Das Thema lässt die Stadt und den Oberbürgermeister einfach nicht los. Dass Konstanz sich in der Gemeinderatsitzung im Juli noch nicht auf ein Klimaziel festgelegt hat, wird auf der Straße und im Netz heiß debattiert. Die SPD hat eine sehr ausführliche Begründung für den umstrittenen Beschluss auf ihrer Webseite veröffentlicht, Fridays for Future demonstrierten am Freitag, und OB-Herausforderer Luigi Pantisano verkündet, dass mit ihm alles anders laufen würde.

Das könnte Sie auch interessieren

FFF würden Burchardt abwählen

Für die jungen Klimaaktivisten ist die am 27. September stattfindende Wahl des Konstanzer Oberbürgermeisters eine Klimawahl. Ginge es nur nach der Gruppe Fridays For Future, würde der amtierende Oberbürgermeister Uli Burchardt abgewählt, das machten sie am Freitag mehr als deutlich.

Das könnte Sie auch interessieren

Doch was hat er getan, das sie so verärgert?

In ihren Augen trägt Burchardt die Schuld daran, dass Konstanz nicht per Gemeinderatsbeschluss sagt: „Wir werden im Jahr 2030 klimaneutral“. Oder, zumindest, im Jahr 2035. Mit einer Stimme wurde ein Beschluss, der ein Statement wie dieses beinhaltete, verhindert. Da auch Burchardt eine Stimme im Rat hat, hätte er aus Sicht von FFF das Ruder herumreißen können.

Bild 1: Wird die Konstanzer Oberbürgermeisterwahl eine Klima-Wahl?
Bild: Wagner, Claudia

Stattdessen will die Stadt erst vom Heidelberger Ifeu-Institut berechnen lassen, was genau zu tun ist, um diese Ziele zu schaffen. Und dann entscheiden.

Durchaus pragmatisch, könnte man meinen

FFF-Aktivistin Frida Mühlhoff aber sagt: „Wenn man schon eine Luftnummer als Ziel beschließt, die aus klimawissenschaftlicher Sicht völlig unzureichend ist, sollte man auch dazu stehen!“
Dazu passe auch, dass die Entscheidung über die endgültige Klimazielsetzung auf nächstes Jahr – nach der OB-Wahl! – vertagt wurde.

FFF: Verschieben hat System in Konstanz

FFF-Aktivist Jannis Krüßmann: “Das Verschieben von ernsthaftem Klimaschutz hat in Konstanz leider nicht erst seit der Ausrufung des Klimanotstandes System.“ Es sei ein Unding, „dass die Verwaltung wieder erst auf Initiative von Fridays for Future aktiv geworden ist und das Ifeu-Institut an Bord geholt hat – das wäre eigentlich schon vor über einem Jahr notwendig gewesen.“

Das könnte Sie auch interessieren

Vor über einem Jahr hat Konstanz den Klimanotstand ausgerufen

Es wäre falsch, zu behaupten, es sei seither nichts passiert. Die Stadt hat einen Klimamanager in der Verwaltung, jeder Beschluss des Rats wird auf seine Wirkung aufs Klima hin überprüft. Die ganze Stadtverwaltung hat das Thema bei ihren Entscheidungen im Blick.

Das könnte Sie auch interessieren

Aber tatsächlich: Schon Anfang des Jahres kritisierten Wissenschaftler, dass die Konstanzer Klimabemühungen wenig planvoll verliefen. Dass zum Beispiel ganz konkrete CO2-Bilanzen, anhand derer man Fortschritte überprüfen kann, fehlten.

