Was Konstanz selbst anbelangt, sind wir gut aufgestellt. Nur rund 25 Prozent – übrigens inklusive der Menschen in den Ortsteilen – nutzen beim innerstädtischen Verkehr das Auto.

Die flächendeckende Mobilitätswende erscheint wie ein riesiger Berg an Aufgaben. Wie einsam ist Konstanz?

Gar nicht! Es gibt Unterstützung vom Land und Bund, da sind viele gute und engagierte Leute zum Beispiel beim Verkehrsministerium. Die sind sehr hilfreich, wenn es beispielsweise darum geht, wie sich die Projekte finanzieren lassen. Nein, das Problem ist ein anderes: Es ist einfach eine große logistische Herausforderung, bei der sich am Ende immer auch die Frage stellt, ob bei den Firmen überhaupt noch die Kapazitäten für die anstehenden Arbeiten vorhanden sind. Und es ist auch eine Frage der Ressourcen in unserer Verwaltung, die nicht alle wichtigen Aufgaben zugleich angehen kann. Das alles gilt außerdem nicht nur für die Mobilitätswende, sondern auch für Bereiche wie Energie oder Städtebau. Auch da sehe ich keine ideologischen Hindernisse. In der Politik geht es darum, dass die Verantwortung gesetzlich und finanziell hinterlegt wird – und das es zügig passiert.

Es geht also „nur“ ums Machen und die Nutzung vorhandener Expertisen?

Ja. Wir müssen jetzt möglichst effizient an die Umsetzung gehen.