Die Zukunft des Stephansplatz bewegt viele Konstanzer. Über 80 interessierte Bürgerinnen und Bürger kamen zum Ortstermin, zu dem Junge Union und CDU eingeladen hatten. „Spaltet der Stephansplatz die Stadtgesellschaft?“, zitiert der CDU-Fraktionsvorsitzende Roger Tscheulin aus einem SÜDKURIER-Meinungsbeitrag, um die Frage zu beantworten: „Eigentlich nicht, wenn man es richtig macht.“
Die Gemeinderatsfraktionen seien sich einig, dass der Stephansplatz autofrei und die Parkplätze verlagert werden sollten. Aber, stellt Tscheulin klar: „Wir wollen keinen Abbau, sondern eine Verlegung“, und das sei Beschlusslage. Wenn da ein Fehler begangen werde, ja, dann spalte man die Gesellschaft.
„Macht die Stadt den zweiten vor dem ersten Schritt?“, zitiert Tscheulin erneut und erläutert: „Als wir zu diesem Ortstermin eingeladen haben, war ein Provisorium noch nicht Thema.“ Doch jetzt wolle die Stadt ab Mai schon Stellplätze verlegen, wovon die Räte aus dem SÜDKURIER erfahren hätten.
Keine Planung und kein Geld
„Was wir haben: keine Planung, kein Geld, keine Fördermittel“, skizziert Tscheulin. Dennoch solle der Stephansplatz für ein Provisorium frei gemacht werden. „Die Kommunikation mit der Stadt ist suboptimal“, äußert er. Das findet auch Stadträtin Susanne Heiß von den Freien Wählern. Sie wusste nur, dass eine Verlegung für das zweite Quartal vorgesehen sei, aber auch nur, weil sie in diesem Jahr dezidierte Anfragen an die Stadt gestellt hatten.
„Letztes Jahr erst haben wir 90.000 Euro für die Planung beschlossen“, ebenso wie das Einwerben an Fördergeldern. Eine Planung liege ebenso wenig vor, wie eine Fördermittelzusage. „Vier bis fünf Millionen Euro kostet die Umgestaltung. Wir haben in der Stadt nicht genügend Geld, sondern zehn Millionen Defizit im Jahr“, so Heiß. „Der Stephansplatz spielt 370.000 Euro pro Jahr an Parkgebühren ein. Man kann nicht einfach so, auf einen solchen Betrag verzichten“, erläutert Tscheulin.
Erst Angefangenes zu Ende bringen
„Wir kennen uns mit provisorischen Maßnahmen gut aus“, so Tscheulin; mehr als zehn Jahre habe das Provisorium am Bahnhofplatz gehalten. „Das wollen wir definitiv nicht“, sagt er. Michael Hepp, der ein Fachgeschäft an der Marktstätte führt, kann ein Liedchen davon singen. „Vor zehn bis zwölf Jahren gab es einen Wettbewerb für die Gestaltung der Marktstätte. Wir haben einen Plan und es wurde nichts gemacht, weil kein Geld da ist“, erinnert er.
Hepp versteht nicht, warum jetzt die nächste Baustelle aufgemacht werde, wenn es sogar an Geld für die Schulen mangele. Uli Topka findet, dass erst Angefangenes fertiggemacht werden solle, wie beispielsweise Marktstätte und C-Konzept. Oder den „Augustinerplatz auf Vordermann bringen“, anstatt „ohne Not“ jetzt an den Stephansplatz zu gehen.

„Als Planer vermisse ich einen Plan“, stellt Architekt Christoph Bauer fest. Das moniert auch Anwohner Achim Eickhoff. Die Anwohner seien durch Fasnacht und Weinfest schon vieles gewohnt. Er befürchtet, dass – wenn der Stephansplatz umgestaltet ist – es nachts noch lauter und lebhafter werde.

Die Multifunktionalität wird unterschätzt
„Seit 70 Jahren wohne ich an diesem Platz“, sagt Stephan Viellieber. Der Stephansplatz habe viele Funktionen. „Ich sehe jeden Tag, wie viele Lieferwagen kommen, behinderte Menschen, die aus Autos ein- und ausgeladen werden“, schildert er. „Die Multifunktionalität wird von der Stadt unterschätzt“, bekräftigt Stadtrat Daniel Hölzle (FW). „Es ist wichtig, es im Kompletten zu denken.“ Erst, wenn es eine Lösung gebe, sollte man ihn umgestalten.

„Eine Beteiligung im Vorfeld war zugesagt; nicht wie beim Bahnhofplatz, wo wir die Planung zur Kenntnis bekommen haben“, berichtet Irene Heiland vom Stadtseniorenrat. Vor langer Zeit seien aus Sicht des Stadtseniorenrates Vorschläge zum Stephansplatz gemacht worden.
Die Beschaffenheit des Platzes spiele dabei eine Rolle. „Ein Pflaster wie am Münster wäre der Horror“, formuliert Heiland. „Auch wenige Parkplätze müssen erhalten bleiben für die, die nicht weit laufen können, um zum Arzt oder zum Einkaufen zu gehen“, so die Stadtseniorenrätin. Wichtig sei vor allem, dass der Wochenmarkt hier weiterhin in gewohnter Form stattfindet.

„Wir haben der Stadt klar gesagt, was wir wollen“, berichtet Thomas Romer vom Förderverein Wochenmarkt. „Es gibt 60 Stände. Der Platz muss auch für große Fahrzeuge befahrbar sein. Mich stört, dass ein schnelles Provisorium kommen soll.“
Wie kommen die Handwerker an ihr Ziel?
Rüdiger Fischer, Chef einer Dachdecker-Firma, spricht die dringend benötigten Stellplätze für Handwerker an; er schätzt, es sollten zehn bis 20 sein. Lange Wege, „das trifft uns und die Kunden“, die das letztlich bezahlen müssten. „Ich kenne etliche Handwerker, die nicht mehr in die Innenstadt gehen“, berichtet Christoph Vayhinger, Geschäftsführer einer Zimmerei.
„Hier gibt es Lieferflächen für Lieferdienste, aber die dürfen wir nicht anfahren“, so Vayhinger. Das Döbele sei zu weit weg. Um den Stephansplatz schön zu gestalten, „musst du richtige Bäume pflanzen“, findet er, befürchtet aber, dass es Probleme mit archäologischen Funden geben könne.

Die Menschen holen sich den Platz schon
Viele berechtige Punkte habe sie gehört, sagt Carina Winklers, die unter anderem bei Fridays For Future aktiv ist. „Die Kommunikation könnte besser laufen“, findet sie, hat aber auch das Gefühl, es würden viele Scheinargumente vorgebracht. „Man muss es im Großen sehen. Für die Verkehrswende vor Ort muss man den Individualverkehr unattraktiv machen und den ÖPNV ausbauen.“
Klar ist für Winklers: „Autofrei heißt auch, Ausnahmen müssen vorgesehen werden.“ Behinderten- und Handwerkerparkplätze ja, aber dass die Besucherparkplätze entfallen, begrüße sie. Gegen ein Provisorium hat sie nichts einzuwenden: „Die Menschen holen sich den Platz schon.“

„Es ist erschreckend. Jeder sagt: Wir sind unsicher und haben keine Infos“, fasst CDU-Stadträtin Heike Rawitzer den Austausch zusammen. „Es ist ein Thema, das die Stadt bewegt“, so Tscheulin, der ankündigt, dass eine Entscheidung erst noch anstehe. Voraussichtlich in der Sitzung des Technischen und Umweltausschusses im April komme das Thema auf die Tagesordnung.