Ein Abend im Obergeschoss des P-Gebäudes der HTWG am Konstanzer Seeufer. Drei Professoren sind gekommen, um über ihre Stellungnahme, die sie mit mehreren anderen im Namen der Scientists for Future Konstanz verfasst haben, zu sprechen. Hausherr Frank Best, Studiendekan für Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule, schenkt Thomas Mayer, Professor für Molekulare Genetik an der Universität, und Christine Peter, Studiendekanin im Fachbereich Chemie, Wasser aus. Dann kann das Interview losgehen.

Von links: Die Professoren Thomas Mayer (Universität Konstanz), Frank Best (HTWG), Christine Peter (Universität Konstanz)
Von links: Die Professoren Thomas Mayer (Universität Konstanz), Frank Best (HTWG), Christine Peter (Universität Konstanz) | Bild: Von Eva Marie Stegmann

Sie haben eine Stellungnahme zum Klimaschutzbericht der Stadt mitverfasst. Sie wollen, dass die Stadt am Ziel im Jahr 2030 klimaneutral zu sein, festhält.

Christine Peter: Ja. Im Klimaschutzbericht steht, man wolle klimaneutral werden. Aber nicht, wann. Wir haben als Gesellschaft keine Zeit zu verlieren.

Frank Best: Es muss einfach ein terminiertes Ziel geben. Natürlich kann man in einen Bericht, wie es die Stadt getan hat, schreiben: ‚Wir möchten klimaneutral werden. ‘ Nur: wenn man nicht schreibt, bis wann, kann niemand den Fortschritt ernsthaft messen.

Thomas Mayer: Das läuft im Labor nicht anders: Kein Plan funktioniert ohne Ziele, fürs nächste Jahr – oder fürs nächste Halbjahr, mit konkreten Zahlen, an denen man sich selbst messen lassen muss. Das Problem ist doch, dass der Klimawandel so immens erscheint, dass man schnell den Überblick verliert über die Dimension, was man überhaupt noch ausrichten kann.

Ja, man hat das Gefühl, das ist so immens, dass fast ein Lähmungseffekt eintritt. Klar, man versucht im Alltag zu machen was geht, manchmal hat man das Gefühl, es bringt eh nichts.

Mayer: Genau. Und deswegen finde ich es extrem wichtig, dass man konkrete Ziele hat, dass man seine Eckpunkte kennt. Dass man die Entwicklung beobachtet. Es geht nicht um Idealismus, es ist unumgänglich, dass etwas gemacht werden muss. Und umso mehr Zeit ineffizient verstreicht, umso teurer werden die Maßnahmen, die dann in der verbleibenden Zeit ergriffen werden müssen, um die Ziele doch noch zu erreichen. Deswegen ist ein ganz enges Monitoring wichtig.

Christine Peter: Das heißt nicht, dass es sofort eine Katastrophe ist, wenn man ein Zwischenziel nicht erreicht hat. Aber dann weiß man, dass man an seinem Plan nochmal arbeiten muss.

Frank Best: All das funktioniert mit dem Bericht der Stadt nicht. Man bewertet da Projekte mit Plus, Doppelplus und Trippelplus – aber ob jetzt 50 Tonnen CO2-Einsparung, 100 Tonnen, 500 Tonnen dahinter stehen, lässt sich nur erahnen.

Um mal aus Sicht der Stadt zu argumentieren. Es wurden vier Stellen geschaffen, um dem Ausruf des Notstands Taten folgen zu lassen. Das ist doch schon mal was.

Best: Das ist auf jeden Fall etwas und auch alles, was in dem Papier steht, ist etwas, ja. Doch es geht nicht weit genug, das ist unser Eindruck. Die 4 Stellen auf 1200 städtische Mitarbeiter sind prozentual auch kein großer Wurf, wenn ich das so sagen darf.

Peter: Es geht wirklich nicht darum, den Klimaschutzbericht zu zerlegen. Dahinter steht eine gute Intention. Aber: Ist er zielführend als Bericht, der zu einem Projektplan gehört? Und da fehlt uns was.

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Sehen Sie sich persönlich in Sachen Klima als Wissenschaftler oder als Aktivist?

Peter: Mit dem Begriff Aktivist tu ich persönlich mich etwas schwer. Ich bin Wissenschaftlerin und setze mich aktiv für Klimaschutz ein.

Best: Mein Selbstverständnis ist das eines Wissenschaftlers. In zweiter Linie will ich aktiv werden, aber auf wissenschaftlicher Basis.

Mayer: Dazu kommt das Spannungsfeld zwischen beruflichen Verpflichtungen und Klimaschutz. Reisen zum Beispiel. Es ist so einfach, sich zu sagen: „Ja, das ist beruflich, da muss ich hin.“ Ich finde, man kann das ruhig hinterfragen: Muss ich denn wirklich auf die Konferenz in den USA? Und muss ich immer fliegen, zum Beispiel nach Frankreich. Und das tun mittlerweile auch viele von uns. Ich habe im vergangenen Jahr keine Flugreise gemacht. Das Schöne: Meine Mitarbeiter haben mitgezogen. Wenn der Chef zur Konferenz mit dem Zug fährt, dann machen es auch die Mitarbeiter.