Das könnte Sie auch interessieren

Das wird nun nachgeholt, indem das Ifeu-Institut an Bord geholt wird

Zum SÜDKURIER sagte Burchardt über den Gemeinderatsbeschluss: „Für mich ist dieser klar: Wir wollen spätestens 2035 klimaneutral sein. Das ist ein extrem ambitionierter Beschluss, mit dem wir zu den absoluten Vorreitern in Deutschland gehören.“

Die Pressekonferenz zum Klimanotstand in Konstanz 2019. Da standen Oberbürgermeister Uli Burchardt und Fridays for Future noch Seite an ...
Die Pressekonferenz zum Klimanotstand in Konstanz 2019. Da standen Oberbürgermeister Uli Burchardt und Fridays for Future noch Seite an Seite. | Bild: Kares, Julian

Und auch Stadtsprecher Walter Rügert machte klar: „Wir wollen dieses Ziel erreichen.“ Er erklärt den Beschluss des Rates: „Darin heißt es, ‚der Gemeinderat beschließt, das Ziel Klimaneutralität für die Stadt Konstanz schnellstmöglich erreichen zu wollen.‘ Eine Jahreszahl ist hier noch nicht genannt. Aber mit dem Begriff ‚schnellstmöglich‘ unterstreicht er die Dringlichkeit der Zielerreichung: je früher, desto besser.“ Und weiter: „Offen ist noch, ob dieses Zieljahr nun 2030 oder 2035 sein wird.“

Ärgern sich die Fridays for Future zu Recht? Oder übertreiben sie?

Diejenigen, die es wissen müssen, sind die Konstanzer Stadträte. Sie haben im Gemeinderat den umstrittenen Beschluss gefasst. Gegenüber SÜDKURIER äußern sie sich nun dazu. Das sind ihre Statements in Auszügen.

CDU-Stadtrat: Ergebnis könnte auch 2032 sein

Heinrich Fuchs (CDU) für die gesamte Fraktion:

Heinrich Fuchs.
Heinrich Fuchs. | Bild: SK

„Das Zieljahr zu beschließen, wenn das Ifeu-Institut die Ergebnisse der Klimaschutzstrategie vorgelegt hat, halten wir für eine ehrliche Vorgehensweise, die aufzeigt, was in welchem Bereich getan werden muss, um das Ziel der Klimaneutralität schnellstmöglich zu erreichen. Das Ergebnis könnte auch sein, es bis 2032 oder 2033 zu schaffen.“

CDU-Stadtrat: Bis 2035 nicht zu schaffen

Marcus Nabholz (CDU): „Meiner Meinung nach ist es ein sportliches Ziel, bis 2035 die Klimaneutralität zu erreichen! Alleine die Stadt Konstanz müsste dafür alle städtischen Gebäude klimaneutral umgestalten. Bei der Menge an städtischen Gebäuden käme eine stattliche Summe von etwa 400 Millionen Euro zusammen.

Marcus Nabholz.
Marcus Nabholz. | Bild: Hanser, Oliver

Wer soll diese Umbaumaßnahmen vornehmen? So viele Firmen, Handwerker gibt es in Konstanz nicht. Ergo bis 35 nicht zu schaffen.“ Er verweist darauf, dass sogar die Stadt Freiburg, die als Vorreiter in Sachen Klimaschutz gelte, damit rechnet, die Klimaneutralität frühestens bis 2050 zu schaffen. Zudem müsse der Klimawandel sozial verträglich sein.

FGL hält Beschluss für fatales Signal

Anne Mühlhäußer (FGL): „Dass ein zeitlich verbindlicher Beschluss ausgerechnet an der Stimme des Oberbürgermeisters scheiterte, hält die FGL für ein fatales Signal und ist für sie nicht nachvollziehbar. Der Klimawandel wird aber, wenn nicht sofort gegengesteuert wird, verheerende Folgen für die Erde haben, sodass es für die FGL absolut unverständlich ist, dass man als Stadt nicht alles dafür tut, vor allem zeitlich verbindliche Ziele festzulegen.

Anne Mühlhäuser.
Anne Mühlhäuser. | Bild: SK

Bereits das zurückliegende Jahr, in dem seit der Ausrufung des Klimanotstands so gut wie nichts in Sachen Klimaschutz geschehen ist, war ein verlorenes Jahr.“

Freie Wähler: Sind keine Wissenschaftler

Ewald Weisschedel und Daniel Hölzle für die Freien Wähler: „Im Unterschied zum Beschluss Klimanotstand geht es jetzt um die konkrete Umsetzung. Für uns beinhaltet der Beschluss eine klare Willensbekundung, 2035 als Ziel zu setzen. Wir sind aber keine Wissenschaftler.

