Nach einem Bericht des SÜDKURIER über irreführende Informationen zum Thema Klimaneutralität ist die Debatte in der Stadt neu aufgeflammt. Die Stadt verbreitete in den sozialen Medien, dass der Gemeinderat sich auf das Jahr 2035 für ein klimaneutrales Konstanz festgelegt habe.

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Tatsächlich jedoch ist man von einer Festlegung auf ein konkretes Datum noch weit entfernt. Das soll erst im Jahr 2021 beschlossen werden.

Sehr komplexe Debatte, aber sie lohnt sich

Die Debatte dazu im Gemeinderat war komplex. Und sie sagt auch etwas aus darüber, wie es anderen Kommunen wohl gehen wird, die Klimaneutralität für sich beschließen wollen oder bereits beschlossen haben.

Die irreführende Information auf Twitter: Dass der Gemeinderat beschlossen hätte, Konstanz würde spätestens 2035 klimaneutral werden.
Die irreführende Information auf Twitter: Dass der Gemeinderat beschlossen hätte, Konstanz würde spätestens 2035 klimaneutral werden. | Bild: Screenshot/Twitter

Wir haben hier für Sie zusammengefasst, warum sich die Mehrheit des Gemeinderats gegen eine Festlegung auf ein fixes Jahr für die Klimaneutralität entschieden hatte.

Das haben die Räte beschlossen

Beschlossen haben die Stadträte auf jener letzten Sitzung vor der Sommerpause, dass das renommierte Ifeu-Institut aus Heidelberg für Konstanz verschiedene Klimafahrpläne errechnen soll.

Fahrplan Richtung Klimaneutralität

Auf Basis der Berechnungen wollen die Räte dann im Jahr 2021 einen Fahrplan erstellen. Und damit, wann Konstanz klimaneutral werden kann. Die Fahrpläne haben unterschiedliche Zielstationen: einer Klimaneutralität 2030, einer 2035. Und ein sogenanntes „Bestmöglich – Szenario“. Das wird etwas sperrig so beschrieben: „Aufzeigen eines ambitionierten Absenkpfades unter Berücksichtigung des aktuellen Bundes- und EU-Rahmens“.

Der größte Knackpunkt der Reise

Dieser letzte Punkt ist der größte Knackpunkt der Reise der Stadt Konstanz Richtung Klimaneutralität. Der Klimamanager der Stadt, Lorenz Heublein, erklärte das so: „Wir wollen möglichst früh in den 2030-er-Jahren klimaneutral sein. Wir wissen aber gleichzeitig, dass wir dafür eine ganze Menge an Unterstützung von Bund und Land brauchen, die so noch nicht da ist.“

Der Konstanzer Klimamanager Lorenz Heublein bei seiner Rede im Gemeinderat.
Der Konstanzer Klimamanager Lorenz Heublein bei seiner Rede im Gemeinderat. | Bild: Screenshot/Gemeinderat Stadt Konstanz

Sprich: Damit Konstanz 2030 oder 2035 territorial klimaneutral werden kann, müssen Bund und EU den Kommunen mehr finanziellen Spielraum geben, so Heublein. Viel mehr. Allein vorgezogene Gebäudesanierungen, die zwingend für die Klimabilanz der Stadt nötig wären, würden Kosten in Millionen-, wenn nicht Milliardenhöhe verursachen.

Hans Hertle ist Klimaschützer, aber warnte vor Zieljahr

Aber was, wenn EU und Bund bei ihrem Kurs bleiben? Heublein betonte, dass es wichtig sei, diesen Fall in die Ifeu-Berechnung für Konstanz miteinzubeziehen. Daraus entstand das „Bestmöglich-Szenario“ im Beschluss der Stadträte.

Er soll das Konstanzer Klima retten: Hans Hertle vom Ifeu-Institut.
Er soll das Konstanzer Klima retten: Hans Hertle vom Ifeu-Institut. | Bild: Screenshot/Gemeinderatsitzung Stadt Konstanz

Auch der Experte vom Ifeu-Institut, der ausgewiesene Klimaschützer und Fridays-for-Future-Fan Hans Hertle, warnte vor einer zu frühen Festlegung auf eine Jahreszahl: „Die Leute überbieten sich mit Jahreszahlen. Ziele sind wichtig, aber wenn keine Maßnahmen dran hängen, kann ich sie gleich vergessen.“

Sein Credo: Erst ausrechnen, dann Jahreszahl beschließen. Er warnte, dass unter den gegebenen Umständen Klimaneutralität für Konstanz 2035 eine „eine knallharte Nummer“ werden würde.

Diese Argumente überzeugte die Mehrheit der Räte.

Die SPD ergänzte in den Verwaltungsantrag unter anderem eine Beschleunigung der laufenden Maßnahmen.

Das Junge Forum, die Linke Liste und einzelne Mitglieder der Freien Grünen Liste hätten trotzdem gerne ein Zieljahr festgelegt. Sie argumentierten unter anderem mit der Dringlichkeit. Dass man schnell anfangen solle, statt herumzurechnen.

Nina Röckelein
Nina Röckelein | Bild: SK

Nina Röckelein (FGL) sagte: „Wir brauchen ein Ziel, das mutig ist und das Leute wieder motiviert, ihr Leben zu verändern, so wie der Klimanotstand.“ Und: „Wenn wir schwammige Formulierungen wie ‚schnellstmöglich‘ wählen, glaube ich nicht, dass wir irgendwo schnellstmöglich hinkommen.“

Die Kritik an Stadt und Oberbürgermeister

Auf Twitter und auf der städtischen Homepage heißt es, der Konstanzer Gemeinderat habe die Klimaneutralität 2035 bereits beschlossen. Bisher ist die Zahl 2035 eine Willensbekundung, hinter der Stadträte und OB stehen.

Ist es Wahlkampf?

Uli Burchardt wird nun vorgeworfen, im Wahlkampf für sich mit dem vermeintlichen Beschluss „Klimaneutralität für Konstanz 2035“ zu werben. Zu der Kritik sagte er gegenüber dem SÜDKURIER: „Ich möchte, dass Konstanz schnellstmöglich klimaneutral wird. Das heißt für mich: spätestens 2035. Das habe ich in der Sitzung unmissverständlich so gesagt.“

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Und: „Für mich ist der Gemeinderatsbeschluss klar: Wir wollen spätestens 2035 klimaneutral sein. Das ist ein extrem ambitionierter Beschluss, mit dem wir zu den absoluten Vorreitern in Deutschland gehören.“

OB hätte lieber bis nach der Wahl gewartet

Der Oberbürgermeister betont außerdem, wie komplex das Thema und die Diskussion im Gemeinderat gewesen seien. Weiter sagte er: „Ich hätte es erst nach den Wahlen auf die Tagesordnung gebracht, denn gründliche Vorbereitung, Besonnenheit und Ruhe tun dem anspruchsvollen Thema gut.“