Best: Praktisch alle, die bei Scientists for Future aktiv sind, haben ihr Verhalten persönlich und als Wissenschaftler geändert.

Wissenschaftliche Objektivität und Einsatz für das Klima sind für Sie kein Widerspruch?

Best: Im Gegenteil: Objektiv gesehen ist es eine zwingende Schlussfolgerung, dass man sich fürs Klima einsetzen sollte. Das hat absolut nichts mit persönlichem Enthusiasmus zu tun. Es ist zwingend, wenn wir wollen, dass wir in 40, 50 Jahren und nachfolgende Generationen ein gutes Leben haben.

Haben Sie nicht den Anspruch, auch über das universitäre Umfeld hinaus zu wirken?

Peter: Auf jeden Fall. Fächerübergreifend an der Universität. Und Frank Best hat angeregt, dass man Vorträge aus der Uni hinaus in die Bevölkerung trägt.

Best: Das ist ein guter Punkt. Ich war am Mittwoch in Meersburg im Gymnasium, habe da vor 120 Schülern über den Klimawandel gesprochen.

Mayer: Als Lehrende haben wir eine Multiplikatorfunktion. Und da sehen wir auch eine unserer Rollen.

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Wäre es aus Ihrer Sicht sinnvoll, wenn die Stadt Wissenschaftler als Berater hinzuzieht?

Peter: Unbedingt. Bei Fragen wie Mobilitätsplanung, wie Stadtentwicklung. Man muss das Rad nicht neu erfinden, wenn es bereits Experten gibt, die das können.

Und sich ewig abquält mit Dingen, die ein anderer ganz schnell gemacht hätte, weil es sein Fachgebiet ist …

Best: Genau. Es gibt Organisationen wie German Zero, die sich darauf konzentrieren, Städte zu gestalten. Oder auch den „European Energy Award“ bei dem Konstanz ja zertifiziert ist, der nicht nur misst, sondern auch ganz viele Maßnahmen zur Verfügung stellt. Man braucht nur die Menschen vor Ort, die das umsetzen. Ich bin immer noch der Meinung, die vier neuen Stellen bei der Stadt sind zu wenig.

Was könnte Ihre Rolle dabei sein, dass Konstanz klimaneutral wird?

Mayer: Wir sehen uns in der Rolle als Kommunikator. Ein Beispiel: Das Land Baden-Württemberg hat eine sehr große Photovoltaikanlage für die Universität Konstanz finanziert und errichtet.

Die Photovoltaikanlage auf dem Dach der Universität Konstanz.
Die Photovoltaikanlage auf dem Dach der Universität Konstanz. | Bild: Foto am Muenster Alexander Schmidt

Da fällt einem gleich auf, sie ist sehr flach aufgestellt – und nach verschiedenen Himmelsrichtungen ausgerichtet. Jetzt könnte man sagen: Die Uni ist zu blöd, Photovoltaik aufzustellen. Nein, Grund ist der Denkmalschutz. Die Anlage darf von gewissen Winkeln aus nicht sichtbar sein. Und das in einer Stadt, in der Klimanotstand herrscht … und es sich um eine Technik handelt, die aufs Dach gestellt und nach 20 Jahren wieder abgebaut werden kann. Das ist sehr schade, was da für Chancen vertan werden … nur als kleines Beispiel.

Best: Es ist ja nicht so, dass man mit Klimaschutz die Gesellschaft irgendwie zum Schlechten verändert. Wir schaffen eine saubere, eine nachhaltige, eine umweltverträgliche Gesellschaft. Wenn in hoffentlich 15 bis 20 Jahren diese Maßnahme umgesetzt sind, werden wir merken, dass es uns allen viel besser damit geht. Es ist noch relativ schwierig, sich das vorzustellen. Wie etwa eine Stadt ohne die ganzen Autoabgase aussieht und riecht.

Die Stadt hat auch die Idee, zentrale, große Mobilitätspunkte einzurichten. Beispiel: Brückenkopf Nord. Dort sollen viele Autos Platz haben, so, dass man zu Fuß, mit Öffentlichen, mit dem Leihrad in die Stadt hinein kann.

Best: Ja, das mag kommunal ein spannendes Projekt sein. Klimatechnisch jedoch handelt es sich hier um die letzten 1000 Meter. Wir drei sind alle keine Verkehrsexperten. Den bräuchte man hier. Jemand, der Verkehrsströme analysiert, aus der Schweiz, aus dem Umland. Wann fährt wer wo, wann sind die Stoßzeiten? Wie baue ich Alternativen, die klimaneutral wären? Deshalb ist es so wichtig, intern ein starkes Organisationsteam aufzubauen und die jeweiligen Sachverständigen von extern mit einzubeziehen. Das werden aber viele Kommunen in den nächsten Jahren versuchen, und wenn die Nachfrage steigt, steigen auch die Preise, und es wird komplizierter, Experten zu finden. Auch hier gilt: Je länger wir damit warten, desto schwieriger und teurer wird es werden.