Daniel Hölzle.
Daniel Hölzle. | Bild: Bernd Kern

Daher ist es richtig, diese Willensbekundung in der Folge durch das renommierte Ifeu-Institut auch auf Belastbarkeit zu prüfen und einen entsprechenden Fahrplan auszuarbeiten. So kommen wir weg vom Wunschdenken zu wirklicher Planbarkeit. Wichtig ist gleichzeitig, dass wir bis zu diesen Ergebnissen an unseren bereits ambitionierten Maßnahmen weiter arbeiten.“

FDP: Mieter würden Hauptlast tragen

Heinrich Everke (FDP): „In der Debatte zum Klimaziel 2030 haben wir uns als FDP-Fraktion gegen die darin enthaltenen rigiden Maßnahmen ausgesprochen, weil wir sie für unrealistisch hielten. Wir haben als wichtigstes Argument für unsere Zurückhaltung die Unmöglichkeit angesprochen, den Wärmeverbrauch der Gebäude in dem geforderten Umfang und in der geforderten Zeit zu verwirklichen.

Das könnte Sie auch interessieren

Der Wärmeverbrauch ist mit 50 Prozent an der CO2-Produktion beteiligt. Das ist also der Knackpunkt. Wenn man den Wärmeverbrauch tatsächlich senken will, muss man die Bevölkerung zwingen, ihre Wohnungen und Häuser zu sanieren – und zwar flächendeckend. Wir würden Mietsteigerungen in ähnlicher Höhe wie bei den von der Vonovia in der Schwaketenstraße sanierten Häusern erleben.“

Das könnte Sie auch interessieren

Junges Forum will verbindliche Zielvereinbarung

Matthias Schäfer vom Jungen Forum:

Matthias Schäfer.
Matthias Schäfer. | Bild: SK

„Das Jahr 2035 wurde noch nicht als verbindliches Ziel vereinbart, und hier eine Verbindlichkeit zu suggerieren, ist falsch. Wir fordern Klarheit über den Prozess und eine verbindliche Zielvereinbarung noch dieses Jahr.“

Linke Liste: Beschluss enthält Exit-Option für klimafreundliche Politik

Simon Pschorr, Linke Liste: „Klarheit war der Stadtverwaltung, konkret dem Oberbürgermeister Burchardt, ein Dorn im Auge. Die konservativen Parteien mit der entscheidenden Stimme des Oberbürgermeisters entschieden sich gegen Verbindlichkeit und für ein schwammiges ‚Idealziel 2035‘ – obwohl die führenden Fachleute im Klimabereich 2035 als eh verspätet ansehen.

Simon Pschorr.
Simon Pschorr. | Bild: Daniel Schroeder

Die Beschlussfassung lässt den zukünftigen politischen Gremien der Stadt noch zusätzlich bewusst die Tür offen, aus einer klimafreundlichen Politik auszusteigen.“

SPD zufrieden mit Beschluss

Jürgen Ruff: „Die SPD-Fraktion hatte in ihrem Klimapositiv-Antrag bewusst die Punkte Bestandsanalyse mit CO2- und Energie-Bilanz zur Definition des Startpunkts, Beschleunigung laufender Maßnahmen, um keinen Stillstand zu haben, und die kontinuierliche Anpassung der Absenkpfade und der Klimaschutzstrategie an veränderte Rahmenbedingungen aufgenommen.

Jürgen Ruff.
Jürgen Ruff. | Bild: Eva Marie Stegmann

Durch diese Optimierungsmechanismen soll Konstanz dem Idealziel klimapositiv 2030 möglichst nahe kommen. Wir gehen davon aus, dass der damit angestoßene Prozess durch die Ergebnisse des Ifeu-Instituts noch weiter beschleunigt werden kann.“